Ist das Breitmaulnashorn noch zu retten? Mit Retortenbabys?
Biologie. Von einer Nashornart gibt es nur noch zwei Weibchen, und die können keine Jungen bekommen. Nun soll Reproduktionsmedizin helfen.
Am 19. März verschied der Letzte seiner Art, der Nördliche Breitmaulnashornbulle Sudan, er war 45 Jahre alt und konnte schon lange kaum mehr laufen – geschweige denn ein Weibchen besteigen –, nun war sein Zustand so übel geworden, dass man ihn einschläferte, in einem Schutzgebiet in Kenia. Dort hatte er seine letzen Jahre verbracht, gemeinsam mit zwei Weibchen, seiner Tochter Najin und seiner Enkelin Fatu. Alle waren 2009 aus einem Safaripark in der Tschechischen Republik nach Afrika gekommen.
Dort hatten sie, die Nördlichen Breitmaulnashörner, sich vor etwa 80.000 Jahren von den Südlichen getrennt, sie florierten lange, aber seit den 1970er-Jahren waren Wilderer so blutig hinter ihnen her, dass sie 2008 in der Natur ausgerottet waren (von den Südlichen leben noch ca. 18.000 in der Natur). Bald gab es nur noch die im Safaripark, doch sie reproduzierten sich nicht, deshalb setzte man auf eine Umgebung in Afrika, die Hoffnung trog. Man hat auch versucht, die beiden Weibchen mit Südlichen Breitmaulnashörnern zu kreuzen, die Hoffnung trog auch: Eines der Weibchen hat – wohl vom Vater ererbt – so schwache Füße, dass es vom Gewicht gar keine Jungen austragen könnte –, beim anderen ist der Gebärapparat so deformiert, dass es keine Aussichten gibt.
Und doch halten manche daran fest, die Art zu retten, an der Spitze Thomas Hildebrandt (Berlin), der seit Jahren die erforderliche Technik vorantreibt: Bei der geht es um Retortenbabies durch In-vitro-Fertilisation (IVF), analog zu denen von Menschen, deren erstes vor 40 Jahren zur Welt kam, heute leben acht Millionen derart im Labor gezeugte Menschen.
Eizellenentnahme mit Zwei-Meter-Gerät
Für das Verfahren braucht man hier wie dort dreierlei: Eizellen, Spermazellen und Geld. Letzteres ist für die Nashörner nicht leicht aufzutreiben, da Artenschützer lieber in die Erhaltung noch frei lebender anderer Nashörner investieren. Und die nötigen Keimzellen gibt es nur zur Hälfte: Sperma von Sudan und vier anderen Bullen ist eingefroren. Eizellen hingegen hat man keine. Aber Hildebrandt hat früher schon an Südlichen Breitmaulnashörnern gezeigt, dass man sie entnehmen kann, mit einem zwei Meter lan- gen Gerät, das durch den Darm eingeführt wird und durch dessen Wand in den Eierstock greift. Nun ist er den nächsten Schritt gegangen und hat von einem Spezialisten für IVF bei Großtieren – es gibt Verfahren etwa für Rinder und Pferde – Südliche Eizellen mit Nördlichem Sperma befruchten lassen, es gelang bis in frühe Embryostadien, die wurden eingefroren (Nature Communications 4. 7.). Nun fehlen nur noch Nördliche Eizellen. Die sollen im nächsten Schritt den beiden Weibchen entnommen werden. Und wenn auch daraus Embryos reifen, sollen Südliche Surrogatmütter sie austragen.
Aber selbst wenn alles klappt, hätte man einen extrem engen Genpool. Deshalb setzen manche Mitglieder der Forschergruppe auf einen zusätzlichen Weg: Es gibt eingefrorene Hautstücke vieler Nördlicher, die will man zu pluripotenten Stammzellen verjüngen, und aus denen Ei- und Spermazellen ziehen. So etwas ist erdweit bisher allerdings erst ansatzweise gelungen: an Mäusen.