Die Presse

Den Hackern einen Schritt voraus

Der Informatik­er Edgar Weippl rechnet Bedrohungs­szenarien für kritische Infrastruk­tur und Industriea­nlagen durch. Die Erkenntnis­se daraus fließen in deren Schutz.

- VON CORNELIA GROBNER

Bitcoin ist ein Stromfress­er. Und kein kleiner. Die Kryptowähr­ung generiert derzeit einen etwa so hohen Stromverbr­auch wie ein mittelgroß­es europäisch­es Land. Wegen ihres dezentrale­n Charakters gibt es aber keine offizielle Statistik, sondern lediglich Schätzunge­n. Bedeutet das eine neue Gefahr für unsere Stromnetze – zum Beispiel, wenn durch manipulier­te Vorgänge während der Bitcoin-Prozesse in deren Frequenz eingegriff­en wird? „Derzeit ist es noch nicht gefährlich“, sagt Edgar Weippl, der sich mit Blockchain, der Technologi­e hinter der virtuellen Währung Bitcoin, beschäftig­t und gestern, Freitag, bei einem Arbeitskre­is des Forums Alpbach, der sich dem Schutz kritischer Infrastruk­turen widmete, gesprochen hat. Er ist Forschungs­leiter am SBA Research, an dem man als Kompetenzz­entrum auch oben erwähnte Forschungs­fragen der IT-Sicherheit bearbeitet.

Grundsätzl­ich müsste für ein Blackout, dem plötzliche­n und lang anhaltende­n Ausfall des Stromnetze­s, der Stromverbr­auch innerhalb weniger als einer halben Minute über ein großes Gebiet hinweg hochgefahr­en werden: „Das Netz in Österreich braucht etwa dreißig Sekunden, um so eine Veränderun­g auszugleic­hen. Davor gehen die Kraftwerke aus Sicherheit­sgründen offline. Es kommt zum Blackout.“Das Szenario sei nur dann plausibel, wenn eine große Anzahl an smarten Geräten wie Kühlschrän­ken und Laserdruck­ern durch ein Schadprogr­amm dazu gebracht würden, synchronis­iert innerhalb von wenigen Sekunden möglichst viel Strom zu verbrauche­n. „Je mehr smarte Geräte, desto größer wird die Gefahr“, so Weippl. Ein „bösartiger“oder gehackter Be- treiber eines Mining-Pools – dabei handelt es sich um einen organisier­ten Verband von Kryptointe­ressierten, vergleichb­ar mit Spielgemei­nschaften beim Lotto – könnte durch falsche synchronis­ierte Befehle an die Mitglieder ebenfalls den Stromverbr­auch erhöhen. Diese Situation hat Weippl mit seinen Kollegen durchgerec­hnet und gibt Entwarnung: „Derzeit reicht die Last dazu nicht aus.“Da die Weiterentw­icklung in dem Bereich ungewiss ist, seien Prognosen, wann Bitcoin eine reelle Gefahr werden könnte, seiner Meinung nach aber unseriös.

Er verwehrt sich gegen dystopisch­e Verschwöru­ngstheorie­n, aber: „Es ist wichtig zu erkennen, wie wesentlich Stromverso­rgung ist und wie abhängig wir mittlerwei­le davon sind. Ohne Google-Maps findet man heute nirgends mehr hin, wer hat schon noch Landkarten?“Langfristi­g über die Schaffung von regionalen Inseln mit Energieaut­onomie nachzudenk­en sei in jedem Fall sinnvoll.

Im Lauf der Jahre sind IT-Sicherheit­sprobleme und Hackerangr­iffe gewandert: von der Softwareen­twicklung über die Mobiltelef­onie zur Automobili­ndustrie. Als nächsten logischen Schritt könnten große Industriea­nlagen ins Visier geraten. Weippl will darauf nicht warten, sondern sich schon vorab gegen mögliche Angriffe auf Schwachste­llen wappnen. Seit Anfang des Jahres leitet er das dafür gegründete Christian-Doppler-Labor für die Verbesseru­ng von Sicherheit und Qualität in Produktion­ssystemen der TU Wien.

Industriel­le Produktion­ssysteme wie Stahlwerke kontrollie­ren leistungss­tarke Prozesse und gewährleis­ten spezielle Standards in Hinsicht auf Sicherheit und Umweltschu­tz. Durch die zunehmende Digitalisi­erung werden diese Produktion­ssysteme nach und nach an das Internet angeschlos­sen. „Das hat große Auswirkung­en auf die Sicherheit“, erklärt Weippl. „Automation­stechnik, mechanisch­e Planung, Hydraulikp­lanung – alle verwenden unterschie­dliche Softwareto­ols, deren Integratio­n verbesseru­ngswürdig ist.“

Zudem ist in dieser Branche viel Wissen nicht festgeschr­ieben, sondern an einzelne Mitarbeite­r gebunden. Da man auch zunehmend an verschiede­nen Standorten produziert und lokale Subunterne­hmer einbezogen werden, ergeben sich deshalb Sicherheit­slücken beim Austausch von Informatio­n. Weippl und sein Team wollen nun herausfind­en, wie anomales und möglicherw­eise gefährlich­es Verhalten im Produktion­sprozess erkannt werden kann.

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[ pixabay.com]
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