Franz Marhold hat beste Chance auf EU-Richter-Job
Höchstgericht. Der Nachfolger für die scheidende österreichische Richterin am EU-Gerichtshof, Maria Berger, dürfte feststehen. Pünktlich am 8. Oktober wird er sein Amt in Luxemburg aber nicht antreten können.
Wien/Luxemburg. Wenn der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 8. Oktober zu seiner diesjährigen „Feierlichen Sitzung“zur Verabschiedung scheidender und Begrüßung neuer Mitglieder zusammentritt, wird ein Neuzugang fehlen: Ausgerechnet das derzeitige EU-Vorsitzland Österreich hat es als einziger von einem halben Dutzend Mitgliedstaaten nicht geschafft, rechtzeitig eine geeignete Persönlichkeit zu nominieren. In Wien dürfte hinter den Kulissen jetzt allerdings die Entscheidung gefallen sein, wen Österreich nach Luxemburg schicken wird.
Maria Berger bleibt vorerst
Franz Marhold (63), Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der WU Wien, soll demnach die scheidende österrei- chische Richterin, Maria Berger, ablösen. Der für die Höchstrichterbestellung vorgesehene Ablauf macht es aber unmöglich, dass der Wechsel schon im Oktober stattfindet. Berger, sozialdemokratische ehemalige Justizministerin in Österreich (2007/2008), stellt sich deshalb schon auf einen Verbleib bis Ende Jänner in Luxemburg ein. Auf diese Weise wird eine Vakanz vermieden.
Neben der relativ späten Ausschreibung des attraktiven Jobs erst im April trug ein blamabler Vorfall in Brüssel zur Verspätung bei: Die von der Koalition auserwählte Katharina Pabel, Dekanin der Jusfakultät der Universität Linz, scheiterte im Juni überraschend an einem Hearing, das für neue Mitglieder des EuGH vorgesehen ist. Sie dürfte vor dem Prüfausschuss mit aktiven und ehemaligen europäischen Höchstrichtern fremdsprachlich und fachlich nicht ganz entsprochen haben.
Während es zunächst so aussah, als würde die türkis-blaue Regierung auf einen anderen Bewerber der ersten Runde zurückgreifen, deuten „Presse“-Informationen nun auf eine unmittelbar bevorstehende neue Ausschreibung hin. Sie soll es weniger geben, um neue Kandidaten zu finden, als vielmehr, um einem bereits Auserwählten eine Bewerbung erst zu ermöglichen. Offizielle Auskünfte gibt die Regierung dazu nicht.
Franz Marhold, der neben seiner Lehrtätigkeit an der WU auch Rechtsanwalt in einer Wiener Kanzlei ist, gilt als ÖVP-nahe und sehr gut vernetzt. Der ehemalige Professor an der Uni Graz war unter anderem ORF-Stiftungsrat für die ÖVP-geführte Steiermark.
ÖVP-nah, aber kritisch
Der hervorragende Jurist mit vielfältigen Fremdsprachenkenntnissen (neben Englisch und Italienisch das in Luxemburg wichtige Französisch) ist aber kein Parteisoldat: Bei der steirischen Landtagswahl 2005 trat Marhold auf der (erfolglosen) Liste Hirschmann eines ÖVP-Dissidenten an. Zu umstrittenen Regierungsplänen wie der Kürzung der Kinderbeihilfe für im Ausland lebende Kinder äußerte sich Marhold unter Verweis auf EuGH-Judikatur kritisch.
Die Position eines EU-Richters kann sehr einflussreich sein. Das Höchstgericht hat nicht nur in Fragen des Sozialrechts die europäische Rechtsentwicklung geprägt.