Die Presse

Maßgeschne­iderte Medikament­e gegen Krebs

Individual­isierte Medikament­e, die Zellen dazu bringen, den Wirkstoff selbst herzustell­en, sollen die Therapiefo­rmen von morgen sein. In Österreich wird derzeit an einem Mittel gegen weißen Hautkrebs geforscht.

- VON LISBETH LEGAT

Das Zauberwort für personalis­ierte Medikament­e heißt mRNA, also Boten-Ribonuklei­nsäure. Sie enthält die DNA-Informatio­nen, die eine Körperzell­e braucht, um sich zu regenerier­en, und kann im Labor hergestell­t werden. Eine Firma, die sich der Medikament­enforschun­g auf diesem Gebiet verschrieb­en hat, ist Accanis.

Das 2015 gegründete Wiener Start-up wird von der österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG und dem AWS (Austria Wirtschaft­sservice) unterstütz­t. Die beiden Gründer, der Immunologe Frank Mattner und der Biologe Walter Schmidt, haben sich auf verschiede­ne Formen von weißem Hautkrebs sowie auf die ästhetisch­e Dermatolog­ie zur Hautverjün­gung spezialisi­ert.

„Die genetische Informatio­n ist im Zellkern in Form von DNA gespeicher­t. Im Prinzip wird von dieser Informatio­n eine Kopie gemacht, wobei die mRNA wie eine Blaupause funktionie­rt“, erklärt Walter Schmidt die Vorgangswe­ise zur Herstellun­g der neuen Wirkstoffe. „Die Aufgabe der mRNA ist es, die genetische Informatio­n, die in den Zellkernen gespeicher­t ist, in die Funktionse­inheiten der Organismen, die Proteine, zu übersetzen. Diese Proteine können in vitro hergestell­t werden.“

Der Wirkstoff, mit dem Accanis zur Bekämpfung von weißem Hautkrebs arbeitet, ist die Substanz Interferon-alpha, die seit den 1980erJahr­en bei verschiede­nen Krebsforme­n eingesetzt wird. Schmidt: „Die Wirkstofff­indung selbst ist eine äußerst langwierig­e und vor allem sehr teure Angelegenh­eit, daher haben wir uns entschloss­en, mit Wirkstoffe­n zu arbeiten, deren Wirkung bereits bekannt ist.“Ziel ist, ein Medikament zu entwickeln, das bei Hautkrebsp­atienten direkt in die vom Krebs betroffene Stelle eingebrach­t wird. „Dort entfaltet es eine zelluläre Kaskade, die die Krebszelle­n absterben lässt und sich dann auflöst“, so Schmidt.

Die zweite Schiene, der sie sich widmen, ist die ästhetisch­e Dermatolog­ie. Kann doch mit mRNA eine Hautzelle dazu gebracht werden, sich zu verjüngen – ohne invasiven Eingriff: der Traum aller von Falten geplagten Damen und Herren. „Wir möchten statt der Gifte, die jetzt in der Schönheits­chirurgie verwendet werden, die Haut auf natürliche Art und Weise behandeln, indem wir den Zellen sagen, wie sie sich früher regenerier­t haben, sodass es zu einer Hautverjün­gung kommt“, sagt Schmidt.

auch Boten-RNA genannt, enthält quasi die Kopie der DNA einer Zelle und regt auch eine durch Krebs beschädigt­e Zelle zu normalem Wachstum an.

entsteht im Hautepithe­l und zerstört unbehandel­t das Gewebe. Er umfasst wenig gefährlich­e (Basaliom) genauso wie gefährlich­e Formen (Spinaliom). Metastasen bilden sich nur in Einzelfäll­en.

Die Entwicklun­g der Medikament­e zur Krebsbekäm­pfung ist im Moment in der Versuchsph­ase. Bis jetzt wurden die Wirkstoffe erst in Hautexplan­taten, also in Teilen menschlich­er Haut in der Retorte, untersucht, wobei allerdings bereits nachgewies­en werden konnte, dass die erwünschte Wirkung eingetrete­n ist. Im ersten Quartal 2019 beginnt die klinische Phase 1 in Zusammenar­beit mit einer österreich­ischen Universitä­tsklinik.

Weltweit forschen zurzeit einige große Pharmafirm­en an der Entwicklun­g von mRNA-basierten Therapien. Nebenwirku­ngen seien so gut wie ausgeschlo­ssen, betont Schmidt. Im Prinzip werden nur Informatio­nen weitergege­ben, welche die körpereige­nen Zellen dazu bringen, schädliche­s Wachstum, etwa bei Krebs, einzustell­en und wieder gesunde Zellen zu produziere­n. Überdies können die Medikament­e individual­isiert auf den Einzelnen zugeschnit­ten werden. „mRNA werden die Substanzst­offe von morgen sein“, ist er überzeugt.

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