Diese Feministinnen werfen Männer aus dem Flugzeug
Amazon. In der Dark-Comedy-Serie „Dietland“gerät eine übergewichtige Ghostwriterin in die Hände einer Emanzen-Sekte.
Da wäre einmal Jennifer. Niemand weiß, wer hinter diesem Namen steckt, mit dem die Bekennerschreiben und Manifeste gezeichnet sind. Ist es wirklich die hypernervöse Leeta? Oder die sanft säuselnde Julia (Tamara Tunie)? Sicher ist: Um solche Verbrechen zu verüben, reicht wohl kaum eine Person, vermutlich ist eine ganze Frauschaft am Werk. Sie kidnappt Vergewaltiger und brutale Chauvis, gegen die das Gesetz machtlos ist oder machtlos sein will, und wirft sie über New York ab. Dann landet schon einmal eine Leiche mitten auf der Madison Avenue. „It’s raining men“, einmal anders. Wie hübsch.
Da wäre Calliope House. Deren Leiterin ist Tochter einer Abnehm-Päpstin, die mit Diät-Programmen ein Vermögen verdient hat. Das verpulvert die Erbin nun, um von solchen Diät-Programmen und anderem traumatisierten Frauen zu helfen. Robin Weigert spielt Verena als Vorzeige-Psychologin mit sanfter Stimme, von der man nicht recht weiß, ob man sich ihr schluchzend öffnen oder kreischend das Weite suchen sollte. Was ist dieses Calliope House? Refugium oder Sekte? Ort der weiblichen Selbstermächtigung oder Gehirnwäsche? Gruselig.
Und da wäre Plum, gespielt von Joy Nash. Sie schreibt als Ghostwriterin für die super schlanke, super disziplinierte, super ehrgeizige Herausgeberin von Frauen- und Mädchenmagazinen, und ist selber übergewichtig und unsicher. Sie hat Talent, das fällt nicht nur ihrer Chefin auf. Und ihre Texte werden immer frauenpolitischer. Plötzlich sieht sich Plum, die niemals Ärger wollte, mit gleich zwei feministischen Gangs konfrontiert, die ihre Nähe suchen. Aber was wollen die wirklich von ihr?
Dieser Plum gehört unsere ganze Sympathie, sie ist die Figur, an die wir unser Herz verschenken. Gescheit, witzig, hübsch – und total verkorkst. Alle anderen Frauen sind dagegen mit Vorsicht zu genießen, haben eine dunkle Seite (oder wenn sie zu den Bösewichten gehören, eine helle), wobei man nie weiß, welche Seite triumphieren wird, und welche Allianzen noch geschmiedet werden, das ist das Bestechende an dieser Serie, die von Marti Noxon kreiert wurde.
Noxon hat unter anderem „Buffy“produziert und das Anorexie-Drama „To the Bone“herausgebracht und hat formal hier einiges ausprobiert. Da werden regelmäßig ComicSzenen eingestreut, um den Gemütszustand unserer Heldin zu versinnbildlichen, und sogar ein Theaterstück gespielt, wenn etwa die schauerliche Geschichte der Diät-Päpstin erzählt wird, die an den Vorgaben ihrer eigenen Diät scheiterte und der daraufhin von ihrem Mann wider Willen ein Magenbypass verpasst wurde. Eine dicke Diät-Päpstin, wie würde das denn ausschauen?
Auch sonst zieht Noxon alle Register: Suspense und Drama, Herz und viel feministischer Witz, der eben nur funktioniert, wenn man sich traut, Frauen auch als berechnende, gierige, rachsüchtige, machtverliebte und gefinkelte Wesen darzustellen, die verschiedene Strategien wählen, um sich in dieser Männerwelt zu behaupten – und gegen andere Frauen natürlich auch.
Ach ja: Männer spielen auch mit. Ein abgehalfterter Detektiv, der vor allem für sein zerknautscht-treuherziges Gesicht geschätzt wird. Und der CEO von Austin Media, der vor allem durch seine Feigheit auffällt. Da ist uns sogar die von Ehrgeiz, Sport und Diät verhärmte Kitty (Julianne Margulies) in all ihrer Gemeinheit lieber.