Von der Türkei- zur Euro-Krise
Josef Urschitz: Die türkische Blase wurde auch von Euro-Banken finanziert.
Wien/Ankara. Die türkische Lira befindet sich im freien Fall. Die Währung hat am Freitag zeitweise um bis zu zehn Prozent nachgegeben. Seit Jahresbeginn hat die Lira gegenüber dem Dollar schon 35 Prozent verloren. Inzwischen hat die Krise auch zu einer Abwertung des Euro geführt und die Aktien großer europäischer Banken unter Druck gebracht. Mit der Türkei leiden auch andere Schwellenländer. Der Dollar hingegen steigt und steigt.
Am Freitagnachmittag setzte der US-Präsident, Donald Trump, noch eins drauf und kündigte per Twitter die Verdopplung der Strafzölle auf türkischen Stahl an. „Die Lira verliert schnell gegenüber unserem sehr starken Dollar. Unsere Beziehungen mit der Türkei sind nicht gut“, so Trump.
Grund für die Verstimmungen zwischen Ankara und Washington ist die Festnahme des US-Geistlichen Andrew Brunson durch türkische Behörden. Die Ermittler werfen ihm Verbindungen zum Prediger Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung hinter dem angeblichen Putschversuch vor zwei Jahren steht.
„Wir haben Allah“
Die türkischen Wirtschaftsprobleme sind aber hausgemacht. Das an sich starke Wachstum von zuletzt sieben Prozent ist durch Staatsausgaben und niedrige Zinsen teuer erkauft. Die Wirtschaft ist überhitzt. Die Notenbank hätte die Zinsen schon längst stark anheben müssen. Aber das will der Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ nicht.
Erdogan,˘ der das Land seit dem angeblichen Putschversuch und den Präsidentschaftswahlen massiv umbaut, beansprucht offen auch die Macht über die Zentralbank. Er ist ein erklärter Gegner höherer Zinsen. Und da liegt das Problem. Am Freitag hatte er statt konkreter Schritte zur Eindämmung der Krise nur Parolen in Richtung Washington parat: „Sie haben ihre Dollars, wir haben Al- lah“, sagte Erdogan.˘ Die Türken sollen sich keine Sorgen machen. Erdogan˘ rief seine Landsleute zu einem nationalen Schulterschluss auf. „Der Dollar kann uns nicht stoppen. Aber wer Dollars oder Gold unter der Matratze hat, soll das in Lira umtauschen.“
Die Märkte konnte er mit dieser Rhetorik nicht beruhigen. „Wir werden den Wirtschaftskrieg nicht verlieren“, sagte Erdogan.˘ Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Sorge um die politisch instrumentalisierte Notenbank und Erdogans˘ Kurs bleibt. Dazu kommt die großzügige Ausgabenpolitik der Regierung, die die Staatsfinanzen belastet und die ohnehin bereits galoppierende Inflation antreibt.
Inzwischen reden Beobachter bereits von einem drohenden Staatsbankrott der Türkei. „Nach einem kreditgetriebenen Boom weisen der Anstieg der Inflation und der dramatische Währungsverfall 2018 darauf hin, dass das Land nun Gefahr läuft, auf eine Pleite zuzusteuern“, so der Analyst Carsten Hesse von der Berenberg- Bank. Und Manuel Andersch von der BayernLB sagt: „Sofern sich die türkische Zentralbank jetzt nicht von den politischen Fesseln Erdogans˘ löst und den Leitzins drastisch anhebt, ist eine Zahlungsbilanzkrise unausweichlich.“
Das würde auch die europäische Wirtschaft massiv treffen. Das wichtigste Zielland türkischer Exporte ist Deutschland, gefolgt von Großbritannien und Italien. Aus deutscher Sicht liegt die Türkei auf Platz 16 der Handelspartner – bei Import und Export. Österreich bezieht nur rund ein Prozent seiner Importe aus der Türkei. Etwas geringer ist der Anteil der heimischen Exportgüter, die in der Türkei landen. In der Hitparade der Handelspartner liegt die Türkei auf Platz 20.
Wirtschaftlich gesehen ist die Türkei rund viermal so groß wie Griechenland. Die Länder der EU exportieren jährlich Waren im Wert von rund 63 Mrd. Euro in die Türkei. Das größte Problem: Eine Reihe von europäischen Großbanken haben in der Türkei viel Geld verborgt. Und das waren nicht die deutschen Banken, sondern die ohnehin kritisch beäugten Banken aus Italien, Spanien und Frankreich.
Spanische Banken unter Druck
Nach Berechnungen der Berenberg-Bank beträgt das Türkei-Exposure dieser Banken 135 Mrd. Euro, was in etwa zwölf Prozent des gesamten Eigenkapitals der Geldhäuser in Spanien, Frankreich und Italien entspricht.
Das größte Risiko tragen laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die spanischen Banken, die Kredite über rund 72,5 Mrd. Euro vergeben haben Die türkische Krise ist also auch eine europäische Krise. Inzwischen ist auch die Europäische Zentralbank aktiv geworden und hat die Großbanken BBVA (Spanien), BNP Paribas (Frankreich) und Unicredit (Italien) ins Visier genommen. Das berichtet die „Financial Times“. Die Lage sei für die Geldhäuser derzeit aber noch nicht kritisch.