Digitale Superstars und abseitige Landbetriebe
Neue Technologien verlängern die temporäre Marktmacht von Technologieführern. Nachahmer haben wenig Anreiz, in den Markt einzutreten. Das lässt die Ungleichheit zwischen Regionen und Firmen wachsen.
Rasant ist das Wörtchen, das am häufigsten fällt, wenn über technologische Veränderungen geredet wird. Innerhalb von wenigen Jahren hat das Aufkommen der digitalen Ökonomie die Ungleichheit zwischen und innerhalb von Gesellschaften verschärft.
Neben den daraus resultierenden direkten Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt und bei der Einkommensverteilung nennt Agnes Kügler vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) bei den Alpbacher Technologiegesprächen drei Ebenen, auf denen sich die ungleichen Entwicklungen beobachten lassen: jene der Unternehmen, der Wirtschaftszweige und der Regionen. Den Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion um diese Phänomene setzen zwei markante Pole, so die Ökonomin: „Einerseits gibt uns das weltweit relativ schwache Produktivitätswachstum trotz technologischer Neuerungen Rätsel auf und hat einige Forscherinnen dazu bewegt, davon auszugehen, dass die Digitalisierung einfach keinen vergleichbaren Effekt auf die Wirtschaftsleistung hat wie frühere radikale Innovationen. Andererseits wird seit einiger Zeit verstärkt die Gefahr einer zunehmenden Marktkonzentration diskutiert.“
Empirische Untersuchungen aus den USA belegen, dass die Schere zwischen den erfolgreichsten Firmen und dem Rest in Bezug auf Produktivität und Profite immer weiter auseinandergeht. Ein naheliegender Grund dafür sei die temporäre Marktmacht, so Kügler. Durch den Einsatz neuer Technologien werden wenige Unternehmen wettbewerbsfähiger und wachsen schneller. So schnell, dass die vormals temporäre Marktmacht der Technologieführer heute sehr lang andauert: „Neue Mitbewerber haben keinen Anreiz mehr, in einen bereits besetzten Markt einzutreten, weil es nicht mehr profitabel ist.“Parallel dazu habe die Innovationsdiffusion, also die Weiter- gabe und Verbreitung neuer Technologien, abgenommen.
In Europa sind die empirischen Ergebnisse zur Marktkonzentration im Vergleich zur USA aber weniger eindeutig. Die Marktkonzentration sei in den letzten Jahren nicht gestiegen, erklärt Kügler. Nichtsdestotrotz gibt es hier große Unterschiede beim Einsatz digitaler Technologien zwischen kleinen und großen Unternehmen. Eine weitere Diskrepanz hat sich zwischen der Sachgütererzeugung und den Dienstleistungen entwickelt:
der großen Unternehmen haben im EUSchnitt ihre Geschäftsprozesse mit Zulieferern und Kunden elektronisch verlinkt. Bei den kleinen Unternehmen sind es nur 15 Prozent.
der kleinen Betriebe setzen mittlerweile immerhin auf den Einsatz von Software im Bereich Kundenmanagement – bei den größeren Unternehmen sind das 62 Prozent. Neben den klassischen technologieintensiven Branchen, wie Telekommunikation und Computerprogrammierung, zählen auch das Verlagswesen, Musik und Film, der Groß-, Einzel- und KfZ-Handel sowie die Finanzdienstleister zu den digitalintensiven Wirtschaftszweigen. Die Sachgütererzeugung hinkt hingegen deutlich hinterher. Hier werden fortgeschrittene CloudTechnologien, Buchhaltungssoftware und dergleichen noch recht zurückhaltend eingesetzt.
Der Vormarsch der digitalen Technologie hat auch große Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Zum einen vergrößert dieser den Marktradius von Firmen, zum anderen besteht genau deswegen die Gefahr, dass die lokale Infrastruktur in den Dörfern ausstirbt. „Die Hoffnung, dass sich durch die Digitalisierung und die dadurch gewonnene vermeintliche Unabhängigkeit von geografischen Distanzen neue, wissensintensive Dienstleister in den ländlichen Regionen ansiedeln, steht auf wackeligen Beinen“, so Kügler.