Der nicht mehr so freie Uni-Zugang
Jus und sechs weitere Studienrichtungen werden an der Uni Wien beschränkt. Im Zuge der neuen Uni-Finanzierung werden österreichweit weitere Schranken folgen. Damit setzt sich ein Trend fort.
In einigen Fächern war es dieser Tage das letzte Mal, dass Studenten ohne Aufnahmetest in den Hörsaal gelangten. 2019 bringt nämlich neue Zugangsbeschränkungen. Und an der Uni Wien ist nun auch schon fix, für welche Fächer: Die größte Universität des Landes, die als eine der ersten Hochschulen die Budgetverhandlungen mit dem Wissenschaftsministerium abgeschlossen hat, wird unter anderem bei Jus neue Schranken einziehen – und außerdem in sechs weiteren Studienrichtungen. Damit setzt sich der Trend zu immer mehr Zugangshürden an den Unis fort – jeder dritte Studienanfänger musste zuletzt schon durch ein Aufnahmeverfahren.
Neu beschränkt
Dass Jus, das österreichweit meistinskribierte Studium, an der Uni Wien beschränkt wird, war schon angekündigt. Außerdem wird der Zugang zu Politikwissenschaft, Soziologie, Kultur- und Sozialanthropologie, Anglistik, Translationswissenschaften und Chemie beschränkt. Erziehungswissenschaften könnten 2020 dazu kommen, Sprachen wie Romanistik sind unter Beobachtung. In Jus wird es nun knapp 2000 Plätze geben – zuletzt in- skribierten rund 2500 Neulinge. Laut dem Rektorat (siehe Seite 11) ist das aber keine radikale Kürzung: Man orientiere sich an der Zahl der Studenten, die bisher im ersten Jahr zumindest eine positive Prüfung absolviert haben. In Chemie wird wegen der Laborkapazitäten stärker reduziert: Es wird rund 250 Plätze geben – zuletzt fingen 700 an. Möglich sind die neuen Schranken wegen der im Jänner fixierten Studienplatzfinanzierung, die – auch mittels zusätzlichem Personal – bessere Betreuung bringen soll. Jus, Fremdsprachen und Erziehungswissenschaften können demnach österreichweit beschränkt werden – unispezifisch auch andere überlaufene Fächer. Auch an anderen Unis sind daher weitere Beschränkungen zu erwarten – etwa Wirtschaftsrecht an der WU. Am Aufnahmeverfahren wird an der Uni Wien gefeilt, vermutlich wird es Selbsttest und Test.
Länger beschränkt
Vor fünf Jahren wurden fünf Studienfelder beschränkt: Architektur, Biologie, Informatik, Wirtschaft und Pharmazie. Hier gibt es eine österreichweite Zahl an Plätzen, die auf die Unis aufgeteilt wurde. Die Aufnahmeverfahren sind zweistufig – in der Regel Motivationsschreiben oder Selbsttest und ein Test. Bei der Platzzahl könnte sich etwas tun – die Uni Wien etwa bietet mehr Informatik an. In anderen Fächern – etwa Wirtschaft – klagten die Unis stets über zu hohe Platzzahlen.
Nach EU-Urteil
Ein Teil der aktuellen Beschränkungen – wie die in Medizin – gilt seit mehr als zehn Jahren, ausgelöst durch ein EuGH-Urteil 2005, das die Uni-Tore für deutsche Numerus-ClaususFlüchtlinge öffnete. In Wien, Graz, Innsbruck und Linz gibt es in Medizin 1620 Plätze, zuletzt traten acht Mal so viele zum Aufnahmetest an. In Humanmedizin sind drei Viertel der Plätze für Österreicher reserviert, in Zahnmedizin galt diese Quote heuer zum letzten Mal. In der Veterinärmedizin – wo neben dem Aufnahmetest auch das Zeugnis eine Rolle spielt – gibt es ebenfalls aus diesem Grund Beschränkungen, in der Psychologie detto. Die Publizistik ist seit 2010 mittels des sogenannten Notfallsparagrafen beschränkt.
Eignungstests
Eignungsprüfungen gibt es für Kunst und Sport. Zumindest offiziell gibt es keine Platzbeschränkungen – alle, die laut Aufnahmeverfahren geeignet sind, müssen aufgenommen werden. Seit 2014 gibt es einen Eignungstest für angehende Lehrer, wer durchfällt, muss aber lediglich zum Gespräch.
Auch für Fächer, die unbeschränkt bleiben, kann sich übrigens etwas ändern: Die Unis können dafür Selbsttests und Motivationsschreiben verlangen. An der Uni Wien wird es ersteres – allerdings nur freiwillig.
Die Presse: An der Uni Wien wird es ab kommendem Jahr in Jus, Anglistik, Übersetzen, Sozialwissenschaften und Chemie neue Zugangsbeschränkungen geben
(siehe Seite 1). Sie sagen aber, dass die Zahl der Studienanfänger nicht radikal reduziert wird. Wie sehr wird sich dann das Betreuungsverhältnis verbessern? Heinz Engl: Es wird sich verbessern, weil sich die Studienanfänger vorab mehr mit dem Fach beschäftigen. In der Psychologie hat sich gezeigt, dass die Prüfungsaktivität und die Erfolgsquoten massiv gestiegen sind. Und es wird in Professuren investiert – insgesamt 80, davon elf in den Sozialwissenschaften, drei bis vier in Jus.
Haben Sie sich bei den Zugangsbeschränkungen mit den anderen Unis abgestimmt? Dort, wo wir gleiche Fächer haben, haben wir das immer schon gemacht. Chemie dagegen ist eine Sache für uns, so wie auch die Sozialwissenschaften. In Linz werden sie diese nicht beschränken, da gibt es genug freie Plätze.
Zuletzt meinten Sie, Studierende könnten in andere Städte gehen. Ein Problem könnte dadurch gelöst werden, dass man einen österreichweiten Überblick über freie Studienplätze einführt. Die Plätze sollen dabei nicht zentral vergeben werden, wie in Deutschland. Aber jeder kann in Österreich etwa Informatik studieren – nur vielleicht nicht in Wien, sondern in Linz, Klagenfurt oder Graz.
Die Uni Wien hat als eine der ersten Universitäten die Budgetverhandlungen für die nächsten drei Jahre abgeschlossen. Zufrieden? Ja, weil wir jetzt wirklich sehr gute Möglichkeiten haben. Wir haben für diese drei Jahre ein Budget von rund 1,4 Milliarden Euro, eine Budgetsteigerung um 17 Prozent, das sind plus 207 Millionen Euro. Davon sind mindestens 120 Millionen Euro Geld für Neues.
Was machen Sie damit? Wir investieren gezielt in neue Professuren, teils eben in besonders stark belasteten Fächern, aber auch in neuen Gebieten: in Querverbindungen zwischen Fakultäten, Gebieten, die mit Digitalisierung zu tun haben. Wir investieren natürlich auch in Felder, in denen wir ohnehin schon sehr stark sind, zum Beispiel in Quanten, Biologie, aber auch Kommunikation. Es wird oft gejammert, dass die heimischen Unis bei Berufungen nicht konkurrenzfähig seien. Wenn wir mit der ETH Zürich konkurrieren, verlieren wir natürlich manchmal, manchmal gewinnen wir. Geräte sind natürlich ein Thema. Aber wir können gute Berufungen durchführen. Und Berufungen aus England funktionieren derzeit gut, auch wegen des Brexit.
Ex-WU-Rektor Christoph Badelt meinte zuletzt, man müsse sich auch die Frage der Effizienz stellen. Sind Sie effizient genug? In jedem Bereich kann man effizienter werden. Die Frage ist aber: Was ist Effizienz an einer Universität? Rein wirtschaftlich gesehen ist es vielleicht nicht besonders effizient, Fächer mit wenigen Studierenden zu haben. Andererseits ist das kulturell und bildungspolitisch für Österreich wichtig.
Gelingt Ihnen dieser Spagat zwischen Effizienz und Kulturgut? Uns gelingt das besser als in Amerika. Dort hat der Fokus auf finanzielle Effizienz zu einer Ausdünnung der Geisteswissenschaften geführt. Wir liegen hier hervorragend, auch in Rankings. Würde man Fächer nur nach Output je investiertem Euro betrachten, müssten wir einige vielleicht einstellen. Aber wir können uns das leisten, und es gehört zum Profil dazu.
Apropos Rankings: Wird die Uni Wien in den nächsten drei Jah- ren in den Ranglisten einen Sprung nach vorn machen? Vielleicht erst in fünf Jahren. Denn die Betreuungsverhältnisse werden sich nach und nach verbessern – aber so groß sind die Sprünge wieder nicht. Zudem ist das Ranking ganzer Unis eigentlich nicht so wichtig wie das einzelner Fächer.
Ist der Blick der Öffentlichkeit da nicht ganz fair? Meist heißt es nur, die heimischen Universitäten seien unter „ferner liefen“. Vielleicht ist er nicht differenziert genug. Wir sind bei den Geisteswissenschaften unter den Top 50 der Welt, in der Mathematik unter den Top 40, in der Linguistik unter den Top 30. Wir haben eine exzellente Quantenphysik und Molekularbiologie. Wenn man auf die Fächer schaut, dann sind unsere Leute schon sehr gut.
Denken Sie beim Budget schon an Jahre nach 2022? Das müssen wir ja, wenn wir beim Personal jetzt so massiv ausbauen.
Was sollte die Regierung im UniBereich als Nächstes angehen? Studiengebühren ist nicht etwas, was wir forcieren. Und wir hören derzeit auch nicht, dass das auf dem Programm steht. Ein Thema ist die Forschungsfinanzierung. Man hat in die Unis kräftig investiert. Jetzt muss in die Forschungsseite investiert werden. Da sind wir noch deutlich im Hintertreffen.