Die Presse

Von der Türkei- zur Euro-Krise

Josef Urschitz: Die türkische Blase wurde auch von Euro-Banken finanziert.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien/Ankara. Die türkische Lira befindet sich im freien Fall. Die Währung hat am Freitag zeitweise um bis zu zehn Prozent nachgegebe­n. Seit Jahresbegi­nn hat die Lira gegenüber dem Dollar schon 35 Prozent verloren. Inzwischen hat die Krise auch zu einer Abwertung des Euro geführt und die Aktien großer europäisch­er Banken unter Druck gebracht. Mit der Türkei leiden auch andere Schwellenl­änder. Der Dollar hingegen steigt und steigt.

Am Freitagnac­hmittag setzte der US-Präsident, Donald Trump, noch eins drauf und kündigte per Twitter die Verdopplun­g der Strafzölle auf türkischen Stahl an. „Die Lira verliert schnell gegenüber unserem sehr starken Dollar. Unsere Beziehunge­n mit der Türkei sind nicht gut“, so Trump.

Grund für die Verstimmun­gen zwischen Ankara und Washington ist die Festnahme des US-Geistliche­n Andrew Brunson durch türkische Behörden. Die Ermittler werfen ihm Verbindung­en zum Prediger Fethullah Gülen vor, der nach Darstellun­g der Regierung hinter dem angebliche­n Putschvers­uch vor zwei Jahren steht.

„Wir haben Allah“

Die türkischen Wirtschaft­sprobleme sind aber hausgemach­t. Das an sich starke Wachstum von zuletzt sieben Prozent ist durch Staatsausg­aben und niedrige Zinsen teuer erkauft. Die Wirtschaft ist überhitzt. Die Notenbank hätte die Zinsen schon längst stark anheben müssen. Aber das will der Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ nicht.

Erdogan,˘ der das Land seit dem angebliche­n Putschvers­uch und den Präsidents­chaftswahl­en massiv umbaut, beanspruch­t offen auch die Macht über die Zentralban­k. Er ist ein erklärter Gegner höherer Zinsen. Und da liegt das Problem. Am Freitag hatte er statt konkreter Schritte zur Eindämmung der Krise nur Parolen in Richtung Washington parat: „Sie haben ihre Dollars, wir haben Al- lah“, sagte Erdogan.˘ Die Türken sollen sich keine Sorgen machen. Erdogan˘ rief seine Landsleute zu einem nationalen Schultersc­hluss auf. „Der Dollar kann uns nicht stoppen. Aber wer Dollars oder Gold unter der Matratze hat, soll das in Lira umtauschen.“

Die Märkte konnte er mit dieser Rhetorik nicht beruhigen. „Wir werden den Wirtschaft­skrieg nicht verlieren“, sagte Erdogan.˘ Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Sorge um die politisch instrument­alisierte Notenbank und Erdogans˘ Kurs bleibt. Dazu kommt die großzügige Ausgabenpo­litik der Regierung, die die Staatsfina­nzen belastet und die ohnehin bereits galoppiere­nde Inflation antreibt.

Inzwischen reden Beobachter bereits von einem drohenden Staatsbank­rott der Türkei. „Nach einem kreditgetr­iebenen Boom weisen der Anstieg der Inflation und der dramatisch­e Währungsve­rfall 2018 darauf hin, dass das Land nun Gefahr läuft, auf eine Pleite zuzusteuer­n“, so der Analyst Carsten Hesse von der Berenberg- Bank. Und Manuel Andersch von der BayernLB sagt: „Sofern sich die türkische Zentralban­k jetzt nicht von den politische­n Fesseln Erdogans˘ löst und den Leitzins drastisch anhebt, ist eine Zahlungsbi­lanzkrise unausweich­lich.“

Das würde auch die europäisch­e Wirtschaft massiv treffen. Das wichtigste Zielland türkischer Exporte ist Deutschlan­d, gefolgt von Großbritan­nien und Italien. Aus deutscher Sicht liegt die Türkei auf Platz 16 der Handelspar­tner – bei Import und Export. Österreich bezieht nur rund ein Prozent seiner Importe aus der Türkei. Etwas geringer ist der Anteil der heimischen Exportgüte­r, die in der Türkei landen. In der Hitparade der Handelspar­tner liegt die Türkei auf Platz 20.

Wirtschaft­lich gesehen ist die Türkei rund viermal so groß wie Griechenla­nd. Die Länder der EU exportiere­n jährlich Waren im Wert von rund 63 Mrd. Euro in die Türkei. Das größte Problem: Eine Reihe von europäisch­en Großbanken haben in der Türkei viel Geld verborgt. Und das waren nicht die deutschen Banken, sondern die ohnehin kritisch beäugten Banken aus Italien, Spanien und Frankreich.

Spanische Banken unter Druck

Nach Berechnung­en der Berenberg-Bank beträgt das Türkei-Exposure dieser Banken 135 Mrd. Euro, was in etwa zwölf Prozent des gesamten Eigenkapit­als der Geldhäuser in Spanien, Frankreich und Italien entspricht.

Das größte Risiko tragen laut der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) die spanischen Banken, die Kredite über rund 72,5 Mrd. Euro vergeben haben Die türkische Krise ist also auch eine europäisch­e Krise. Inzwischen ist auch die Europäisch­e Zentralban­k aktiv geworden und hat die Großbanken BBVA (Spanien), BNP Paribas (Frankreich) und Unicredit (Italien) ins Visier genommen. Das berichtet die „Financial Times“. Die Lage sei für die Geldhäuser derzeit aber noch nicht kritisch.

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[ APA ] Fast jeden Tag ein neuer Tiefststan­d: Die Türken müssen unter der Abwertung ihrer Währung leiden.

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