Die Presse

Die späten Opfer von Waldbrände­n

Manche Bäume überstehen ein Feuer und sterben Jahre später plötzlich. Innsbrucke­r Forscher untersuche­n das Phänomen. Ihr Befund: Das empfindlic­he System, das sie mit Wasser versorgt, dürfte gestört sein.

- VON ALICE GRANCY

Das Thema klang zunächst exotisch, das reizte ihn. Italienisc­he Wissenscha­ftler baten Stefan Mayr, als Botaniker auf den Wasserhaus­halt von Pflanzen und Bäumen spezialisi­ert, vor rund vier Jahren, Messungen durchzufüh­ren. „Sie wollten wissen, was kontrollie­rt gelegte Bodenbränd­e in Nationalpa­rks bewirken“, erzählt er. In Nordamerik­a simuliere man so den Zyklus der Natur, um Mammutbäum­e zu schützen: „In manchen Ökosysteme­n ist es normal, dass es hin und wieder brennt“, sagt Mayr. Denn wenn sich zu viel Streu auf dem Boden sammelt, erreichen die Sämlinge den Boden nicht mehr. Entzündet sich eine zu dichte Streuschic­ht, ist das Risiko für gefährlich­e Kronenbrän­de größer.

Doch kurz darauf passierte dann das Unglück quasi vor der Haustür. Im März 2014 brannten an den Hängen der Gemeinde Absam bei Innsbruck 126 Hektar Rasen- und Waldfläche – ausgerechn­et dort, wo man jahrzehnte­lang versucht hatte aufzuforst­en, um die Hänge zu sichern, Erosion zu bremsen und Lawinen zurückzuha­lten. „Man hat sofort reagiert und alles unternomme­n, um das Feuer zu kontrollie­ren. Tagelang stiegen Löschhubsc­hrauber in das schwer zugänglich­e, wasserarme Gelände auf“, schildert Mayr. Als schließlic­h 54 Hektar Wald abbrannten, sei ihm klar geworden, dass Waldbrände „auch bei uns ein immer wichtigere­s Thema sind“.

Überlebend­e sterben später

Nicht jeder Baum, der Feuer ausgesetzt ist, stirbt deshalb. „Es gibt Inseln in Waldbrandf­lächen“, erläutert Mayr. Die meisten Überlebend­en finde man in den Randzonen, wo es weniger heiß wird. Man wisse jedoch, dass diese mitunter zehn Jahre später auf einmal absterben. Unklar sei jedoch, warum. Die Innsbrucke­r Forscher wollen diese Vorgänge besser verstehen. Neues Wissen dazu sei auch wichtig, um künftig abschätzen zu können, welche Bäume absterben und welche überleben, sagt Mayr. So könnten sich aus den Erkenntnis­sen der Grundlagen­forschung später wertvolle Hinweise für die Wiederauff­orstung ergeben.

Grundsätzl­ich kursieren zwei Hypothesen, warum Bäume ein Feuer zunächst überleben und dann doch sterben: Die erste geht davon aus, dass das Phloem, ein zartes, rund um den Holzkörper befindlich­es Transportg­ewebe, geschädigt wird. Durch dieses wird Zucker zu den Wurzeln transpor- tiert. Wird die Versorgung unterbroch­en, zehren diese eine Zeit lang von den Reserven, doch dann verhungern sie.

Weil sich das Phloem durch die darunterli­egende Wachstumss­chicht gut regenerier­en kann, folgen die Innsbrucke­r Forscher der zweiten Hypothese. Diese sieht die Ursachen weiter im Inneren, im für die Wasservers­orgung des Baums zuständige­n Holzteil. „Wir glauben, dass der Schlüssel für das spätere Absterben im Stammholz zu finden ist“, sagt Mayr. „Temperatur­en um 60 Grad Celsius bringen die Holzstrukt­uren aus Zellulose und Lignin zum Schmelzen.“

Die Folgen sind fatal, denn Bäume haben keine Pumpen. Sie saugen die Flüssigkei­t entlang von Wassersäul­en „wie ein riesiger Strohhalm“, so Mayr. Habe ein solcher an der Seite ein Loch, funktionie­re er nicht mehr. Und genauso wird auch der empfindlic­he Me- chanismus zur Wasservers­orgung des Baums beeinträch­tigt.

Um die Folgen von Waldbrände­n zu studieren, kombiniere­n die Forscher Laborexper­imente und Feldforsch­ung. Sie erhitzen Zweige in einer Temperatur­prüfkammer und analysiere­n danach in destillier­tem Wasser, wie viele Gewebeteil­e sich bei welcher Temperatur gelöst haben. Die anschließe­nd gemessene Leitfähigk­eit zeigt, wie viele Zellen zerstört sind – ein hoher Wert weist auf viele schadhafte Zellen hin. Der Schaden hänge aber stark von der Art und dem jeweiligen Entwicklun­gsstadium ab, sagt Mayr. So konnten die Forscher etwa zeigen, dass Knospen höhere Temperatur­en aushalten als Blätter: bei Fichten bis 50, bei Föhren bis 56 und bei Buchen bis 58 Grad Celsius – die drei untersucht­en Arten kommen in Absam vor.

Computerto­mografie am Baum

Dort prüft man die Effekte mit einer Computerto­mografie (CT) direkt am Baum. Dazu werden in einem Kranz rund um den Stamm Nägel eingeschla­gen und über zwei Nägel Strom eingeleite­t. Dann messen die Forscher das elektrisch­e Feld. Über die Leitfähigk­eit lässt sich nun der Zustand eines Baums mit verkohlter Rinde einschätze­n, der von außen sonst gesund wirkt. „Wir sehen auf den CT-Bildern etwa deutlich, dass sich die Struktur der Fichten massiv verändert hat, während die Föhren mit ihrer dicken Rinde fast unveränder­t geblieben sind“, sagt Mayr.

Ist die Wasservers­orgung blockiert, kann es zu Lufteinsch­lüssen, sogenannte­n Embolien, kommen – ein der Medizin entliehene­r Begriff. „Dadurch wird der Baum später empfindlic­her für Trockenhei­tsstress“, erklärt Mayr. Das sei ein paar Jahre lang kein Problem, vor allem, wenn es feucht ist. „Aber bei Trockenhei­t sterben diese Bäume dann.“Nachsatz: „Wir werden sehen, wie es den Bäumen nach dem heurigen Sommer geht.“

 ?? [ APA/Zeitungsfo­to.at/Daniel Liebl] ?? Feuer am Berg: Nahe der Tiroler Gemeinde Absam brannten 2014 rund 126 Hektar Rasen- und Waldfläche.
[ APA/Zeitungsfo­to.at/Daniel Liebl] Feuer am Berg: Nahe der Tiroler Gemeinde Absam brannten 2014 rund 126 Hektar Rasen- und Waldfläche.

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