Als die Hitze das Klima der SPÖ störte
Die Grünen-Strategie der Parteispitze hat Teile der Partei irritiert.
Wien. Chronologisch ist die Geschichte schnell nacherzählt: Ein Werner-FaymannNostalgie-Tweet seines Wiener Freundes Christian Deutsch, auf den sich die stets Faymann-freundliche „Kronen Zeitung“draufsetzt und dann Hans Peter Doskozil dazu befragt, der zwischen Tür und Angel wiederholt, was er schon vor Monaten gepredigt hat: Dass die SPÖ nicht zu einem GrünenErsatz werden dürfte und sich stattdessen um die drängenden Probleme, nämlich um die Migration, kümmern sollte.
Adressat dieser am Donnerstag ventilierten Kritik des Ex-Verteidigungsministers war Parteichef Christian Kern, der die Hitzewelle zum Anlass genommen hatte, um frustrierten Grün-Wählern ein Angebot zu machen, indem er Maßnahmen gegen den Klimawandel und eine weltoffene Gesellschaft zur SPÖ-Mission erklärte. Dahinter steckt die strategische Überlegung, dass die SPÖ neue Wählerschichten erschließen muss, um die ÖVP beim nächsten Mal zu schlagen.
Das Angebot ist nicht neu, sondern eigentlich schon seit Ende Mai bekannt, als Christian Kern das neue SPÖ-Programm vorgestellt hat, über das beim Parteitag im Oktober abgestimmt wird. Der Unterschied zu damals ist, dass die Post-Häupl-SPÖ in Wien mittlerweile sehr empfindlich auf alles reagiert, was einen grünen Touch hat. Etliche Unterstützer von Bürgermeister Michael Ludwig sind enttäuscht, weil die SPÖ in Wien nach wie vor in einer Koalition mit den Grünen ist, obwohl die beiden Parteien ihrer Meinung nach nicht mehr kompatibel sind.
„Wenn man Öko oder Grüne sagt, werden die ungehalten“, heißt es in der SPÖ. Wobei der aktuellen Debatte ein Missverständnis zugrunde liegt: Kern meint mit „grüner werden“in erster Linie Antworten auf Umwelt- und Klimafragen. Seine Kritiker hören da allerdings heraus, dass die SPÖ nun eine „grün-linke Fundi-Politik“(Doskozil) betreiben möchte, anstatt die Migrationssorgen wesentlicher Wählerschichten ernst zu nehmen. An dieser Stelle werden die alten Gräben in der SPÖ sichtbar, die offenbar noch nicht wieder zugeschüttet sind.
Dabei hat Christian Kern hier längst ein Machtwort gesprochen und den restriktiven Ansatz zur Parteilinie erhoben. Gemeinsam mit Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser, wurde Doskozil beauftragt, unter dem Titel „Integration vor Zuzug“einen Leitantrag auszuarbeiten, über den die Partei dann ebenfalls im Oktober abstimmen soll.
Keine Kursdebatte
Eigentlich führt die SPÖ also keine Kursdebatte, sondern eine atmosphärische – entlang der Frage, welche Themen denn nun in den Vordergrund gestellt werden sollen. Schließlich kann sich die Partei nicht darauf verlassen, dass ihr die Regierung regelmäßig so etwas wie den Zwölf-Stunden-Tag serviert, bei dem sich sämtliche Flügel der SPÖ in ihrem Widerstand einig sind.
Im Hintergrund schwingt noch ein anderes Thema mit, das viele altgediente Funktionäre beschäftigt. Im neuen Parteiprogramm soll festgeschrieben werden, dass die Funktionsperiode nach zehn Jahren endet, wenn man in den eigenen Reihen keine Zweidrit- telmehrheit mehr bekommt. Das schürt Zukunftsängste, die sich dann bei nächster Gelegenheit über dem Parteichef entladen.
Von einer „heftigen Auseinandersetzung“ist in der SPÖ die Rede, die aber noch keine Revolte gegen Christian Kern sei. „Wir werden nicht zwei Monate vor dem Parteitag den Vorsitzenden abschießen“, meint ein Sozialdemokrat. Zumal sich die Nachfolger nicht eben aufdrängten. Stattdessen richtete sich der Ärger am Freitag gegen Hans Peter Doskozil, der nach Meinung der meisten Landesparteien unnötig Zwietracht gesät hatte. „Die paar Zwischenrufe aus dem Burgenland gehen im Neusiedler See unter“, meinte etwa die Parteichefin in Oberösterreich, Birgit Gerstorfer. Der Niederösterreicher Franz Schnabl versteht die Klimapolitik als Ergänzung, nicht aber als Ablenkung vom Migrationsthema. Im Übrigen habe Doskozil diese Woche gefehlt, als die Themensetzung von den Parteigremien abgesegnet wurde.
Hans Niessl, der demnächst als burgenländischer Landeshauptmann Platz für Doskozil machen wird, versuchte, die Wogen zu glätten: Beide Meinungen hätten ihre Be- rechtigung, Klimaschutz schließe eine strenge Zuwanderungspolitik nicht aus. Der Steirer Michael Schickhofer sieht das genauso. Ob der Parteichef noch fest im Sattel sitze? Niessl jedenfalls geht davon aus, dass Christian Kern beim Parteitag erneut für den SPÖVorsitz kandidiert – „als einziger Kandidat“.
Kern selbst verteidigte den neuen Ansatz auf seiner Facebook-Seite und stellte einen Zusammenhang her: Die Klimakrise sei eine „ganz entscheidende Ursache für Migration“. Ohne Klimaschutzmaßnahmen könne es daher keine wirksame Flüchtlingspolitik geben.