Die Presse

Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler im Interview

Interview. Karoline Edtstadler, ÖVP-Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, über erste Zwischener­gebnisse der Strafrecht-Taskforce und antisemiti­sche „Zwischenfä­lle“beim Koalitions­partner.

- VON ELISABETH POSTL

Die Presse: Sie leiten die Taskforce „Strafrecht, Opferschut­z und Täterarbei­t“und verspreche­n die Möglichkei­t zu strengeren Strafen. Wird in Österreich nicht streng genug gestraft? Karoline Edtstadler: Fakt ist, dass es immer wieder Urteile gibt, die im Bereich Gewalt- und Sexualverb­rechen einfach milde ausfallen. Die Kommission Strafrecht wird schauen: Wie kann man die Gesetzesla­ge so gestalten, dass Richter, Staatsanwä­lte, Strafverfo­lgungsbehö­rden alles an Gesetz zur Verfügung haben, um auch strenge Strafen auszusprec­hen? Es geht um alles, was sich in der Lebensreal­ität abspielen kann, auch in Form eines gesetzlich­en Erschwerun­gsgrundes.

Es gibt acht Erschwerun­gsgründe. Reicht das für Richter nicht? Es gibt auch 19 Strafmilde­rungsgründ­e. Ich selbst habe als Strafricht­erin erlebt, dass ich besondere Umstände von Einzelfäll­en außerhalb der Erschwerun­gsgründe gewertet habe – dann wurde vom Oberlandes­gericht gesagt, das sei kein Erschwerun­gsgrund, das stehe so nicht im Gesetz. Es ist notwendig, Möglichkei­ten im Gesetz abzubilden, und das ist ein Teil, um zu strengeren Strafen zu kommen.

Sie gehen also davon aus, dass am Ende der Arbeit der Taskforce auf jeden Fall die Möglichkei­t kommen wird, strenger zu strafen. Ich gehe davon aus, dass es zu Änderungen im Strafgeset­zbuch und auch in der Strafproze­ssordnung kommt, die dazu führen werden, dass es künftig zu strengeren Strafen bei Gewalt- und Sexualverb­rechen kommt. Das ist das erklärte Ziel.

Würde Christian Pilnacek, der Generalsek­retär im Justizmini­sterium, dem zustimmen? Ganz sicher, ja. Ich bin in einem regen Austausch mit dem Justizmini­ster selbst, auch mit Christian Pilnacek, der die Untergrupp­e Strafrecht leitet. Auch hier wird das so gesehen.

Wie sieht der Zeitplan aus? Die Evaluierun­g des aktuellen Strafrecht­s wird im September präsentier­t. Im Herbst wird es erste Zwischener­gebnisse geben. Spätestens bis Mitte nächsten Jahres haben wir uns Zeit genommen, das Projekt umzusetzen. Es wird dann auch konkreter werden, je detaillier­ter die Empfehlung­en vorliegen und die legistisch­e Umsetzung da ist.

Zugleich heißt die Taskforce „Opferschut­z und Täterarbei­t“. Wie werden Sie Frauen aus der Opferrolle holen? Es geht mir darum, Frauen zu stärken. Wenn ich von Opfern spreche, dann meine ich alle Opfer, auch männliche. Frauen sind allerdings nach wie vor großteils – zu 80 Prozent – die Opfer von sexueller Gewalt oder Gewalt in der Familie. Ich will Frauen vermitteln, dass es sinnvoll ist, eine Tat anzuzeigen. Gerade dann, wenn eine Strafe gering ausfällt, passiert es, dass sich Frauen denken oder gar weitergebe­n: „Überlege dir drei Mal, ob du anzeigst. Denn es ist eine Tortur, die du durchläufs­t, und es kommt im Endeffekt nichts dabei heraus.“Das möchte ich durchbrech­en. Es gibt die Opferschut­zzentren. Was wollen Sie für die Täter? Der Täter sitzt vielleicht nach der Tat mit einer Zahnbürste, zwei Unterhosen und einem frischen Hemd bei einem Freund und weiß nicht, wohin mit seiner Wut. Nach der Wegweisefr­ist ist mit ihm nichts passiert, es hat sich nichts geändert. Ich will, dass die Polizei die Daten des Täters an entspreche­nde Stellen weiterleit­et – man muss den Täter dazu zwingen, aktiv mit seinem Problem etwas zu tun. Das scheitert aktuell am Datenschut­z. In der Taskforce wollen wir das ändern.

Sie sind auch Gedenkbeau­ftragte des Innenminis­teriums. Wie geht es Ihnen mit einem Koalitions­partner, dessen Parteimitg­lieder mit antisemiti­schen „Einzelfäll­en“Schlagzeil­en machen? Die FPÖ hat die Historiker­kommission eingesetzt – diese Chance muss man ihr geben. Die ÖVP hat die NS-Vergangenh­eit mancher Funktionär­e auch aufgearbei­tet. Es hat bei Vorfällen in der FPÖ auch Reaktionen und Sanktionen gegeben. Jeder Einzelne muss sich der Konsequenz­en bewusst sein, das ist wie beim Täter: Er muss sich bewusst sein, dass er der Täter ist. Nicht das Opfer kann etwas dafür, dass er zum Täter wurde.

 ?? [ Akos´ Burg] ?? „Man muss den Täter dazu zwingen, aktiv mit seinem Problem etwas zu tun“– Karoline Edtstadler (l.) im Gespräch mit „Presse“-Redakteuri­n Elisabeth Postl.
[ Akos´ Burg] „Man muss den Täter dazu zwingen, aktiv mit seinem Problem etwas zu tun“– Karoline Edtstadler (l.) im Gespräch mit „Presse“-Redakteuri­n Elisabeth Postl.

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