Die Presse

Der erste Auszug aus Afrika führte bis nach China

Unsere Ahnen erwanderte­n vor 2,1 Mio. Jahren die Erde. Wer sie waren, ist so unklar wie unsere Entstehung.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Die Menschen entstanden vor etwa sechs Millionen Jahren in Afrika, als unsere Ahnen sich von jenen der Schimpanse­n trennten, und wir entstanden vor etwa 500.000 Jahren, auch in Afrika. So viel ist (aus den Genen) halbwegs sicher, der Rest wird immer unübersich­tlicher. Etwa bei uns: Wo entstand Homo sapiens? Der älteste Fund war in Djebel Irhoud in Marokko, dort lebte einer vor 300.000 Jahren. Mit 260.000 folgt einer in Südafrika, dann einer in Äthiopien, 190.000.

Und wem haben wir zu danken? Darüber gibt es Streit, der Stolz der Nationen spielt mit, und der der Forscher, die ein bestimmtes Exemplar in den Händen haben. Aber keines der frühen Fossilien hat exakt die erst vor 100.000 endgültig gefundene Körperform von H. sapiens. Jener aus Marokko sah im Gesicht aus wie wir, aber sein Schädel war höher gewölbt, bei anderen passen andere Details nicht.

Deshalb schlägt eine Gruppe um Chris Stringer (Natural History Museum London) eine neue Sicht vor: Nicht an einem Ort und in einer Linie habe sich H. sapiens entwickelt, er sei eine Mixtur vieler Gruppen aus dem ganzen Kontinent, die einander sporadisch begegneten, dann getrennt wurden – durch die Natur, mit Wüsten oder Wäldern –, dann ihre Wege wieder kreuzten, und sich auch. Zu diesem „Multiregio­nalismus“passen nicht nur die raren Knochen, ihn stützen auch häufigere Steinwerkz­euge (Trends in Ecology & Evolution, 11. 7.).

Das älteste bekannte wurde vor 3,2 Millionen Jahren benutzt, da gab es nur Ahnen der Ahnen, und manche machten sich früh auf den Weg „out of africa“. Bisherige Rekordhalt­er waren Homo erectus, sie erhoben sich vor 1,8 Millionen Jahren in Afrika zum endgültig aufrechten Gang, mit dem waren sie kurz darauf in Dmanisi im heutigen Georgien, dort fanden sich Werkzeuge und Knochen.

Nur Werkzeuge hingegen bezeugen nun eine frühere und weitere Wanderung: Im Lössplatea­u im Süden Chinas hat Zhaoyu Zhu (Guangzhou) 86 Steinwerkz­euge gefunden (Nature, 11. 7.). Auf herkömmlic­he Weise datieren konnte Zhaoyu Zhu nicht, er orientiert­e sich an Umpolungen des Magnetfeld­s. Sie sind im Gestein, in dem die Funde gelegen sind, archiviert, man kann sie messen, und für sie gibt es eine Referenzch­ronologie: Die Werkzeuge sind 2,1 Mio. Jahre alt. Wer da aus Afrika gekommen war, ist völlig unklar: Der bisher älteste in China war mit 1,7 Mio. Jahren ein H. erectus, vor 2,1 Mio. Jahren gab es diesen noch nicht.

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