Wer Klimt ins Bild setzte
Leopold-Museum. Den Namen Moriz Nähr kennen die wenigsten. Seine Fotos dafür alle: Er war der Porträtist von Gustav Klimt und Gustav Mahler, der Hausfotograf der Secession.
Leopold-Museum zeigt Arbeiten des Fotografen Moriz Nähr.
Ein ganzes Stockwerk ist im LeopoldMuseum zurzeit der Fotografie aus Wien um 1900 gewidmet: Neben die erste große Retrospektive auf die Gesellschafts- und Modefotografin Madame d’Ora rückt ab sofort die erste Einzelausstellung von Moriz Nähr, dessen Namen wenige kennen, dessen Bilder dafür alle: Er war Hausund Hoffotograf von Klimt und den Secessionisten, von ihm stammt das berühmte Porträt Klimts mit der Katze auf dem Arm oder das ikonische Gruppenbild der Secessionisten, die auf einer riesigen Teppichrolle in der legendären Beethoven-Ausstellung posieren.
Bildende Kunst und Fotografie waren nie zu trennen, standen immer in Bezug zueinander – nur von wegen Sinnhaftigkeit eines eigenen, isolierten österreichischen Fotomuseums, wie es jetzt diskutiert wird, politisch anscheinend ernsthafter denn je. Der aktuelle Ausstellungsmix von Malerei und Fotografie im Leopold-Museum zeigt den Reiz, wenn man diese Medien zusammenführt, ja den inhaltlichen Zwang dazu. So ähnlich sind manche Klimt-Gemälde wie „Tannenwald II“manchen Fotos von Nähr. So eng waren ästhetische und persönliche Bande.
Jeden Tag frühstücken mit Klimt
So soll Nähr, erzählt der vom Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek entlehnte Kurator Uwe Schögl, fast 20 Jahre täglich mit Klimt zum Frühstück spaziert sein, vom siebten Bezirk, in dem beide wohnten, zur Schönbrunner Meierei. Begleitet von Plattenkamera, Stativ und Hund war er, wie zeitgenössische Zeichnungen zeigen, ständiger Begleiter der Secessionisten. Er galt als ihr offizieller Ausstellungsfotograf, prägte die Optik der Zeitschrift „Ver Sacrum“und so auch des modernen Wiener Gesamtkunstwerks, wie wir es heute kennen – licht, klar, gern frontal und symmetrisch.
Ganz anders als Madame d’Ora, die businessorientiert und exaltiert eine internationale Karriere bis nach Paris verfolgte, war Nähr der zurückhaltende, feinsinnige, wohl leicht schrullige Ästhet. Von Anfang an stellte sich der 1859 Geborene in Selbstpor- träts dar, anfangs ein wenig Klimt ähnlich eher als Satyr, am Ende als Bohemien mit weißer Haarpracht. Aus bürgerlicher Familie kommend, fristete der Autodidakt ein recht bescheidenes Leben: Liiert war er jahrzehntelang mit Ludmilla, wie ein gemeinsames Foto zeigt – einer verheirateten Frau, die er erst einen Monat vor seinem Tod 1945 heiratete, als sie frisch verwitwet war. Gewohnt wurde nur in einem schlichten Einzimmeratelier. Aber auch das musste finanziert werden, wofür vorwiegend die Wittgensteins aufkamen, deren Familienfotograf er war.
Fotografiert hat er auch ein bisschen für die Habsburger. So entstand ein fast skurriles Porträt Kaiser Franz Josephs, der einsam hinter einem riesigen erlegten Hirsch steht. Die Verbindung von Mensch und Natur war überhaupt wesentlich für Nähr (wie sie es für Klimt war). Auch Klimt fotografierte er immer draußen, in den Gärten seiner Ateliers, immer ohne Blitz. Auch bei seinem letzten großen Auftrag, das Haus Stonborough-Wittgenstein in der Kundmanngasse zu dokumentieren, durfte der Baum daneben nicht aus dem Fokus geraten. Es sind wunderbare Architekturfotos dieser wunderbar modernen Architektur Ludwig Wittgensteins (von dem Nähr ebenfalls – wie auch von Gustav Mahler – heute ikonische Porträts schuf ).
Nach dieser Architektur-Serie 1928 wurde es still um ihn. Wie Nähr den Krieg überdauerte, wovon er lebte, ist nicht klar, so Kurator Schögl. Unterstützt von der privaten Klimt-Foundation, dem Leihgeber der Ausstellung, arbeitet er an einem Werkverzeichnis Nährs (die ONB besitzt einen Teil seines Nachlasses, die Klimt-Foundation den anderen). Derartige fotohistorischen Forschungen machen solche Ausstellungen relevant. Diese sollte man stärken. Nicht neue Museumsinfrastrukturen. Dringlichkeit, Ausstellungsflächen und Publikum ergeben sich dann aus dem Gesamtzusammenhang.