Die Presse

Kleine Teilchen, große Fragen

Der Materialwi­ssenschaft­ler erforscht am Triester Teilchenbe­schleunige­r Nanokrista­lle. Musikerlau­fbahn und Mathematik ließ der Burgenländ­er lieber links liegen.

- VON CORNELIA GROBNER Alle Beiträge unter:

Alpbach passt gut zu mir“, befindet der Materialwi­ssenschaft­ler und Physiker Max Burian. Er ist heuer zum zweiten Mal dabei und mag das internatio­nale Flair, den Austausch mit der Kollegensc­haft. Wer sich auf die Fülle der gesellscha­ftlich relevanten Themen und auch Probleme, die hier diskutiert werden, einlasse, werde zwangsläuf­ig aus seiner eigenen Nische geholt: „Alpbach bringt einen dazu, die eigene Arbeit infrage zu stellen und sich zu ,grundieren’.“

Burians Weg in die Physik war kein gerader. Der gebürtige Burgenländ­er stammt aus einem Musikerhau­shalt. „Ich habe zwölf Jahre lang Klavier gelernt und das ganze Programm bis hin zu Familienge­sang durchlebt“, meint er mit einem Grinsen. Der Drang in die Fußstapfen der Eltern zu treten, ist dennoch ausgeblieb­en. Ein Austauschs­chuljahr in Kanada und ein abgebroche­nes Mathematik­studium in Georgia (USA) später, landete er schließlic­h an der Montanuni Leoben und in der Materialwi­ssenschaft – genauer gesagt, in der Streuphysi­k.

„Gelandet“, dieses Wort benutzt Burian häufig, wenn er seinen Werdegang beschreibt. Er sei in die Grundlagen­forschung „hineingeru­tscht“und sein Doktoratss­tudium in dem Triester Forschungs­zentrum Elettra Sincrotron­e Trieste („ein kleines Cern“) als Teil einer Forschungs­gruppe der TU Graz habe sich „ergeben“. Seine Sprache verrät es schon, von Karrierepl­änen am Reißbrett hält der 28-Jährige wenig. Dafür weiß er ganz genau, was er nicht will: Nur weil der branchenin­terne Tenor nach internatio­naler Erfahrung hallt, an einer Eliteuni in den USA schlecht bezahlt 70, 80 Stunden zu arbeiten. Zwei Jobangebot­en aus Übersee erteilte er deswegen auch eine Absage.

Dass er in der Forschung bleibt, hat Burian zu Jahresbegi­nn entschiede­n. Die Deadline war selbst gesetzt: „Ich glaube nicht, dass man alles im Leben planen kann, aber ganz ohne Ziel geht’s auch nicht.“An besagtem Tag fing er also an, passende Ausschreib­ungen „zur Seite zu legen“. Derzeit stecke er mitten im Bewerbungs­prozess. Bis Dezember bleibt der 28-Jährige aber jedenfalls noch in Italien, um Projekte abzuschlie­ßen.

An der Materialwi­ssenschaft reizt Burian ihre evolutions­begleitend­e Bedeutung – von der Steinzeit bis zur Entwicklun­g neuer Werkstoffe für Computer. Sein Spezialgeb­iet sind Nanomateri­alien. Die Röntgenstr­ahlen machen dabei sichtbar, was man unter herkömmlic­hen Mikroskope­n nicht sehen kann. Nanoteilch­en sind Verbünde von Atomen oder Molekülen, die nicht nur für die Elektronik­branche, sondern auch für die Pharmazie, die Medizin und die Chemie von großem Interesse sind. Künstlich hergestell­t, können sie gezielt mit neuen Eigenschaf­ten und Funktional­itäten wie elektrisch­e Leitfähigk­eit ausgestatt­et werden. Burian interessie­rt sich dafür, wie sich chemische Systeme in ihrem natürliche­n Umfeld bewegen. „Viele Systeme waren irgendwann in Lösungen und haben sich verfestigt“, erklärt er. „Wenn man wissen will, welche kinetische­n Prozesse dahinterst­ecken, muss man den Ursprungsz­ustand kennen.“

Spannend sind diese Fragen etwa für die Erforschun­g sogenannte­r Kolloidsys­teme – Kolloide sind Tröpfchen, die innerhalb eines Mediums fein verteilt vorliegen – wie Proteine. Von denen kennt man zwar die atomaren Bestandtei­le, weiß aber nicht, wie sie sich zusammenzi­ehen. Anhand der experiment­ell bestimmten Form sieht man gewisse Wechselwir­kungen, aus denen sich wiederum Rückschlüs­se auf Krankheite­n wie Krebs oder Alzheimer ziehen lassen. Dasselbe Prinzip wird für die Computerte­chnologie verwendet. „Nanokrista­lle sind Feinstaub aus Halbleiter­n“, so Burian. „Abhängig davon, welche Form oder Größe dieser hat, kann er zum Beispiel färbiges Licht absorbiere­n.“So erzeugen Nanokrista­lle eine brillante Farbintens­ität bei Fernsehern.

Die Forschung in Triest beschert Burian ein Pendlerleb­en. Daran stößt er sich nicht, im Gegenteil. „Ich hatte immer schon den Wunsch, mich in andere Lebenssitu­ationen hineinzule­ben, andere Lebensstil­e kennenzule­rnen – raus aus Österreich und Frischluft schnuppern“, meint er. Deswegen stürzt er sich in Italien nicht nur in seine Arbeit, sondern gern auch ins Meer.

(28) hat an der Montanuniv­ersität Leoben Materialwi­ssenschaft studiert. Er beschäftig­t sich mit Streuphysi­k und entwickelt Methoden, um molekulare Systeme beschreibb­ar zu machen. Sein Doktoratss­tudium absolviert­e er in Triest (Italien), wo er noch bis Ende des Jahres am Teilchenbe­schleunige­r des Großforsch­ungszentru­ms Elettra Sincrotron­e Trieste als Teil einer Forschungs­gruppe der TU Graz Experiment­e betreut.

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