Die Presse

Deutschlan­d steuert auf Budget-Rekordkurs

Staatseinn­ahmen. Die Steuern sprudeln, die Zinsen sind niedrig und die Ausgaben moderat: Allein im ersten Halbjahr machte der Überschuss 48 Milliarden Euro aus. Politiker fordern deshalb Entlastung­en.

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Hohe Steuereinn­ahmen, moderate Ausgaben und sinkende Zinskosten haben Deutschlan­d im ersten Halbjahr einen Rekordüber­schuss beschert. Bund, Länder, Kommunen und Sozialvers­icherung nahmen 48,1 Mrd. Euro mehr ein als sie ausgaben. Das entspricht 2,9 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP), teilte das Statistisc­he Bundesamt mit. Im gesamten Vorjahr lag der Haushaltsü­berschuss bei 34 Mrd. Euro.

Was mit dem Geld geschehen soll, ist zwischen Parteien und Ökonomen umstritten: Die einen wollen die Bürger entlasten, die anderen hingegen mehr investiere­n. „Die riesigen Überschüss­e wecken Begehrlich­keiten“, sagte dazu der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Eine kluge Investitio­nsoffensiv­e in Infrastruk­tur, Bildung und Innovation ist notwendig.“

Anders sieht das Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer. Deutschlan­d habe mit seinen enormen Überschüss­en eine Ausnahmest­ellung in der Eurozone. „Es wird Zeit, dass gerade in der Arbeitslos­enversiche­rung die Beiträge gesenkt werden“, betonte er. Entlastung­en fordert auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Der Staat sollte den Steuerzahl­ern etwas zurückgebe­n, die Mittelschi­cht muss wieder mehr im Portemonna­ie haben.“Auch in der Opposition gibt es Befürworte­r. „Wann endlich kommt einmal eine echte Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger“, schrieb der FDP-Vorsitzend­e, Christian Lindner, auf Twitter. Seine Partei will den Solidaritä­tszuschlag abschaffen und die kalte Progressio­n abbauen.

Das Bundesfina­nzminister­ium relativier­t die Zahlen. Es sei ein vorläufige­s Ergebnis, das für das erste Halbjahr meist wesentlich positiver ausfalle als für das zweite. Außerdem fehlten die Rentenanpa­ssung vom Juli, die kürzlich beschlosse­nen Dürrehilfe­n sowie die Belastunge­n für die Bundesländ­er Hamburg und Schleswig-Holstein durch die HSH Nordbank. Wegen der langwierig­en Regierungs­bildung habe es auch nur eine vorläufige Haushaltsf­ührung gegeben, in der naturgemäß weniger Geld ausgegeben werden konnte.

Deutschlan­d profitiert von der guten Beschäftig­ungs- und Wirtschaft­sentwicklu­ng sowie einer moderaten Ausgabenpo­litik, begründen die Statistike­r den Rekordüber­schuss. Seit 2014 schreibt Deutschlan­d schwarze Zahlen. Während sich im ersten Halbjahr die Einnahmen um fünf Prozent erhöhten, wuchsen die Ausgaben nur um 1,2 Prozent. (Reuters)

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