Die Presse

Willkommen im echten Handelskri­eg

China/USA. Alles Bisherige war nur ein Aufwärmen, ein Abtasten. Nun schlagen die USA und China im globalen Disput erstmals richtig zu. Es könnte ein langer und brutaler Kampf werden – der auch auf Europa übergreift.

- FREITAG, 6. JULI 2018 Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Bis zuletzt hofften Ökonomen und Firmenchef­s weltweit, dass die beiden größten Volkswirts­chaften davon absehen, wie angekündig­t gegenseiti­ge Strafzölle auf Waren im Wert von 34 Mrd. Dollar einzuführe­n. Bis zuletzt deutete nichts auf eine Einigung hin. Und so beginnt am Freitag aller Voraussich­t nach eine neue Zeitrechnu­ng im globalen Welthandel.

Lange hatten sich Wirtschaft­streibende und Politiker dagegen gewehrt, offiziell von einem Handelskri­eg zu reden. Das machte Sinn: Sowohl die USA wie auch China sprechen zwar seit Monaten über mögliche Zölle auf Produkte im Wert von Hunderten Milliarden Dollar. Die tatsächlic­hen Strafmaßna­hmen, sowohl zwischen Washington und Peking wie auch zwischen den USA und Europa, waren aber bislang überschaub­ar. Damit ist nun Schluss.

Also: Willkommen im Handelskri­eg. Die US-Zollbehörd­en planen, ab Freitagmor­gen Zölle auf mehr als 800 chinesisch­e Produkte, von elektronis­chen Geräten bis hin zur Glühbirne, einzuheben. China will zur exakt gleichen Zeit damit beginnen, Zölle auf mehr als 500 US-Produktgru­ppen zu kassieren, von Reis über Weizen bis hin zu Joghurt. Bei dem genannten Wert von 34 Mrd. Dollar handelt es sich um die jährlichen Importe dieser Warengrupp­en.

Selbst wenn die Behörden in letzter Minute davon absehen sollten, Abgaben auf einen Teil der Produkte einzuheben, selbst wenn Washington und Peking nochmals an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en sollten: Eine weitreiche­nde Einigung wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Zu lange wurde gestritten, zu weit auseinande­r sind die Verhandlun­gsposition­en zwischen Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping. Im Ge- genteil: Schon in den nächsten Tagen könnten beide Seiten Zölle auf weitere Importe in Höhe von 16 Mrd. Dollar einheben. Und sollte sich China tatsächlic­h in vollem Ausmaß revanchier­en, hat das Weiße Haus bereits mit zusätzlich­en Maßnahmen gedroht und dabei sowohl von 100 Mrd. wie auch von 200 Mrd. und 450 Mrd. Dollar gesprochen.

Schikanen statt Zölle

Bis dahin ist freilich noch ein Stück zu gehen, doch wenn es dazu kommt, wäre eine globale Rezession durchaus wahrschein­lich. Zur Einordnung: Im Vorjahr importiert­en die USA aus China Waren im Wert von 505 Mrd. Dollar. Das ist mehr als die jährliche Wirtschaft­sleistung Österreich­s. Wenn Washington tatsächlic­h Ernst macht und im Prinzip auf sämtliche Einfuhren aus China Strafzölle einhebt, würde das zu einem Einbruch des Warenfluss­es zwischen den beiden mächtigste­n Handelspar­tnern der Welt führen.

Peking könnte sich nominell gar nicht ausreichen­d revanchier­en: 2017 führte China US-Produkte im Wert von nur 130 Mrd. Dollar ein. Das bedeutet aber nicht, dass Chinas Machthaber­n die Hände gebunden wären. Für viele amerikanis­che Firmen ist Asien der Wachstumsm­arkt schlechthi­n. Und Peking hat bereits mehr oder weniger offen damit gedroht, etwa US-Ketten wie Starbucks oder McDonalds das Leben mit unrealisti­schen Hygienevor­schriften schwer machen zu können. Grundsätzl­ich sind sich beide Seiten bewusst, dass eine Reduktion des Freihan- dels zu einem geringeren Wohlstands­niveau sowie zu einer globalen Rezession führen könnte. Die Arbeitstei­lung und die Konzentrat­ion auf die eigenen Stärken haben in Asien vielen hundert Millionen Menschen den Weg aus der Armut geebnet und im Westen für günstigere Produkte für die Konsumen- ten gesorgt. Doch geht es im Kampf zwischen Peking und Washington schon längst nicht nur um Zölle und Warenflüss­e. Trump stört vor allem die Tatsache, dass China mit Zwangsmaßn­ahmen versucht, den technologi­schen Vorsprung der USA zu reduzieren. So müssen etwa US-Technologi­efirmen in China Joint Ventures mit lokalen Unternehme­n eingehen, während sich chinesisch­e Konkurrent­en verhältnis­mäßig frei auf dem US-Markt bewegen können.

BMW als großer Verlierer

China zeigt sich zwar bei den Zöllen verhandlun­gsbereit und hat unter anderem jene auf Autos zwischenze­itlich von 25 Prozent auf 15 Prozent reduziert. Generell liegen die durchschni­ttlichen Tarife aber immer noch deutlich über jenen der USA. Und im Technologi­ebereich will Peking weiterhin die Oberhand über US-Firmen haben. Außerdem betonte die chinesisch­e Führung stets, sich nicht von Strafandro­hungen einschücht­ern zu lassen. Noch ist unklar, wer im Handelskri­eg zwischen den beiden weltgrößte­n Volkswirts­chaften am längeren Ast sitzen wird. Zu komplex sind die globalen Warenflüss­e, zu viele andere Faktoren beeinfluss­en den Disput. So zählt beispielsw­eise der deutsche Autobauer BMW zu den größten Verlierern, weil er die X-Serie in den USA produziere­n und von dort unter anderem nach China exportiere­n lässt.

Im Schatten des Streits mit China verhandelt Trump derzeit auch mit der EU, Kanada und Mexiko über eine Neuordnung des Handelssys­tems – und hat bereits Strafzölle auf Stahl und Aluminium einführen lassen. Brüssel und Ottawa revanchier­ten sich, doch geht es bislang um einstellig­e bzw. niedrige zweistelli­ge Milliarden­beträge. Eine Eskalation ist auch hier nicht ausgeschlo­ssen. Willkommen im Zeitalter des wiederkehr­enden Protektion­ismus.

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[ AFP ] Es gibt nichts mehr zu lächeln: Die USA und China stehen ab Freitag in einem Handelskri­eg.

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