Staatssekretärin Karoline Edtstadler im Interview
Interview. Karoline Edtstadler, ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium, über erste Zwischenergebnisse der Strafrecht-Taskforce und antisemitische „Zwischenfälle“beim Koalitionspartner.
Die Presse: Sie leiten die Taskforce „Strafrecht, Opferschutz und Täterarbeit“und versprechen die Möglichkeit zu strengeren Strafen. Wird in Österreich nicht streng genug gestraft? Karoline Edtstadler: Fakt ist, dass es immer wieder Urteile gibt, die im Bereich Gewalt- und Sexualverbrechen einfach milde ausfallen. Die Kommission Strafrecht wird schauen: Wie kann man die Gesetzeslage so gestalten, dass Richter, Staatsanwälte, Strafverfolgungsbehörden alles an Gesetz zur Verfügung haben, um auch strenge Strafen auszusprechen? Es geht um alles, was sich in der Lebensrealität abspielen kann, auch in Form eines gesetzlichen Erschwerungsgrundes.
Es gibt acht Erschwerungsgründe. Reicht das für Richter nicht? Es gibt auch 19 Strafmilderungsgründe. Ich selbst habe als Strafrichterin erlebt, dass ich besondere Umstände von Einzelfällen außerhalb der Erschwerungsgründe gewertet habe – dann wurde vom Oberlandesgericht gesagt, das sei kein Erschwerungsgrund, das stehe so nicht im Gesetz. Es ist notwendig, Möglichkeiten im Gesetz abzubilden, und das ist ein Teil, um zu strengeren Strafen zu kommen.
Sie gehen also davon aus, dass am Ende der Arbeit der Taskforce auf jeden Fall die Möglichkeit kommen wird, strenger zu strafen. Ich gehe davon aus, dass es zu Änderungen im Strafgesetzbuch und auch in der Strafprozessordnung kommt, die dazu führen werden, dass es künftig zu strengeren Strafen bei Gewalt- und Sexualverbrechen kommt. Das ist das erklärte Ziel.
Würde Christian Pilnacek, der Generalsekretär im Justizministerium, dem zustimmen? Ganz sicher, ja. Ich bin in einem regen Austausch mit dem Justizminister selbst, auch mit Christian Pilnacek, der die Untergruppe Strafrecht leitet. Auch hier wird das so gesehen.
Wie sieht der Zeitplan aus? Die Evaluierung des aktuellen Strafrechts wird im September präsentiert. Im Herbst wird es erste Zwischenergebnisse geben. Spätestens bis Mitte nächsten Jahres haben wir uns Zeit genommen, das Projekt umzusetzen. Es wird dann auch konkreter werden, je detaillierter die Empfehlungen vorliegen und die legistische Umsetzung da ist.
Zugleich heißt die Taskforce „Opferschutz und Täterarbeit“. Wie werden Sie Frauen aus der Opferrolle holen? Es geht mir darum, Frauen zu stärken. Wenn ich von Opfern spreche, dann meine ich alle Opfer, auch männliche. Frauen sind allerdings nach wie vor großteils – zu 80 Prozent – die Opfer von sexueller Gewalt oder Gewalt in der Familie. Ich will Frauen vermitteln, dass es sinnvoll ist, eine Tat anzuzeigen. Gerade dann, wenn eine Strafe gering ausfällt, passiert es, dass sich Frauen denken oder gar weitergeben: „Überlege dir drei Mal, ob du anzeigst. Denn es ist eine Tortur, die du durchläufst, und es kommt im Endeffekt nichts dabei heraus.“Das möchte ich durchbrechen. Es gibt die Opferschutzzentren. Was wollen Sie für die Täter? Der Täter sitzt vielleicht nach der Tat mit einer Zahnbürste, zwei Unterhosen und einem frischen Hemd bei einem Freund und weiß nicht, wohin mit seiner Wut. Nach der Wegweisefrist ist mit ihm nichts passiert, es hat sich nichts geändert. Ich will, dass die Polizei die Daten des Täters an entsprechende Stellen weiterleitet – man muss den Täter dazu zwingen, aktiv mit seinem Problem etwas zu tun. Das scheitert aktuell am Datenschutz. In der Taskforce wollen wir das ändern.
Sie sind auch Gedenkbeauftragte des Innenministeriums. Wie geht es Ihnen mit einem Koalitionspartner, dessen Parteimitglieder mit antisemitischen „Einzelfällen“Schlagzeilen machen? Die FPÖ hat die Historikerkommission eingesetzt – diese Chance muss man ihr geben. Die ÖVP hat die NS-Vergangenheit mancher Funktionäre auch aufgearbeitet. Es hat bei Vorfällen in der FPÖ auch Reaktionen und Sanktionen gegeben. Jeder Einzelne muss sich der Konsequenzen bewusst sein, das ist wie beim Täter: Er muss sich bewusst sein, dass er der Täter ist. Nicht das Opfer kann etwas dafür, dass er zum Täter wurde.