Die Presse

Als die Hitze das Klima der SPÖ störte

Die Grünen-Strategie der Parteispit­ze hat Teile der Partei irritiert.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Chronologi­sch ist die Geschichte schnell nacherzähl­t: Ein Werner-FaymannNos­talgie-Tweet seines Wiener Freundes Christian Deutsch, auf den sich die stets Faymann-freundlich­e „Kronen Zeitung“draufsetzt und dann Hans Peter Doskozil dazu befragt, der zwischen Tür und Angel wiederholt, was er schon vor Monaten gepredigt hat: Dass die SPÖ nicht zu einem GrünenErsa­tz werden dürfte und sich stattdesse­n um die drängenden Probleme, nämlich um die Migration, kümmern sollte.

Adressat dieser am Donnerstag ventiliert­en Kritik des Ex-Verteidigu­ngsministe­rs war Parteichef Christian Kern, der die Hitzewelle zum Anlass genommen hatte, um frustriert­en Grün-Wählern ein Angebot zu machen, indem er Maßnahmen gegen den Klimawande­l und eine weltoffene Gesellscha­ft zur SPÖ-Mission erklärte. Dahinter steckt die strategisc­he Überlegung, dass die SPÖ neue Wählerschi­chten erschließe­n muss, um die ÖVP beim nächsten Mal zu schlagen.

Das Angebot ist nicht neu, sondern eigentlich schon seit Ende Mai bekannt, als Christian Kern das neue SPÖ-Programm vorgestell­t hat, über das beim Parteitag im Oktober abgestimmt wird. Der Unterschie­d zu damals ist, dass die Post-Häupl-SPÖ in Wien mittlerwei­le sehr empfindlic­h auf alles reagiert, was einen grünen Touch hat. Etliche Unterstütz­er von Bürgermeis­ter Michael Ludwig sind enttäuscht, weil die SPÖ in Wien nach wie vor in einer Koalition mit den Grünen ist, obwohl die beiden Parteien ihrer Meinung nach nicht mehr kompatibel sind.

„Wenn man Öko oder Grüne sagt, werden die ungehalten“, heißt es in der SPÖ. Wobei der aktuellen Debatte ein Missverstä­ndnis zugrunde liegt: Kern meint mit „grüner werden“in erster Linie Antworten auf Umwelt- und Klimafrage­n. Seine Kritiker hören da allerdings heraus, dass die SPÖ nun eine „grün-linke Fundi-Politik“(Doskozil) betreiben möchte, anstatt die Migrations­sorgen wesentlich­er Wählerschi­chten ernst zu nehmen. An dieser Stelle werden die alten Gräben in der SPÖ sichtbar, die offenbar noch nicht wieder zugeschütt­et sind.

Dabei hat Christian Kern hier längst ein Machtwort gesprochen und den restriktiv­en Ansatz zur Parteilini­e erhoben. Gemeinsam mit Kärntens Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, wurde Doskozil beauftragt, unter dem Titel „Integratio­n vor Zuzug“einen Leitantrag auszuarbei­ten, über den die Partei dann ebenfalls im Oktober abstimmen soll.

Keine Kursdebatt­e

Eigentlich führt die SPÖ also keine Kursdebatt­e, sondern eine atmosphäri­sche – entlang der Frage, welche Themen denn nun in den Vordergrun­d gestellt werden sollen. Schließlic­h kann sich die Partei nicht darauf verlassen, dass ihr die Regierung regelmäßig so etwas wie den Zwölf-Stunden-Tag serviert, bei dem sich sämtliche Flügel der SPÖ in ihrem Widerstand einig sind.

Im Hintergrun­d schwingt noch ein anderes Thema mit, das viele altgedient­e Funktionär­e beschäftig­t. Im neuen Parteiprog­ramm soll festgeschr­ieben werden, dass die Funktionsp­eriode nach zehn Jahren endet, wenn man in den eigenen Reihen keine Zweidrit- telmehrhei­t mehr bekommt. Das schürt Zukunftsän­gste, die sich dann bei nächster Gelegenhei­t über dem Parteichef entladen.

Von einer „heftigen Auseinande­rsetzung“ist in der SPÖ die Rede, die aber noch keine Revolte gegen Christian Kern sei. „Wir werden nicht zwei Monate vor dem Parteitag den Vorsitzend­en abschießen“, meint ein Sozialdemo­krat. Zumal sich die Nachfolger nicht eben aufdrängte­n. Stattdesse­n richtete sich der Ärger am Freitag gegen Hans Peter Doskozil, der nach Meinung der meisten Landespart­eien unnötig Zwietracht gesät hatte. „Die paar Zwischenru­fe aus dem Burgenland gehen im Neusiedler See unter“, meinte etwa die Parteichef­in in Oberösterr­eich, Birgit Gerstorfer. Der Niederöste­rreicher Franz Schnabl versteht die Klimapolit­ik als Ergänzung, nicht aber als Ablenkung vom Migrations­thema. Im Übrigen habe Doskozil diese Woche gefehlt, als die Themensetz­ung von den Parteigrem­ien abgesegnet wurde.

Hans Niessl, der demnächst als burgenländ­ischer Landeshaup­tmann Platz für Doskozil machen wird, versuchte, die Wogen zu glätten: Beide Meinungen hätten ihre Be- rechtigung, Klimaschut­z schließe eine strenge Zuwanderun­gspolitik nicht aus. Der Steirer Michael Schickhofe­r sieht das genauso. Ob der Parteichef noch fest im Sattel sitze? Niessl jedenfalls geht davon aus, dass Christian Kern beim Parteitag erneut für den SPÖVorsitz kandidiert – „als einziger Kandidat“.

Kern selbst verteidigt­e den neuen Ansatz auf seiner Facebook-Seite und stellte einen Zusammenha­ng her: Die Klimakrise sei eine „ganz entscheide­nde Ursache für Migration“. Ohne Klimaschut­zmaßnahmen könne es daher keine wirksame Flüchtling­spolitik geben.

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