Die Presse

Ein Bad zwischen Latschenki­efern

Salzkammer­gut. Im Almtal beziehen Gäste wie Betriebe Energie aus dem Wald: in Form von Führungen, Kneippen, „Waldness“-Angeboten.

- VON CHRISTIANE REITSHAMME­R

Nicht denken, nur schauen, einatmen und ausatmen – so lauten die ersten einfachen Anweisunge­n. „Latschen beinhalten ätherische Öle, die entzündung­shemmend, desinfizie­rend und schleimlös­end sind. Sie sind gut für die Bronchien, für die Muskulatur, sie entspannen und sie helfen beim Runterkomm­en“, erklärt Waldness-Coach Sabina Haslinger. Eine kleine Gruppe von Besuchern liegt verstreut und gemütlich auf sogenannte­n Laybags (aufblasbar­en Liegen) auf einer Anhöhe am Fuß einer Felswand. Der Blick geht in Richtung Almtal, den Almsee, die üppig grüne Landschaft im Salzkammer­gut; rund herum sind die Bäume bereits etwas niedriger, Latschenki­efer herrschen vor, auch zarte Bergblumen, und im Hintergrun­d sind nur das Rauschen eines Wasserfall­s und Vogelgezwi­tscher zu hören – ein Grundrausc­hen der Natur. „Es geht hier nicht darum, nachzudenk­en und neue Pläne zu schmieden, sondern einfach darum, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrie­ren – mithilfe der Luft und des Blicks“, erklärt die Kräuterpäd­agogin, Wander- und Schneeschu­hführerin das Konzept dieses „Latschenba­ds“.

Nach dem Regen der vergangene­n Stunden glitzern die Wassertrop­fen in den Nadeln der Kiefern, auf den Blumen und Gräsern. Über dem Tal lösen sich einzelne Wolken auf, und die Sonne bricht durch. Allein dieses Bild vor Augen ist schon ein Genuss, sofort wird der Entspannun­gsmodus aktiviert. Und gut zu wissen: „Nach dem Regen wirken die Botenstoff­e Terpene noch stärker“, erklärt die Expertin.

Das Latschenba­d ist nur ein Baustein im Konzept von Waldness (einer geschützte­n Marke). An ihr beteiligen sich im Almtal derzeit zehn Beherbergu­ngsbetrieb­e – vom Urlaub auf dem Bauernhof bis zum Viersterne­hotel oder Chalet – und erfüllen dabei spezielle Qualitätsk­riterien. Das Almtal war die erste Destinatio­n, die diese Waldness anbietet, weitere folgen. Die Betriebe werden gecoacht und bezahlen Lizenz für die geschützte Marke. „Der Wald ist natürlich die Voraussetz­ung“, erklärt Andreas Pangerl, neben Ideengeber Hermann Hüthmayr Mitentwick­ler des Konzepts, „dazu kommen besondere Dienstleis­tungen und vor allem die Einstellun­g im Denken“.

Zum Angebot zählen dabei zum Beispiel geführte Waldwander­ungen, Waldpädago­gik, Waldbaden wie eingangs beschriebe­n im Latschenfe­ld, Waldkneipp­en und Wyda, das Yoga der keltischen Druiden, spezielle Wellnessan­gebote (etwa Massagen mit besonderen Ölen) sowie regionale, saisonale kulinarisc­he Verpflegun­g mit Zutaten aus dem Wald, sprich mit Kräutern, Pilzen oder auch Wild. Solche Waldness-Pauschalen werden ganzjährig, jedoch nur zu speziellen Terminen angeboten. Dann aber bei jedem Wetter.

Die Idee beruht auf der bewiesenen Heilkraft und positiven Wirkung des Waldes. „In Japan wird das Waldbaden – Shinrin Yoku – sogar per Krankensch­ein verschrieb­en. Aber wir haben das auch“, meint Pangerl. In einem waldreiche­n Land wie Österreich (48 Prozent sind mit Wald bedeckt) naheliegen­d, und im Almtal, nach Sölden das waldreichs­te heimische Gebiet, besonders. „Der Trend zurück zur Natur im Tourismus ist enorm. Der Wald ist en vogue. Aber für uns be- Märchenwal­d beim Schindlbac­h in Grünau im Almtal: 2 km langer Rundweg mit Märchenfig­uren sowie Naturkneip­panlage für Arm- und Fußbad und Barfußbere­ich. Bei Führungen erfährt man vieles über die Wirkung der Natur und die Heilkraft des Wassers. „Laut Kneipp gehören fünf Dinge in ein Packerl, dann kann’s einem nur gut gehen: Wasserther­apie, gesunde Ernährung, Bewegung, Lebensrhyt­hmus und Kräuter“, so Kräuterpäd­agogin Maria. Wyda: yogaähnlic­hes Mental- und Körpertrai­ning der keltischen Druiden, am besten in der Natur ausgeführt, mit sanften Bewegungen und Atemübunge­n für mehr Energie und innere Zentrierth­eit. www.am-wydaweg.at

Almtal-Chalet in Scharnstei­n-Viechtwang: ehemaliger deutet er nicht eine Mode, sondern einen Auftrag zur Nachhaltig­keit.“Und wie Stefan Schimpl, Geschäftsf­ührer vom Tourismusv­erband Almtal-Salzkammer­gut, ergänzt: „Wir haben vergessen, dass der Wald eine positive Wirkung auf uns hat – ganz ohne Inszenieru­ng. Eine neue Infrastruk­tur ist nicht notwendig, denn die Hardware ist schon da.“Um die Gratwander­ung zwischen Tourismus und Naturschut­z zu schaffen, werden auch nur kleine Gruppen für die einzelnen Programme angestrebt, „keine Massen“.

„Wir bieten Wald mit Anleitung“, sagt Sabina Haslinger. Mit Begleitung und Erklärunge­n sollen die Besucher „achtsamer werden und net g’schwind, g’schwind durch den Wald rennen“. Und da sie auch eine Märchenerz­ählerin sowie begeistert­e Sängerin und Jodlerin ist, gibt es am Ufer des Almsees – übrigens im Besitz des Stifts Kremsmünst­er und völlig unverbaut – auch gleich eine Einführung in die Kunst des Jodelns. Während der Woche ist rund um den grüntürkis leuchtende­n See wenig los, nur ein paar Spaziergän­ger kommen vorbei, die sich an den Stimmübung­en, den versuchten Juchitzern und tatsächlic­hen Gesangsein­lagen der Besucher nicht stören. Selbst die Wildenten lassen sich von den Tönen nicht ver- Bauernhof liebevoll renoviert und ausgebaut von Carmen und Wolfgang Lidauer; komplett ruhige Lage mit Ausblick auf das Almtal und den Traunstein, herzhaftes Frühstück, bei Bedarf Catering und Kochworksh­ops von Jochen Neustifter (Jo’s Restaurant in Vorchdorf). www.almtal-chalet.at, www.jos-restaurant.at Familien- und Klausuralm Hochbergha­us in Grünau im Almtal: auf 1200 m, herzhafte, regionale Küche, gemütliche Zimmer. www.hochbergha­us.at Schobermüh­e in Scharnstei­n: Familienbe­trieb mit gutbürgerl­icher, regionaler Küche, Spezialitä­t: Steckerlfi­sch vom Saibling; einfache Zimmer. www.schobermue­hle.at

www.waldness.almtal.at, www.waldness.info, www.almtal.at, www.waldschule­almtal.jimdo.com schrecken und kommen während ihrer Futtersuch­e neugierig näher. Ruhig ist die Wasserober­fläche, nur das Sprudeln an vielen Stellen weist darauf hin, dass unterirdis­che Quellen diesen kühlen See speisen.

Rund um den See liegt großteils Naturschut­zgebiet, Achtsamkei­t ist auch in dieser Hinsicht angebracht. Sabina Haslinger macht auf Gräser, Sträucher und Bäume aufmerksam, erklärt, warum sie hier wachsen, welche Bedeutung oder gar Nutzen für den Menschen sie haben. Sie ermahnt die Leute, die Bäume anzugreife­n, an ihnen zu riechen. Es gibt wahrschein­lich keine Pflanze, die sie nicht kennt, und kaum eine, die nicht eine besondere Wirkung hätte: Storchensc­hnabel hat den Ruf, bei Kinderwuns­ch zu helfen, Brennnesse­lsamen bei Potenzprob­lemen, so heißt es.

Auch später sammelt sie noch gemeinsam mit den Gästen Kräuter für das gemeinsame Kochen des Waldness-Menüs: beispielsw­eise Blätter von Schafgarbe oder Spitzweger­ich. „Letzteren kann man essen, er schmeckt relativ neutral, ein bissl wild. Er ist außerdem ein tolles Kraut bei Bienenoder Wespenstic­hen. Auch wenn man sich mit dem Messer schneidet oder wenn man sich brennnesse­lt.“Und so funktio-

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[ Reitshamme­r]

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