Die Presse

Diese Feministin­nen werfen Männer aus dem Flugzeug

Amazon. In der Dark-Comedy-Serie „Dietland“gerät eine übergewich­tige Ghostwrite­rin in die Hände einer Emanzen-Sekte.

- VON BETTINA STEINER mit Julianne Margulies und Joy Nash (AMC), seit 4. Juni jeden Dienstag neue Folgen auf Amazon.

Da wäre einmal Jennifer. Niemand weiß, wer hinter diesem Namen steckt, mit dem die Bekennersc­hreiben und Manifeste gezeichnet sind. Ist es wirklich die hypernervö­se Leeta? Oder die sanft säuselnde Julia (Tamara Tunie)? Sicher ist: Um solche Verbrechen zu verüben, reicht wohl kaum eine Person, vermutlich ist eine ganze Frauschaft am Werk. Sie kidnappt Vergewalti­ger und brutale Chauvis, gegen die das Gesetz machtlos ist oder machtlos sein will, und wirft sie über New York ab. Dann landet schon einmal eine Leiche mitten auf der Madison Avenue. „It’s raining men“, einmal anders. Wie hübsch.

Da wäre Calliope House. Deren Leiterin ist Tochter einer Abnehm-Päpstin, die mit Diät-Programmen ein Vermögen verdient hat. Das verpulvert die Erbin nun, um von solchen Diät-Programmen und anderem traumatisi­erten Frauen zu helfen. Robin Weigert spielt Verena als Vorzeige-Psychologi­n mit sanfter Stimme, von der man nicht recht weiß, ob man sich ihr schluchzen­d öffnen oder kreischend das Weite suchen sollte. Was ist dieses Calliope House? Refugium oder Sekte? Ort der weiblichen Selbstermä­chtigung oder Gehirnwäsc­he? Gruselig.

Und da wäre Plum, gespielt von Joy Nash. Sie schreibt als Ghostwrite­rin für die super schlanke, super disziplini­erte, super ehrgeizige Herausgebe­rin von Frauen- und Mädchenmag­azinen, und ist selber übergewich­tig und unsicher. Sie hat Talent, das fällt nicht nur ihrer Chefin auf. Und ihre Texte werden immer frauenpoli­tischer. Plötzlich sieht sich Plum, die niemals Ärger wollte, mit gleich zwei feministis­chen Gangs konfrontie­rt, die ihre Nähe suchen. Aber was wollen die wirklich von ihr?

Dieser Plum gehört unsere ganze Sympathie, sie ist die Figur, an die wir unser Herz verschenke­n. Gescheit, witzig, hübsch – und total verkorkst. Alle anderen Frauen sind dagegen mit Vorsicht zu genießen, haben eine dunkle Seite (oder wenn sie zu den Bösewichte­n gehören, eine helle), wobei man nie weiß, welche Seite triumphier­en wird, und welche Allianzen noch geschmiede­t werden, das ist das Bestechend­e an dieser Serie, die von Marti Noxon kreiert wurde.

Noxon hat unter anderem „Buffy“produziert und das Anorexie-Drama „To the Bone“herausgebr­acht und hat formal hier einiges ausprobier­t. Da werden regelmäßig ComicSzene­n eingestreu­t, um den Gemütszust­and unserer Heldin zu versinnbil­dlichen, und sogar ein Theaterstü­ck gespielt, wenn etwa die schauerlic­he Geschichte der Diät-Päpstin erzählt wird, die an den Vorgaben ihrer eigenen Diät scheiterte und der daraufhin von ihrem Mann wider Willen ein Magenbypas­s verpasst wurde. Eine dicke Diät-Päpstin, wie würde das denn ausschauen?

Auch sonst zieht Noxon alle Register: Suspense und Drama, Herz und viel feministis­cher Witz, der eben nur funktionie­rt, wenn man sich traut, Frauen auch als berechnend­e, gierige, rachsüchti­ge, machtverli­ebte und gefinkelte Wesen darzustell­en, die verschiede­ne Strategien wählen, um sich in dieser Männerwelt zu behaupten – und gegen andere Frauen natürlich auch.

Ach ja: Männer spielen auch mit. Ein abgehalfte­rter Detektiv, der vor allem für sein zerknautsc­ht-treuherzig­es Gesicht geschätzt wird. Und der CEO von Austin Media, der vor allem durch seine Feigheit auffällt. Da ist uns sogar die von Ehrgeiz, Sport und Diät verhärmte Kitty (Julianne Margulies) in all ihrer Gemeinheit lieber.

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