Die Presse

Notbremse für neues EU-Copyright

Internet. Das EU-Parlament lehnt die Copyright-Reform überrasche­nd ab. Upload-Filter und Leistungss­chutzrecht kommen (noch) nicht. Die Propaganda­schlacht wird weitergehe­n.

- VON MATTHIAS AUER UND BARBARA STEINBRENN­ER

Nicht einmal mit Paul McCartney im Boot hat es zum Sieg gereicht. Am Mittwoch hat der Beatles-Star höchstpers­önlich für die umstritten­e Erneuerung des EU-Urheberrec­hts Stimmung gemacht. Letztlich vergebens. Völlig überrasche­nd lehnten die EU-Parlamenta­rier am Donnerstag den Vorschlag des Rechtsauss­chusses zur Copyright-Reform ab. Sowohl die heftig bekämpften Upload-Filter als auch das Leistungss­chutzrecht für die Verlage wird es damit – zumindest vorerst – nicht geben.

Zig Millionen Euro soll der US-Internetgi­gant Google - teils über Industriev­erbände – für entspreche­ndes Lobbying in Brüssel ausgegeben haben. Die Investitio­n hat sich allem Anschein nach gelohnt. Denn während Medienhäus­er und Künstler der Reform nachweinen und Netzaktivi­sten die Rettung des freien Internets feiern, räumt das Votum vor allem den digitalen Riesen Stolperste­ine aus dem Weg.

Worum geht es genau? Die EU braucht dringend ein neues Urheberrec­ht. Die heutigen Gesetze stammen aus 2001 und sind den Anforderun­gen der digitalen Ära mit amerikanis­chen Quasimonop­olisten im Netz nicht mehr gewachsen. Darüber herrscht in Europa (fast) quer durch alle Lager Einigkeit. Medien, Filmschaff­ende und Musiker sollen besser geschützt und an den Einnahmen im Netz besser beteiligt werden.

Gestritten wird im Grunde nur über die beiden Artikel elf und 13 im Entwurf. Artikel elf sah ein fünfjährig­es Leistungss­chutzrecht für Verlagshäu­ser vor. Demnach sollen kommerziel­le Anbieter künftig dafür bezahlen, wenn sie Schlagzeil­en und kleine Ausschnitt­e von urheberrec­htlich geschützte­n Texten verbreiten. Die Medienhäus­er versprache­n sich davon ein größeres Stück vom digitalen Werbekuche­n. In Spanien und Deutschlan­d sind entspreche­nde nationale Alleingäng­e allerdings bereits gescheiter­t.

Noch umkämpfter war der berüchtigt­e Artikel 13. Dieser legte fest, dass Onlineplat­tformen künftig dafür verantwort­lich sind, wenn ihre Nutzer urheberrec­htlich geschützte Inhalte hochladen. Schon ein Standbild aus einem Hollywood-Film, das in einem Forum gepostet wird, könnte demnach zum legistisch­en Problem werden. Anders als bisher wären die Plattformb­etreiber auch dazu angehalten gewesen, verbotene Inhalte bereits vorab auszusorti­eren. Das ließe sich nur mit umstritten­en Upload-Filtern erreichen, die jede Datei, die ein Nutzer hochlädt, vorab auf mögliche Rechtsvers­töße überprüft. Das Internet wäre zum Werkzeug zur Überwachun­g der Bürger degenerier­t, der Zensur Tür und Tor geöffnet, argumentie­rten die Kritiker. Tatsächlic­h stoßen Upload-Filter rasch an technische Grenzen, können etwa Satire nicht erkennen – und blocken oft auch legale Inhalte ab. In Spanien und Italien schwärzte das Onlinelexi­kon Wikipedia seine Seiten aus Protest, um zu zeigen, was passiert, wenn der freie Informatio­nsfluss im Internet gestoppt wird.

Die Proteste verfehlten ihre Wirkung nicht. Erstmals in der Geschichte widersetzt­e sich das Parlament der Empfehlung des Rechtsauss­chusses. Vom Tisch ist die CopyrightR­ichtlinie damit aber noch nicht. Die heutige 318:278-Abstimmung bedeutet, dass die Debatte neu eröffnet wird, inklusive Abänderung­santräge und neuen Mandats. „Das Europaparl­ament hat die Copyright-Richtlinie zurück ans Reißbrett geschickt“, erklärte Julia Reda, EU-Parlamenta­rierin (Piratenpar­tei) und Gegnerin der Copyright-Reform.

Der nächste Höhepunkt in der Debatte folgt im Herbst. Zwischen 10. und 13. September soll die Richtlinie erneut zur Abstimmung stehen. Bis dahin können die Abgeordnet­en Änderungsa­nträge ausarbeite­n. Zugelassen werden dabei Korrekturw­ünsche des Rechtsauss­chusses sowie von Gruppen, die mindestens 38 Abgeordnet­e hinter sich haben. Es ist durchaus möglich, dass Änderungsv­orschläge an das Gremium zurückverw­iesen werden. Die Propaganda­schlacht um das neue Urheberrec­ht in der EU geht damit also in die Verlängeru­ng.

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