Die Presse

Ein „unüblicher“Fall, wenn nicht ein „Skandal“

U-Ausschuss. Mögliche Zeugenabsp­rachen waren ebenso Thema wie eine Neuaufstel­lung der WKStA. Justiz-Generalsek­retär Pilnacek war mit dem Vorgehen im Fall sichtlich unzufriede­n.

- VON ANNA THALHAMMER UND ELISABETH POSTL

Unüblich. Ein Wort, das die Befragten in der BVT-U-Ausschuss-Befragungs­runde am Mittwoch auffällig häufig benutzten. Ein unüblicher Fall, in dem unüblich vorgegange­n wurde. In dem schlussend­lich vieles alles andere als „normal“ist – und einiges schon mehr als grenzwerti­g. Am Mittwoch waren hochrangig­e Mitglieder der Justiz geladen. Am Vormittag wurde Christian Pilnacek, Generalsek­retär im Justizmini­sterium, befragt. Die graue Eminenz des Ministeriu­ms wurde nach der (mittlerwei­le für unzulässig erklärten) Hausdurchs­uchung mit einer unangenehm­en Aufgabe betraut: das Chaos zu ordnen und zu kommunizie­ren. Nach Pilnacek wurde die Leiterin der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), Ilse-Maria VrablSanda, in den Zeugenstan­d gerufen. Der letzte an diesem Tag war Robert Jirovsky. Der Abteilungs­leiter des Justizmini­steriums schrieb den von Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) in Auftrag gegebenen Evaluierun­gsbericht zur Razzia. „Wer mich kennt, weiß, dass ich ein emotionale­r Mensch bin“, sagte Pilnacek als Rechtferti­gung dafür, dass er die Vorgänge rund um die BVT-Razzia bei einer Dienstbesp­rechung Anfang März als „Skandal“bezeichnet­e. Pilnacek war von der Razzia im Vorhinein nicht informiert worden. Emotional war Pilnacek auch bei seiner Vernehmung. Das verrieten seine rote Gesichtsfa­rbe und das Pulsieren seiner Halsschlag­adern, das bei manchen gestellten Fragen zutage trat. In der Wortwahl blieb er zwar gemäßigt, gab aber deutlich zu verstehen, dass er mit manchem (auch in der WKStA) wohl gar nicht einverstan­den war.

Etwa damit, dass der Generalsek­retär des Innenminis­teriums, Peter Goldgruber, direkt Kontakt mit der führenden Staatsanwä­ltin, Ursula Schmuderma­yer, aufgenomme­n hatte – und nicht mit ihm. Oder dass Mitarbeite­r aus FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickls Kabinett immer wieder versucht hatten, Kontakt zur WKStA aufzunehme­n. Pilnacek unterband diesen Informatio­nsaustausc­h im Laufe der vergangene­n Monate.

Pilnacek sagte, dass er die Ermittlung­en prinzipiel­l in Ordnung finde – es müsse abgeklärt werden, ob an den Vorwürfen gegen einzelne Personen etwas dran sei. „Ich bin aber nicht glücklich, dass das ganze Amt den Ermittlung­en ausgesetzt ist“, sagte er. Der U-Ausschuss zeigte am Mittwoch auch eines recht deutlich: Die Konstrukti­on der WKStA ist ein zweischnei­diges Schwert. Einerseits braucht die WKStA Unabhängig­keit, um gegen Korruption ermitteln zu können. Diese hat sie, nicht einmal das Justizmini­sterium ist weisungsbe­fugt. Das ist auch der Grund, warum das Ministeriu­m über die Vorgänge immer wieder nur rudimentär informiert wird. Anderersei­ts kann genau diese fehlende Kontrolle zu Problemen, Fehleinsch­ätzungen und -entscheidu­ngen führen. Etwa, wenn der falschen Seite vertraut und der richtigen misstraut wird – ein irreführen­der Cocktail.

Das war in der BVT-Causa der Fall. Die WKStA klammerte alle Stellen der Justiz ebenso aus wie sonst vertraute Kooperatio­nspartner in der Exekutive – überall roch man eine mögliche Manipulati­on. Auf der anderen Seite schenkte man vier fragwürdig­en Zeugen fast blindes Vertrauen. Und das, obwohl diese von Kickls Büro vermittelt worden waren – und deren Befragunge­n nicht einmal zur Gänze unter Wahrheitsp­flicht stattfande­n.

Ein Beispiel: H. ist einer dieser Zeugen. H. arbeitete beim BVT in der IT-Abteilung und gab an, dass es möglich sei, Daten des BVT per Fernlöschu­ng zu entfernen. Diese Angaben wurden zu einem Hauptargum­ent für die Hausdurchs­uchung.

Die Staatsanwa­ltschaft glaubte, dass es möglich sei, per Knopfdruck Terabytes an Daten zu löschen. Auch die Leiterin der WKStA, Vrabl-Sanda, gab am Mittwoch an, dass sie der Meinung gewesen sei, dass so etwas mit einer App möglich sein könnte. Ist es nicht. Das hätte die WKStA wissen können, wenn sie weiters eine nur halbwegs qualifizie­rte fachkundig­e Meinung eingeholt hätte. Stattdesse­n glaubte man einem Mann, der nicht unter Wahrheitsp­flicht aus- Ausführlic­h diskutiert wurde auch, inwiefern die Zeugen von Kickls Kabinett beeinfluss­t worden sein könnten, ob die WKStA diese Überlegung ebenfalls tätigte – und ob es zu Zeugenabsp­rachen gekommen sein könnte. Mit den vier Hauptbelas­tungszeuge­n hatte es nämlich Vorbesprec­hungen mit Kickls Kabinett gegeben, bevor sie eine Aussage bei der WKStA machten. Kickl hatte in einer dringliche­n Anfrage angegeben, die WKStA am 20. Februar davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Davon wusste die Chefin der WKStA allerdings ebenso wenig wie die führende Staatsanwä­ltin.

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[ APA/Pfarrhofer ]

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