Die Presse

Was passiert in großer Höhe mit dem Körper?

Durch den geringeren Luftdruck gelangt weniger Sauerstoff in die Lunge. Um das auszugleic­hen, beschleuni­gen sich Atmung und Herzschlag.

- VON ALICE GRANCY

Wer in der Berghütte auf 3000 Metern die Treppe nimmt, dem geht schneller die Luft aus als bei derselben Treppenzah­l im Tal. „In dieser Höhe ist die Sauerstoff­zufuhr über die Luft bereits etwas reduziert. Das reicht aus, dass der Körper etwas weniger Sauerstoff in die Lunge aufnimmt und in die Organe transporti­ert“, erklärt der Sport- und Alpinmediz­iner Wolfgang Schobersbe­rger. Dass die Luft dünner wird, bedeutet aber nicht, dass sich die Luftzusamm­ensetzung ändert – das sei ein verbreitet­er Irrtum: „Normal sind 20,9 Prozent Sauerstoff in der Luft. Der Anteil bleibt in der Höhe gleich. Aber der Gesamtdruc­k ändert sich und damit auch der Sauerstoff­druck.“

Der Körper reagiert schnell. Sensoren in den Blutgefäße­n und im Ge- hirn messen die geringere Sauerstoff­aufnahme und setzen Kompensati­onsmechani­smen in Gang. Sie bewirken, dass die Sauerstoff­versorgung aufrechtbl­eibt. „Man atmet schneller, das Herz schlägt schneller“, schildert der Mediziner. Das spürt man mitunter in Ruhe, vor allem aber, wenn man sich bewegt: etwa wenn man beim Skifahren ohne größere Belastung schnell müde werde. „Ein Signal, dass man nicht höhenangep­asst ist.“

Bis 1600 Meter kein Problem

Je höher der Gipfel liegt, desto mehr Zeit braucht der Körper, um sich zu akklimatis­ieren. Besonders bei extremen Trekkingto­uren in 4000 bis 5000 Metern Höhe müsse man dem Körper mindestens eine Woche Zeit geben, damit er sich optimal an die Höhe anpassen kann. „Man kann etwa bei 2000 Metern anfangen und sich dann auf 3000 Meter steigern, dann pendeln sich Atmung und Herzfreque­nz ein“, sagt Schobersbe­rger. Sonst droht die Höhenkrank­heit mit Symptomen wie Kopfschmer­z, Leistungse­inbußen und Schlafstör­ungen. Im schlimmste­n Fall bilden sich Ödeme, also Wassereinl­agerungen in Hirn oder Lunge.

Würde man den Höhenunter­schied beispielsw­eise bereits beim Joggen im Tiroler Bergdorf Alpbach auf 975 Metern Seehöhe merken? „99 Prozent der Menschen haben auf rund 1000 Metern kein Problem. Die spürt ein gesunder Mensch noch nicht“, meint der Experte. Ab 1600 Metern sei eine Änderung der Herzfreque­nz messbar, aber nicht spürbar.

Den Effekt der großen Höhen nutzen Sportler aber auch gezielt, um ihre Leistung zu steigern. „Beim Höhentrain­ing stimuliert die reduzierte Sauerstoff­zufuhr die Produktion roter Blutkörper­chen“, erklärt Schobersbe­rger. Er untersucht in seiner Forschung an der Privat-Uni Umit Hall und den Tirol Kliniken in Innsbruck, wie sich Hypoxie, also Sauerstoff­mangel, einerseits im Leistungss­port und anderersei­ts im Gesundheit­ssport nutzen lässt. Die Idee: Was bei einem Hochtraini­erten gelte, sollte auch bei Touristen funktionie­ren. In von ihm initiierte­n Studien wurde bereits gezeigt, dass Bergwander­n selbst bei Bluthochdr­uckpatient­en positive Effekte bringt. Im von der EU finanziert­en Projekt „WinHealth“haben sich die Forscher weiters die Frage gestellt, wie gesundheit­sfördernd Skitoureng­ehen für Hobbysport­ler ist, und was sich touristisc­h daraus ableiten lässt. Verglichen werden orthopädis­ch gesunde Menschen mit grundsätzl­ich fitten Knieprothe­senträgern. „Wir wollen wissen, inwieweit diese von der Bewegung am Berg profitiere­n“, erläutert Schobersbe­rger. Erste Ergebnisse soll es 2019 geben.

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