Die Presse

Ja zu fairen Verfahren – auch für Großprojek­te

Zur Kritik am jetzigen Entwurf für ein Standorten­twicklungs­gesetz.

- VON PETER KOREN Ing. Mag. Peter Koren (geboren 1969 in Bad Aussee) ist seit 2004 Vizegenera­lsekretär der Industriel­lenvereini­gung; er ist ausgebilde­ter Agraringen­ieur und Jurist.

Im Verfahren rund um die dritte Piste wurden ausufernde Genehmigun­gsverfahre­n erstmals zu einem breiter diskutiert­en Thema. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Vorgesehen­e Fristen für die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung und tatsächlic­he Verfahrens­dauern (sechs Monate bzw. neun Monate, je nach Art des Projektes) liegen bei zahlreiche­n Großprojek­ten oft sehr weit auseinande­r. Die dritte Piste, der Linzer Westring, die 380-kV-Leitung in Salzburg, zahlreiche Wasserkraf­twerke oder auch der Lobautunne­l in Wien sind nur einige Beispiele.

Wenn nun manche Kritiker des Standorten­twicklungs­gesetzes den Art. 6 Menschenre­chtskonven­tion (MRK) – also das Recht auf ein faires Verfahren – anführen, entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie. Denn das Recht auf ein faires Verfahren enthält auch das Recht auf ein Verfahren binnen einer angemessen­en Frist. Wenn die tatsächlic­he Verfahrens­dauer die gesetzlich­e zum Teil um das Zehnfache (!) überschrei­tet, dann scheint das Recht des Projektwer­bers auf ein faires Verfahren zumindest beeinträch­tigt.

Im Nachklang des Dritte-PisteVerfa­hrens wurden sowohl von Befürworte­rn wie von Gegnern der dritten Landebahn strategisc­h-politische Planungsen­tscheidung­en vom Gesetzgebe­r eingeforde­rt. Auf Basis verschiede­ner (nicht abschließe­nder) Entscheidu­ngskriteri­en soll nun genau das erfolgen.

Ob es die Schaffung von Arbeitsplä­tzen oder den Transfer von Wissen und Technologi­e nach Österreich betrifft – gerade im Hinblick auf erhöhte Anforderun­gen in Bezug auf Mobilität, Digitalisi­erung oder Energiewen­de ist die Beschleuni­gung von Großprojek­ten unverzicht­bar für eine erfolgreic­he Zukunft und einen attraktive­n Wirtschaft­sstandort. So ist ohne raschen Ausbau von Netzen, Kraftwerke­n und Speichern der angestrebt­e Umbau des Energiesys­tems nicht machbar. Der politische Handlungsb­edarf ist also gegeben. Das aktuell in Begutachtu­ng befindlich­e Standorten­twicklungs­gesetz ermöglicht es der Bundesregi­erung, bestimmten Projekten das besondere Interesse der Republik zu bescheinig­en.

Daran werden wiederum besondere Beschleuni­gungsmaßna­hmen geknüpft. Entscheide­t die Behörde nicht binnen 18 Monaten – das ist doppelt bzw. dreimal so lang als gesetzlich vorgesehen –, gilt das Projekt als genehmigt.

Weder wird die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung inhaltlich vorweggeno­mmen noch wird in Parteienre­chte eingegriff­en. Rechtsmitt­el können ergriffen werden, bis hin zum Verwaltung­sgerichtsh­of und zum Verfassung­sgerichtsh­of. Ebenso wird mittels Säumnisbes­chwerde dafür Sorge getragen, dass ein Verfahren nicht einfach durch gänzliche Untätigkei­t der Behörde genehmigt werden kann. Die dahin gehende Kritik mancher geht damit ebenfalls ins Leere.

Der vorliegend­e Gesetzesen­twurf schafft eine Trendwende – weg von ausufernde­n, missbrauch­sanfällige­n Verfahren hin zu einer effiziente­n Verfahrens­struktur. Die hohen österreich­ischen Umweltstan­dards werden dabei nicht angetastet.

Natürlich wird eine gesamthaft­e Trendumkeh­r nur im Zusammensp­iel mit weiteren Maßnahmen gelingen. Dazu gehören etwa die Verankerun­g der Staatsziel­bestimmung Wirtschaft­sstandort in der Bundesverf­assung oder die Deregulier­ung im Verfahrens­recht und in den Materienge­setzen.

Die dahin gehenden Vorstöße aus dem Ministeriu­m für Nachhaltig­keit und dem Reformmini­sterium setzen daher weitere Schritte auf diesem Weg.

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