Die rumänische Regierung hat den Rechtsstaat begraben
Gegen Polen und Ungarn fährt die EU die schwersten Geschütze auf. Warum nicht gegen Rumänien, wo Kriminelle den Staat beherrschen und die Justiz gängeln?
Rumänien liegt in einem toten Winkel. Obwohl es nach Polen das zweitgrößte Land ist, das im Zuge der Osterweiterung zur Nato und zur EU gekommen ist, ungeachtet seiner exponierten geopolitischen Lage, wird ihm viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als es verdient. Es ist ein wunderbares Land, das einzige Europas, in dem die romanischen, magyarischen, slawischen und deutschen Kulturkreise direkt aufeinandertreffen, wo sich habsburgische, osmanische und russische Einflüsse kreuzen.
Der rumänische Philosoph Andrei Plesu¸ nennt seine Heimat den Osten des Westens und den Westen des Ostens. Die intellektuellen Debatten in Bukarest und Klausenburg sind von einer Qualität, die man sich in Wien manchmal wünschen würde.
Rumänien gilt jedoch auch als die korrupteste Baracke der EU. Zu Recht? Alle ost- und südosteuropäischen Länder leiden unter der Hinterlassenschaft des Kommunismus, und dazu gehört der Schlamm der Korruption. Der Grund, warum Rumänien, und nicht etwa Bulgarien oder Kroatien, mit Korruption identifiziert wird, liegt paradoxerweise darin, dass die rumänische Justiz äußerst erfolgreich gegen hochrangige Politiker vorgeht, wodurch die gewaltigen Auswüchse des Phänomens überhaupt erst sichtbar werden.
Rumänien ist ein Sonderfall. Die Familiendiktatur der Ceaucescus¸ wurde durch einen Putsch der Nomenklatura gestürzt, die im Dezember 1989 die Macht an sich riss. Sie tastete die zentralistischen und klientelistischen Strukturen gar nicht erst an und versäumte marktwirtschaftliche Reformen.
Unter neuen Etiketten ging zunächst alles weiter seinen sozialistischen Gang, während sich die politische Klasse an Bucharins alte Losung „Bereichert euch!“hielt. Ein konservatives Zwischenspiel in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre scheiterte kläglich an der Macht der alten Strukturen und den Hahnenkämpfen eitler Politiker. Nach dieser Tragikomödie kehrten die Kommunisten zurück an die Marmeladentöpfe, jetzt schon im sozialdemokratischen Nadelstreif. Die Regie- rung Adrian Nastases˘ war ein Treibhaus der Korruption. „Nastase˘ sapte¸ case“(Nastase,˘ sieben Häuser) spotteten die Rumänen. Die Justiz wurde politisch gesteuert, Strafverfahren mussten Politiker nicht fürchten. Und sie griffen alle zu – gierig, schamlos, pausenlos.
Eine Wende setzte erst ein, als Traian Basescu˘ 2005 die Präsidentenwahl gewann und die junge Anwältin Monica Macovei zur Justizministerin ernannte. Es war eine Sternstunde der jüngeren rumänischen Geschichte. Basescu˘ drängte auf eine radikale Erneuerung der politischen Klasse, und Macovei setzte die schärfste Antikorruptionsgesetzgebung durch, die es in Europa je gab. Die DNA, eine Taskforce der Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung, brachte Tausende vor Gericht, unter ihnen die sozialdemokratischen Regierungschefs Nastase˘ und Victor Ponta. Die Erneuerung der politischen Klasse misslang, aber die Justiz emanzipierte sich. Ohne diese Revolution hätte Rumänien 2007 den Beitritt zur EU nicht geschafft.
Der Gegenschlag erfolgte erst nach dem Beitritt. Macovei wurde als Erste gefeuert. Dann wurden die Antikorruptionsgesetze immer mehr verwässert und schließlich völlig außer Kraft gesetzt. Am Montag kapitulierte Staatspräsident Klaus Johannis vor der Regierung und entließ die mutige DNA-Direktorin Laura Codru¸ta Kövesi. Was den rechtsstaatlichen Rahmen betrifft, kehrt das Land zum Status quo unter Adrian Nastase˘ zurück. Die Rumänen, die zu Hunderttausenden gegen die korrupten Politiker demonstriert haben, haben einen schweren Rückschlag erlitten. Aber ihre Niederlage ist noch nicht das Ende der Geschichte.
Eine klare Haltung der EU-Kommission wäre jetzt hilfreich. Doch sie mobilisiert gegen Polen und Ungarn, mit der Kleptokratie in Bukarest ist sie nachsichtig. Die Gauner, die dort regieren, sind halt Sozialdemokraten. Sie widersetzen sich der EU nicht, sie beklauen sie nur.