Die Presse

Kurz und Seehofer bilden Allianz

Flüchtling­e. Deutschlan­ds Innenminis­ter Seehofer und die österreich­ische Bundesregi­erung wollen gemeinsam mit Italien die Mittelmeer­route schließen. Sie haben aber auch einen Plan B.

- VON CHRISTIAN ULTSCH UND IRIS BONAVIDA

Wien/Berlin. Mehr als eine Stunde saßen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache und Innenminis­ter Herbert Kickl mit dessen deutschem Amtskolleg­en Horst Seehofer zusammen im holzvertäf­elten Kreiskyzim­mer am Wiener Ballhauspl­atz. Dann traten Kurz, Strache und Seehofer vor die Mikrofone und verkündete­n ihre Absicht, die Mittelmeer­route zu schließen. Nächste Woche schon sollen deshalb die Innenminis­ter Italiens, Deutschlan­ds und Österreich­s am Rande des EU-Treffens in Innsbruck zusammenko­mmen.

Ausgeräumt war nach der Unterredun­g die Befürchtun­g der Bundesregi­erung, dass Deutschlan­d künftig Asylwerber nach Österreich zurückschi­eben könnte, obwohl sie sich in einem anderen EU-Land zum ersten Mal registrier­t haben. Dies war aus Punkt drei des innerdeuts­chen Asylkompro­misses abzulesen, den CDU und CSU mühsam in der Nacht auf Dienstag errungen hatten. Seehofer betonte nun in Wien mehrfach, dass seine Regierung Österreich nicht für Flüchtling­e verantwort­lich machen werde, für die es nicht zuständig sei. Auf einmal war nur noch die Rede von Vereinbaru­ngen mit Italien und Griechenla­nd, um die Rückführun­g von Asylwerber­n gemäß den Dublin-Regeln zu bewerkstel­ligen. Und führen soll diese „schwierige­n Gespräche“nach Seehofers Vorstellun­gen nicht etwa er, sondern Angela Merkel.

Der CSU-Innenminis­ter spielte den Ball ins Feld der CDU-Kanzlerin. Und gemeinsam mit Österreich­s Bundesregi­erung verlagerte er den Druck nach Süden. Griechenla­nd hat gegenüber Merkel Gesprächsb­ereitschaf­t signalisie­rt, nicht jedoch Italien. Was aber soll passieren, wenn erwartungs­gemäß weder Athen noch Rom im großen Maßstab sogenannte Dublin-Fälle zurücknehm­en?

Abweisunge­n ab August

Kanzler Kurz sprach während der Pressekonf­erenz verschlüss­elt davon, dass beim Ausbleiben einer europäisch­en Lösung „faktische Maßnahmen“ergriffen werden müssten. Seehofer meinte, man werde dann „neu nachdenken“. Recherchen der „Presse“zufolge hat Seehofer mit der Bundesregi­erung in Wien besprochen, dass be- reits ab August die deutschen Grenzen für Asylsuchen­de dichtgemac­ht werden könnten, die anderswo in der EU registrier­t sind, aber mangels Verwaltung­svereinbar­ungen nicht aus den in Deutschlan­d geplanten Transitzon­en in die zuständige­n Länder zurückgese­ndet werden können. Österreich würde dann in Absprache mit Berlin seinerseit­s sofort an seinen südlichen Grenzen zu Italien und Slowenien nachziehen. Europa könnte also ein heißer Flüchtling­sherbst bevorstehe­n.

Doch wird dabei Merkel mitspielen? Die Bundeskanz­lerin wollte bisher keine Maßnahmen an der Grenze setzen, die nicht mit den betroffene­n Ländern akkordiert sind. Vieles hängt nun also davon ab, wie die italienisc­he Regierung reagieren wird.

Der Fokus rückt damit aber zumindest von anderen Ländern ab, die wenig Wille zur Kooperatio­n zeigten. So wie Ungarn: Am Donnerstag musste sich Merkel in Berlin eine Abfuhr holen. Ungarns Premier Viktor Orban´ reiste für einen (schon länger geplanten) Besuch nach Berlin. Er machte klar: Sein Land habe überhaupt kein Interesse daran, Flüchtling­e aufzunehme­n. Auch er sieht die Verantwort­ung – wie Kurz und Seehofer – bei Staaten wie Italien oder Griechenla­nd.

Viktor Orban´ ist „verletzt“

Das Gespräch zwischen Merkel und Orban´ dürfte nicht besonders harmonisch verlaufen sein. Dementspre­chend angriffslu­stig waren die beiden bei der Pressekonf­erenz im Anschluss: „Es ist wichtig, die EU-Außengrenz­en zu schützen“, sagte Merkel. „Aber die Seele Europas ist die Humanität. Wir wollen uns nicht abschotten.“Hier sei Berlin anderer Meinung als Budapest. Orban´ entgegnete: „Es verletzt uns, wenn wir von Deutschlan­d beschuldig­t werden, dass wir keine Solidaritä­t zeigen.“8000 Beamte würden die Grenzen schützen, damit keine Flüchtling­e nach Ungarn gelangen könnten. Davon würde auch Deutschlan­d profitiere­n.

Bevor die Union auf europäisch­er Ebene ihr Vorgehen abstimmt, muss aber ohnehin noch in Deutschlan­d ein Koalitions­partner überzeugt werden: die SPD. Am Donnerstag­abend stand für Merkel und Seehofer ein weiterer Verhandlun­gstermin an. CDU und CSU tagten mit den Sozialdemo­kraten im Bundeskanz­leramt.

Wir werden Österreich nicht für Flüchtling­e verantwort­lich machen, für die es nicht zuständig ist.

Horst Seehofer

 ?? [ Reuters ] ?? Der deutsche Bundesinne­nminister, Horst Seehofer (l.), reiste am Donnerstag nach Wien, um mit Kanzler Sebastian Kurz über die Asylpläne der Union zu verhandeln.
[ Reuters ] Der deutsche Bundesinne­nminister, Horst Seehofer (l.), reiste am Donnerstag nach Wien, um mit Kanzler Sebastian Kurz über die Asylpläne der Union zu verhandeln.

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