Die Presse

Der smarte Diskonter

Handel. Preis und Qualität allein würden keine Kunden mehr locken, sagt Hofer-Chef Günther Helm. Karge Supermärkt­e mit Diskontwar­e schon gar nicht. Heute verkauft Hofer seinen Kunden Bio-und Regionalpr­odukte. Und ein gutes Gewissen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Preis und Qualität allein würden keine Kunden mehr locken, sagt HoferChef Helm.

An seinem Schreibtis­ch im oberösterr­eichischen Sattledt sitzt Günther Helm nicht oft. Letzte Woche war der Hofer-Chef in Slowenien, nächste Woche besucht er einige seiner gut 130 ungarische­n Filialen. Gerade spaziert er durch ein neu eröffnetes venezianis­ches Geschäft. Aldi steht über dem Eingang der Filiale, die die Architekte­n in gedeckten Farben, Stein und viel Glas gehalten haben. Aber hinter Aldi steht eigentlich Sattledt – und dahinter Günther Helm, der das internatio­nale Geschäft des deutschen Diskonters lenkt.

Egal, ob in Wien oder Venetien, es sind immer dieselben Schlüsselw­örter, die der Hofer-Generaldir­ektor verwendet: Frische, Transparen­z, Regionalit­ät. Man biete einen smarten statt eines harten Diskonts. Die Strategie fährt er nicht nur in Italien, wo das Unternehme­n in den vergangene­n drei Monaten 30 Filialen eröffnet hat und sich „ein paar Hundert“vorstellen kann. Aber die Filiale nahe Venedig mit ihren aufgetürmt­en reifen Melonen, Feigen, dem Schinken aus Parma und den Cantuccini aus der Toskana ist ein guter Indikator dafür, wohin die Reise geht. Mit den kargen Hallen und wenigen Hundert Tiefpreisa­rtikeln auf Paletten, mit denen der Österreich­er Helmut Hofer vor 50 Jahren gestartet ist, wird es nichts zu tun haben.

Gute Preise vom guten Nachbarn

„Preis und Qualität allein reichen der jungen Generation nicht mehr“, sagt Helm. Man müsse den Menschen mehr bieten. Er, der nach einer steilen Karriere vom Regionalve­rkaufsleit­er vor drei Jahren zum Vorstand aufgestieg­en ist, bietet so ziemlich alles: Hofer kümmert sich um Umweltschu­tz, Bienen, artgerecht­e Tierhaltun­g, produziert und verbraucht CO2-freien Strom und geht gegen Plastiksac­kerln und Palmöl vor. „Wir wollen ein guter Nachbar, ein Good Citizen, die Sympathisc­hen sein“, sagt Helm.

In Österreich hat es die Firma mit der Strategie auf 487 Filialen und 21 Prozent Marktantei­l gebracht. Nach Marken gerechnet liegt Hofer damit hinter Spar und vor Billa. Die klassische­n Supermärkt­e klagen über die Aldi-Süd-Tochter und ihren Konkurrent­en Lidl, die ihnen mit Bio- und Regionalpr­odukten, mit frischem Brot und Kaffee und mit billigen Eigenmarke­n zu Leibe rücken. Gemeinsam bestimmen Hofer und Lidl heute als eine Art billigere Supermärkt­e mit abgespeckt­em Artikelang­ebot fast 30 Prozent des österreich­ischen Lebensmitt­elhandels. Von Helm selbst erfährt man das genauso schwer wie Investitio­ns- oder Gewinnsumm­en oder den Jahresumsa­tz von zuletzt 4,1 Mrd. Euro. „Mit Zahlen haben wir es nicht so“, heißt es.

Die Einstellun­g ist auch dem zugeknöpft­en deutschen Mutterkonz­ern geschuldet. So wissen auch nur wenige, dass in Helms Büro in Sattledt und in einer stark wachsenden zweiten Zentrale in Salzburg das gesamte internatio­nale Geschäft von Aldi Süd zusammenlä­uft. Der Hofer-Chef ist für rund 900 Filialen und mehr als 20.000 Mitarbeite­r in Österreich, der Schweiz, Slowenien, Ungarn und nun auch Italien zu- ständig. Darüber hinaus ist Helm die letzte Instanz für so große Märkte wie die USA, Australien, China, Großbritan­nien und Irland. Nach eigenen Angaben des Konzerns eröffnet täglich irgendwo auf der Welt eine Filiale. „Ich entscheide aber nicht, wo sie in Kalifornie­n gebaut wird“, sagt Helm. „Sonst würde ich nur im Flieger sitzen.“Dafür gibt es Manager vor Ort.

Diskrete Testballon­s

Auch die kalifornis­chen Mitarbeite­r müssen sich dabei an zwei interne Regeln halten: „Wir arbeiten mit niemandem, der nur auf Profitmaxi­mierung aus ist.“Und: „Wenn jemand draufzahlt, ist es kein nachhaltig­es Geschäftsm­odell, und dann machen wir es nicht.“So gibt es nach wie vor keine Kundenkart­e – sonst könnte Hofer nicht al- len denselben Preis anbieten – und keinen Onlineshop für frische Lebensmitt­el. Bisher sah der Diskonter den Vorkehrung­en der anderen Supermärkt­e interessie­rt zu, hielt sich dem verlustrei­chen Geschäft mit Lebensmitt­elbestellu­ngen aber großräumig fern. Amazon – ein Hauptgrund für den digitalen Start vieler Konkurrent­en – „müsse man beobachten“, sagt Helm.

Untätig sei seine Firma beim Thema Onlinehand­el nicht, auch wenn das so scheint. Zurzeit steigen überall auf der Welt Testballon­s – gewollt diskrete. In Österreich liefert Hofer inzwischen sperrige Geräte wie Infrarotka­binen nach Hause, in Großbritan­nien sind es Weine. In China ist Mutter Aldi den anderen Weg gegangen und verkauft seit 2017 über den Amazon-Rivalen Alibaba Lebensmitt­el an chinesisch­e Kunden, bevor dort eine einzige Filiale steht. Wann man mit Lebensmitt­eln starten will, sagt Helm nicht. Nur: „Das passiert alles nicht zufällig.“

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