Die Presse

„Özil spielte mit angezogene­r Handbremse“

Özil-Causa. Die Aufregung um die Erdo˘gan-Fotos verhindert weiter eine rationale Analyse des deutschen WM-Flops. Ex-Arsenal-Trainer Ars`ene Wenger aber spricht es offen aus: „Özil hat unter dem gelitten, was vor der WM passiert ist!“

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London/Moskau. Für Mesut Özils ehemaligen Trainer Ars`ene Wenger hat die Affäre um die Erdogan-˘ Fotos einen negativen Einfluss auf die Leistungen des deutschen Nationalsp­ielers beim WM-Vorrunden-Aus in Russland gehabt. „Ich kenne Özil gut, er ist ein fantastisc­her und außergewöh­nlicher Fußballer. Aber er und Gündogan˘ haben unter dem gelitten, was vor der WM passiert ist“, sagte der Franzose dem katarische­n Kanal beIN Sports.

Özil habe bei der Weltmeiste­rschaft teilweise „mit angezogene­r Handbremse“und nicht frei aufgespiel­t. „Ich habe gedacht, das ist nicht der wahre Özil, den ich kenne“, sagt Wenger. Der Arsenal-Profi sei jemand, der Unterstütz­ung brauche – und alles, nur keine Konflikte wolle. „Als ich ihn habe spielen sehen, hatte ich das Gefühl, dass es Situatione­n gab, in denen er nach vorn hätte kommen können, aber stattdesse­n lieber den sicheren Pass gespielt hat“, analysiert­e Wenger und stellte seinem Kollegen Joachim Löw damit ein verheerend­es Zeugnis aus in puncto Menschenke­nntnis.

Allerdings: Auch bei Arsenal schien der „Freigeist“nicht immer bei der Sache. Fans missfiel vor allem seit jeher Özils Bände erzählende Körperspra­che. Wenger war sich 2013 allerdings sicher: Mit dem vom spanischen Rekordmeis­ter Real Madrid geholten Deutschen würden die „Gunners“Großes erreichen. 2014, 2015 und 2017 gewannen die Londoner den FA-Cup, waren in den gleichen Jahren auch Supercup-Sieger. Doch Titel und ChampionsL­eague-Sieg blieben verwehrt.

Im Vorfeld der WM hatten Özil und Ilkay Gündogan˘ durch Fotos mit dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ für einen Eklat gesorgt, dessen Nachwirkun­gen die deutsche Elf durch das Turnier begleitete­n und erst jetzt so richtig für landesweit­en Ärger sorgen.

Ein Skandal

DFB-Präsident Reinhard Grindel und Oliver Bierhoff glänzten dabei keineswegs mit sicherem Auftreten oder profundem Krisenmana­gement; im Gegenteil. Sie forderten bis zuletzt eine öffentlich­e Erklärung des bislang schweigend­en Weltmeiste­rs. Nur, was soll der 29-Jährige denn jetzt noch anderes sagen, außer, dass er nicht mehr im DFB-Team spielen wird?

Kein Skandal im deutschen Fußball kommt ohne Kommentare diverser Altgrößen aus. Lothar Matthäus gibt gerne zu solchen Themen Auskunft. Der Rekordnati­onalspiele­r, Weltmeiste­r von 1990 und ehemalige Rapid-Trainer (2002), vermisst eine klare Strategie der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes. „Ein Krisenmana­gement des DFB war nicht erkennbar. Der richtige Zeitpunkt ist ganz klar verpasst worden. Nicht zuletzt, weil sich Spieler, die mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatten, wochenlang zu diesem Thema äußern mussten.“

Also macht es Matthäus, 57. „Es soll keine Ausrede sein, dass unsere Mannschaft deswegen so früh ausgeschie­den ist – aber Auswirkung­en hatte es garantiert.“Und Özils Schweigen? „Das Foto lasse ich als unglücklic­h durchgehen, aber er hätte etwas sagen müssen.“(fin)

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[ AFP ] Mesut Özil und der Blick blickt ins Leere.

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