Rätsel um Verbleib eines Königskritikers
Der Saudi Khashoggi ist in Istanbul verschollen.
Die Beamten im saudischen Konsulat in Istanbul wiesen ihren Besucher an, in zehn Tagen wiederzukommen, dann seien die Heiratspapiere fertig. Doch als der bekannte saudische Journalist und Dissident Jamal Khashoggi am Dienstagmittag zurückkehrte, schlossen sich hinter ihm die Tore. Seitdem ist er verschwunden. Seine türkische Verlobte alarmierte Freunde und Medienkollegen.
Wie sie berichtete, kam bei Einbruch der Dunkelheit ein Mitarbeiter des Konsulats zu ihr und erklärte, sie solle nach Hause gehen. Die türkische Seite sagt: Khashoggi befinde sich nach wie vor im Konsulat. Riad blockt jedoch ab: Khashoggi habe noch am selben Tag das Konsulat verlassen, sagte ein Beamter der Agentur Reuters. Gleichzeitig aber meldete die saudische Nachrichtenagentur, ein Staatsbürger sei mit Interpol-Haftbefehl festgenommen und in das Königreich deportiert worden, weil er ungedeckte Schecks ausgestellt habe. Sollte sich diese Meldung auf Khashoggi beziehen, wäre das der erste Fall, bei dem Riad einen Kritiker mit Gewalt auf sein Staatsgebiet zurückholt.
Seinen Angehörigen zufolge ist Khashoggi nicht mehr aufgetaucht. Sie befürchten, dass er im Konsulat verhört und misshandelt wird.
Khashoggi gehört zu den bekanntesten Publizisten Saudiarabiens, der immer wieder aneckte, aber nicht persönlich bedroht wurde. Das hat sich mit dem kometenhaften Aufstieg von Kronprinz Mohammed bin Salman geändert. Vor einem Jahr ging Khashoggi ins Exil in die USA – „wegen der erstickenden Atmosphäre daheim“. Zuhause mit Schreib- und Twitterverbot belegt, kritisierte der 59-Jährige fortan in Interviews und Kolumnen für die „Washington Post“den politischen Kurs des Thronfolgers. (m.g.)