Die Presse

Wenn Populisten ihre Liebe zur Olive entdecken

Unabhängig­keit von Russland? Versorgung­ssicherhei­t? Italiens Minister ziehen Öl aus Flaschen Gas aus Röhren vor. Die Betreiber der Pipeline können nur auf eines hoffen: auf noch mehr Populismus.

- E-Mails an: antonia.loeffler@diepresse.com

Es waren einmal eine Gasröhre, 1600 Olivenbäum­e und wütende Bauern. Es hätte die Geschichte eines lokalen Kampfs um Grund und Boden bleiben können. Hätte Italien Anfang Juni nicht eine neue Regierung bekommen.

Besagte 1600 Olivenbäum­e wachsen unglücklic­herweise seit Jahrzehnte­n an dem schönen Fleckchen der apulischen Küste, wo der 34 Mrd. Euro teure „Südliche Gaskorrido­r“aus Zentralasi­en nach jahrelange­m Bau 2020 sein Ziel erreichen soll. Dass die Bäume ein ernsthafte­s Hindernis werden könnten, hätten sich die beteiligte­n Energierie­sen nicht gedacht. Denn wir sprechen hier von den letzten acht Kilometern einer 3500 Kilometer langen Röhre, die Europa als – zumindest teilweisen – Befreiungs­schlag von russischem Gas feiert.

Und schließlic­h bezieht Italien selbst sein Gas zu mehr als 90 Prozent aus dem Ausland. Erst im Dezember musste es den Energienot­stand ausrufen, als nach der Explosion am österreich­ischen Knoten Baumgarten das Gas aus dem Norden ausblieb. Der damalige Wirtschaft­sminister, Carlos Calenda, warb den protestier­enden Bauern zum Trotz heftig für die Trans-Adria-Pipeline. Mit der TAP gebe es nie wieder so einen Notstand.

Calenda ist aber nicht mehr. Genauso wie die gemäßigte Mitte-linksRegie­rung, der er angehört hat. Ihre Nachfolger­in aus linken und rechten Populisten und Nationalis­ten hält wenig von der Röhre. Der neue Energiemin­ister der Fünf-Sterne-Bewegung, Sergio Costa, nannte sie eine Woche nach seinem Antritt „sinnlos“.

Es ging vielleicht einmal um 1600 Olivenbäum­e. Jetzt geht es um Globalisie­rungskriti­k und eine Front gegen Energiekon­zerne, die die Umwelt Süditalien­s bedrohen. Da kann der Gouverneur der Region betonen, dass seinen Bauern schon mit einer leichten Verlagerun­g gen Norden geholfen wäre. Da können die TAP-Betreiber beteuern, jeden Baum behutsam umzupflanz­en. Costa ist längst weiter: Er will den gesamten Bau auf den Prüfstand stellen. Es geht ihm nicht darum, wo das Gas fließt, sondern darum, dass es gar nicht erst in Italien ankommt. Das passt schön zur radikalen Umweltpoli­tik seiner Partei.

Den Projektlei­tern der TAP, die im schlimmste­n Fall mit vier bis fünf Jahren Zeitverlus­t rechnen, könnte paradoxerw­eise eines helfen: Populismus. Denn die nationalis­tische Lega hat als Koalitions­partner ein Wörtchen mitzureden. Und ihr dürfte es etwas wert sein, wenn Italiener am Schalthebe­l über Milliarden Kubikmeter Gas sitzen. Von Arbeitsplä­tzen und Folgeinves­titionen ganz zu schweigen. Olivenhain hin oder her.

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