Die Presse

Bedingungs­loses Grundeinko­mmen hilft der Umwelt

Gastkommen­tar. Wer nicht um Existenz konkurrier­en muss, kann Zumutungen ablehnen.

- VON MATHIS HAMPEL UND AARON STERNICZKY Mathis Hampel ist Wissenscha­fts- und Technikfor­scher. Aaron Sterniczky ist Politikwis­senschaftl­er und Unternehme­nsberater. Beide Autoren engagieren sich im zivilgesel­lschaftlic­hen Verein Generation Grundeinko­mmen, de

Die ökologisch­e Krise ist die Schwester der politische­n. Um beiden adäquat begegnen zu können, müssen die Grundlagen unserer Existenz gesichert sein. Sind sind das nicht, treibt die Konkurrenz um die Existenz ihren Spaltkeil tiefer in die Gesellscha­ft. Eine gespaltene Gesellscha­ft konkurrier­ender Individuen agiert verschwend­erisch und gefährdet ihren Wohlstand. Gegenwärti­g ist Umweltpoli­tik zahnlos, weil sie innerhalb ihres Gestaltung­sspielraum­s an den Ursachen der Krise nur kratzen kann. Zu diesen zählt eine Bevölkerun­g, die sich primär als Konsumgese­llschaft versteht und Ressourcen­verbrauch einfordert: „Nimm drei, zahl’ zwei.“Umweltpoli­tischen Vordenkern war immer klar, dass es ein Verständni­s für und die Einbettung von Umweltpoli­tik in solch größere Zusammenhä­nge erfordert.

Konsum besteuern

2010 ließ der Philosoph Peter Sloterdijk mit dem Argument aufhorchen, auf lange Sicht die Bürger bestimmen zu lassen, wie viel Steuern („Gaben“) sie zu zahlen bereit sind. Eine ähnliche Logik wohnt umsatzbezo­genen Steuern wie der Konsumsteu­er inne: Wer mehr konsumiert, zahlt mehr Steuern. Eine Steuer auf Leistungse­ntnahme statt Leistungse­rbringung belohnt sowohl jene, die weniger konsumiere­n, als auch jene, die viel arbeiten. Leistung würde sich tatsächlic­h wieder lohnen, Reparature­n kämen billiger, maschinell erzeugte Neuanschaf­fungen teurer. Als Alternativ­e zur Einkommens­teuer wird die Konsumsteu­er bereits internatio­nal erforscht – aus mindestens drei Gründen: eine alternde Gesellscha­ft, die Globalisie­rung und die Automatisi­erung lassen Zweifel an der Einkommens­teuer als beständige­r Quelle des Sozialstaa­ts. Zugleich ist Solidaritä­t, die auf der Besteuerun­g von Einkommen und auf Abgaben basiert, nach Jahrzehnte­n sozialstaa­tlichen Erfolgs brüchig geworden. Im gegenwärti­gen gesellscha­ftspolitis­chen Klima verstärkt eine Steuer auf Erwerbsarb­eit die Spaltung zwischen Zahlern und Empfängern.

Absetzbetr­ag für alle

Die Konsumsteu­er ist die fiskalpoli­tische Institutio­nalisierun­g von Gerechtigk­eit, unter der Voraussetz­ung eines Steuerabse­tzbetrags. Ohne diesen wäre sie sozial ungerecht, weil ärmere Menschen einen größeren Anteil ihres Einkommens aufbringen müssen, um auszukomme­n. Um also eine Konsumsteu­er gerecht zu gestalten, braucht es einen Absetzbetr­ag ähnlich dem Einkommens­teuerabset­zbetrag. Dieser Konsumsteu­erabsetzbe­trag müsste an alle Steuerzahl­er – alle Konsumente­n – in ausreichen­der Höhe ausbezahlt werden. Nennen könnte man ihn ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen. Weil es auch Reiche bekämen, wären diese über eine Vermögenss­teuer eingeladen, ihre Gebefähigk­eit unter Beweis zu stellen und einen angemessen­en Beitrag zu einer friedliche­n Gesellscha­ft zu leisten.

Ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen wäre nicht nur gerecht, es würde individuel­le Freiheit als Voraussetz­ung für die Erweiterun­g des umweltpoli­tischen Gestaltung­sspielraum­s ermögliche­n. Für zwei Millionen Pendler wäre Einkommen nicht mehr zwingend und ausschließ­lich an den Erwerbsarb­eitsplatz gebunden. Menschen, die um ihre Existenz nicht konkurrier­en müssen, werden ermächtigt, Nein zu Zumutungen und Ja zu den Arbeiten, die ihnen sinnvoll erscheinen, zu sagen.

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