Der Absturz des Emmanuel Macron
Frankreich. Der Rücktritt von Innenminister Collomb offenbart die Autoritätskrise des Präsidenten. Zweifel an Strategie und Stil Macrons wachsen.
So steil wie Präsident Emmanuel Macron ist noch keiner in den Umfragen abgestürzt, nicht einmal sein Vorgänger, Francois¸ Hollande. Mehr als zwei Drittel der Befragten sind gegen ihn, weniger als 30 Prozent finden ihn als Präsidenten noch glaubwürdig. Natürlich sagt er selbst dazu, dass solche Umfragen in den Medien für ihn nicht mehr Bedeutung hätten als Schlechtwetterprognosen.
Vor dem Sommer, als Macron die Bilanz seines ersten Amtsjahrs ziehen konnte, sah es noch anders aus. Mit ihm hatte Paris wieder Gewicht in der internationalen Szene, in Frankreich paukte er gegen harten gewerkschaftlichen Widerstand eine Bahnreform durch, wie sie keiner seiner Vorgänger auch nur hätte vorzuschlagen gewagt. Für den Herbst kündigte er darum selbstbewusst die Fortsetzung seines liberalen Modernisierungsprogramms an.
Jetzt aber geht anscheinend gar nichts mehr in diesem verflixten Herbst. Macrons Selbstsicher- heit ist ins Wanken geraten. Reformvorhaben werden verschoben, nur auf Drängen seines Premierministers hielt der Präsident schließlich an der für Jänner 2019 geplanten Einführung der Quellenbesteuerung der Einkommen fest, obgleich er aufgrund von Softwarefehlern in der Testphase mit schweren Problemen und entsprechenden Protesten rechnen muss.
Eine Verfassungsreform dagegen ist auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Der Grund dafür ist der Wirbel um den von ihm zu lang protegierten und privilegierten Ex-Leibwächter Alexandre Benalla, dem von der Justiz unter an- derem Gewalt gegen Demonstranten und Amtsanmaßung angelastet wird. Diese Affäre hat Macron diskreditiert. Die Medien lassen ihm nichts durch, jeder verbale Patzer wird ausgeschlachtet.
Sein Hauptproblem aber ist es, dass die Resultate der Wirtschaftspolitik auf sich warten lassen. Das Wachstum bleibt hinter den optimistischen Prognosen zurück, die Arbeitslosigkeit verringert sich kaum und die Erwerbstätigen spüren nichts von einem Kaufkraftgewinn. Die Senioren dagegen wissen, dass sie mehr Steuern bezah- len müssen. In verschiedenen Wählerschichten macht sich Unmut breit. Das Misstrauen wächst selbst unter seinen Getreuen.
Nichts verdeutlicht diesen krassen Meinungsumschwung mehr als der Rücktritt seines Innenministers Gerard´ Collomb (71). Der ehemalige Sozialist und langjährige Bürgermeister von Lyon war so etwas wie Macrons väterlicher Mentor, er zählte zum engsten Kreis um den heutigen Staatschef. Als Innenminister, der nicht nur für die Sicherheit und den Kampf gegen den Terrorismus verantwortlich war, sondern auch für die Migrationsfrage, die Religionen
Natürlich waren die lokalpolitischen Ambitionen nicht Collombs einziges Motiv. Er hatte sich jüngst vor Journalisten über Macrons Distanziertheit beklagt und gesagt: „Nur noch ganz wenige von uns können mit ihm reden. Wenn aber alle vor ihm auf die Knie gehen, droht ihm die Isolierung.“Noch schwerwiegender war der Vorwurf, dem 2017 glanzvoll gewählten Präsidenten mangle es heute an „Demut“.
Vor Collomb hatte bereits eine andere Schlüsselfigur der Regierung aus unverhohlener Enttäuschung das Handtuch geworfen: Umweltminister Nicolas Hulot. Der Zauber der ersten Tage nach der Wahl ist weg. Die Europawahlen im Mai 2019, bei denen Macron als Anführer der „Fortschrittlichen“die Nationalisten und Populisten besiegen wollte, könnten sich in Frankreich in ein Plebiszit gegen ihn verwandeln.