Die Presse

Digitale Superstars und abseitige Landbetrie­be

Neue Technologi­en verlängern die temporäre Marktmacht von Technologi­eführern. Nachahmer haben wenig Anreiz, in den Markt einzutrete­n. Das lässt die Ungleichhe­it zwischen Regionen und Firmen wachsen.

- VON CORNELIA GROBNER

Rasant ist das Wörtchen, das am häufigsten fällt, wenn über technologi­sche Veränderun­gen geredet wird. Innerhalb von wenigen Jahren hat das Aufkommen der digitalen Ökonomie die Ungleichhe­it zwischen und innerhalb von Gesellscha­ften verschärft.

Neben den daraus resultiere­nden direkten Auswirkung­en auf dem Arbeitsmar­kt und bei der Einkommens­verteilung nennt Agnes Kügler vom Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) bei den Alpbacher Technologi­egespräche­n drei Ebenen, auf denen sich die ungleichen Entwicklun­gen beobachten lassen: jene der Unternehme­n, der Wirtschaft­szweige und der Regionen. Den Rahmen der wissenscha­ftlichen Diskussion um diese Phänomene setzen zwei markante Pole, so die Ökonomin: „Einerseits gibt uns das weltweit relativ schwache Produktivi­tätswachst­um trotz technologi­scher Neuerungen Rätsel auf und hat einige Forscherin­nen dazu bewegt, davon auszugehen, dass die Digitalisi­erung einfach keinen vergleichb­aren Effekt auf die Wirtschaft­sleistung hat wie frühere radikale Innovation­en. Anderersei­ts wird seit einiger Zeit verstärkt die Gefahr einer zunehmende­n Marktkonze­ntration diskutiert.“

Empirische Untersuchu­ngen aus den USA belegen, dass die Schere zwischen den erfolgreic­hsten Firmen und dem Rest in Bezug auf Produktivi­tät und Profite immer weiter auseinande­rgeht. Ein naheliegen­der Grund dafür sei die temporäre Marktmacht, so Kügler. Durch den Einsatz neuer Technologi­en werden wenige Unternehme­n wettbewerb­sfähiger und wachsen schneller. So schnell, dass die vormals temporäre Marktmacht der Technologi­eführer heute sehr lang andauert: „Neue Mitbewerbe­r haben keinen Anreiz mehr, in einen bereits besetzten Markt einzutrete­n, weil es nicht mehr profitabel ist.“Parallel dazu habe die Innovation­sdiffusion, also die Weiter- gabe und Verbreitun­g neuer Technologi­en, abgenommen.

In Europa sind die empirische­n Ergebnisse zur Marktkonze­ntration im Vergleich zur USA aber weniger eindeutig. Die Marktkonze­ntration sei in den letzten Jahren nicht gestiegen, erklärt Kügler. Nichtsdest­otrotz gibt es hier große Unterschie­de beim Einsatz digitaler Technologi­en zwischen kleinen und großen Unternehme­n. Eine weitere Diskrepanz hat sich zwischen der Sachgütere­rzeugung und den Dienstleis­tungen entwickelt:

der großen Unternehme­n haben im EUSchnitt ihre Geschäftsp­rozesse mit Zulieferer­n und Kunden elektronis­ch verlinkt. Bei den kleinen Unternehme­n sind es nur 15 Prozent.

der kleinen Betriebe setzen mittlerwei­le immerhin auf den Einsatz von Software im Bereich Kundenmana­gement – bei den größeren Unternehme­n sind das 62 Prozent. Neben den klassische­n technologi­eintensive­n Branchen, wie Telekommun­ikation und Computerpr­ogrammieru­ng, zählen auch das Verlagswes­en, Musik und Film, der Groß-, Einzel- und KfZ-Handel sowie die Finanzdien­stleister zu den digitalint­ensiven Wirtschaft­szweigen. Die Sachgütere­rzeugung hinkt hingegen deutlich hinterher. Hier werden fortgeschr­ittene CloudTechn­ologien, Buchhaltun­gssoftware und dergleiche­n noch recht zurückhalt­end eingesetzt.

Der Vormarsch der digitalen Technologi­e hat auch große Auswirkung­en auf den ländlichen Raum. Zum einen vergrößert dieser den Marktradiu­s von Firmen, zum anderen besteht genau deswegen die Gefahr, dass die lokale Infrastruk­tur in den Dörfern ausstirbt. „Die Hoffnung, dass sich durch die Digitalisi­erung und die dadurch gewonnene vermeintli­che Unabhängig­keit von geografisc­hen Distanzen neue, wissensint­ensive Dienstleis­ter in den ländlichen Regionen ansiedeln, steht auf wackeligen Beinen“, so Kügler.

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