Ja zu fairen Verfahren – auch für Großprojekte
Zur Kritik am jetzigen Entwurf für ein Standortentwicklungsgesetz.
Im Verfahren rund um die dritte Piste wurden ausufernde Genehmigungsverfahren erstmals zu einem breiter diskutierten Thema. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Vorgesehene Fristen für die Umweltverträglichkeitsprüfung und tatsächliche Verfahrensdauern (sechs Monate bzw. neun Monate, je nach Art des Projektes) liegen bei zahlreichen Großprojekten oft sehr weit auseinander. Die dritte Piste, der Linzer Westring, die 380-kV-Leitung in Salzburg, zahlreiche Wasserkraftwerke oder auch der Lobautunnel in Wien sind nur einige Beispiele.
Wenn nun manche Kritiker des Standortentwicklungsgesetzes den Art. 6 Menschenrechtskonvention (MRK) – also das Recht auf ein faires Verfahren – anführen, entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie. Denn das Recht auf ein faires Verfahren enthält auch das Recht auf ein Verfahren binnen einer angemessenen Frist. Wenn die tatsächliche Verfahrensdauer die gesetzliche zum Teil um das Zehnfache (!) überschreitet, dann scheint das Recht des Projektwerbers auf ein faires Verfahren zumindest beeinträchtigt.
Im Nachklang des Dritte-PisteVerfahrens wurden sowohl von Befürwortern wie von Gegnern der dritten Landebahn strategisch-politische Planungsentscheidungen vom Gesetzgeber eingefordert. Auf Basis verschiedener (nicht abschließender) Entscheidungskriterien soll nun genau das erfolgen.
Ob es die Schaffung von Arbeitsplätzen oder den Transfer von Wissen und Technologie nach Österreich betrifft – gerade im Hinblick auf erhöhte Anforderungen in Bezug auf Mobilität, Digitalisierung oder Energiewende ist die Beschleunigung von Großprojekten unverzichtbar für eine erfolgreiche Zukunft und einen attraktiven Wirtschaftsstandort. So ist ohne raschen Ausbau von Netzen, Kraftwerken und Speichern der angestrebte Umbau des Energiesystems nicht machbar. Der politische Handlungsbedarf ist also gegeben. Das aktuell in Begutachtung befindliche Standortentwicklungsgesetz ermöglicht es der Bundesregierung, bestimmten Projekten das besondere Interesse der Republik zu bescheinigen.
Daran werden wiederum besondere Beschleunigungsmaßnahmen geknüpft. Entscheidet die Behörde nicht binnen 18 Monaten – das ist doppelt bzw. dreimal so lang als gesetzlich vorgesehen –, gilt das Projekt als genehmigt.
Weder wird die Umweltverträglichkeitsprüfung inhaltlich vorweggenommen noch wird in Parteienrechte eingegriffen. Rechtsmittel können ergriffen werden, bis hin zum Verwaltungsgerichtshof und zum Verfassungsgerichtshof. Ebenso wird mittels Säumnisbeschwerde dafür Sorge getragen, dass ein Verfahren nicht einfach durch gänzliche Untätigkeit der Behörde genehmigt werden kann. Die dahin gehende Kritik mancher geht damit ebenfalls ins Leere.
Der vorliegende Gesetzesentwurf schafft eine Trendwende – weg von ausufernden, missbrauchsanfälligen Verfahren hin zu einer effizienten Verfahrensstruktur. Die hohen österreichischen Umweltstandards werden dabei nicht angetastet.
Natürlich wird eine gesamthafte Trendumkehr nur im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen gelingen. Dazu gehören etwa die Verankerung der Staatszielbestimmung Wirtschaftsstandort in der Bundesverfassung oder die Deregulierung im Verfahrensrecht und in den Materiengesetzen.
Die dahin gehenden Vorstöße aus dem Ministerium für Nachhaltigkeit und dem Reformministerium setzen daher weitere Schritte auf diesem Weg.