Lichtblicke ins Innere des Auges
An der Med-Uni Wien entwickeln Physiker Technologien der optischen Bildgebung weiter. Mit diesen sollen sich Augenerkrankungen, aber auch Gefäßveränderungen besser erkennen und gezielter behandeln lassen.
Das Prinzip klingt fantastisch – und ist bereits im Einsatz. Ein Patient setzt sich vor das Gerät, ein Lichtstrahl rastert ein bis zwei Sekunden lang seine Netzhaut und den Augenhintergrund ab, und schon erscheint am Monitor ein dreidimensionales Bild. Dieses erleichtert dem Arzt die Diagnose und ermöglicht eine zielgerichtete Behandlung der Erkrankung. „Die hohe Strukturauflösung der optischen Kohärenztomografie reicht an die der Mikroskopie heran“, erklärt der an der Med-Uni Wien tätige Physiker Rainer Leitgeb.
Der Patient spürt von alldem nichts, er sieht nur für einen Augenblick das Licht – und oft nicht einmal mehr das: „Neue Geräte arbeiten mit nicht sichtbarem Licht im nahen Infrarotbereich. Da zeigt dem Patienten ein Fixierlämpchen lediglich, wo er hinschauen muss“, so Leitgeb, der gestern, Freitag, bei den Alpbacher Technologiegesprächen über Strategien der digitalen Bildgebung in der Medizin sprach.
Mit den so entstandenen Bildern lassen sich krankhafte Veränderungen tief im Auge, etwa altersbedingte Makuladegeneration, früh feststellen und bewerten – ganz ohne gespritztem Kontrastmittel oder schädlichen Röntgenstrahlen, die ohnehin nur ein zweidimensio- nales Bild liefern. Außerdem können die Mediziner die Therapie an den Bedürfnissen des Einzelnen ausrichten – Stichwort maßgeschneiderte Medizin – und den Erfolg der Therapie über das bildgebende Verfahren beobachten.
Die Wiener Wissenschaftler um Leitgeb wollen die Anfang der 1990er-Jahre parallel von Forschern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA und an der Med-Uni Wien entwickelte optische Kohärenztomografie weiter verbessern. Mit einer höheren Auflösung sollen sich Erkrankungen der Netzhaut, etwa auch bei Diabetikern, früher erkennen lassen. Momentan wird die Technologie hauptsächlich, aber nicht nur am Auge angewandt. „Hier gibt es keine Alternative, die Ähnliches leistet“, so Leitgeb.
Große Hoffnungen setzen die im Verbund arbeitenden Mediziner und Physiker auch in neue Möglichkeiten der Technologie für die mikroskopische Chirurgie. „Die Ärzte wollen die einzelnen Zellen dreidimensional sehen, das ist die Vision. Damit das gelingt, arbeiten wir gemeinsam mit der Firma Zeiss an neuen Methoden“, schildert Leitgeb, der das vor drei Jahren gegründete ChristianDoppler-Labor für Innovative Optische Bildgebung und deren Translation in die Medizin leitet. Entfernt ein Neurologe beispielsweise einen Gehirntumor, könne er mittels der optischen Methode besser erkennen, wo gesundes und wo krankhaft verändertes Gewebe liegt und möglichst viel gesundes Gewebe bestehen lassen.
Auch beginnende Ablagerungen in Herzkranzgefäßen, die das Herzinfarktrisiko drastisch erhöhen, ließen sich mithilfe der Technologie früh feststellen. Man könne so kontrollieren, ob ein zur Gefäßerweiterung eingesetzter Stent richtig sitzt. Meist sei es sinnvoll, die Kohärenztomografie mit anderen Verfahren zu kombinieren, so Leitgeb.
Der Forscher wechselte um das Jahr 2000 aus der Theoretischen Physik in die angewandte Forschung. Als die ersten technologischen Erfolge gelangen und man sah, dass sie den Patienten unmittelbar nutzen, habe er sich bestärkt gefühlt. Ein besonderes Erlebnis, das sich wohl auch wiederholen dürfte: In einem komplementär zu den Arbeiten im CD-Labor laufenden EU-Forschungsprojekt wollen die Wissenschaftler aus dem Scan der Netzhaut Rückschlüsse auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson ziehen.