„Die Leute werden uns aus der Hand gerissen“
Industrie. Der kanadische Flugzeug- und Zughersteller Bombardier kehrte heuer nach verlustreichen Jahren in die Gewinnzone zurück. Am Wiener Standort werden Facharbeiter, die aktuell nicht gebraucht werden, zeitweise verliehen.
Es war kein Weg ohne Stolpersteine. Nachdem Bombardier 2016 den Zuschlag der ÖBB für bis zu 300 neue Schnellbahnen erhalten hatte, legte die unterlegene Konkurrenz Einspruch ein. Bei einem Auftragsvolumen von 1,8 Milliarden Euro irgendwie verständlich – aber der Einspruch der schweizerischen Stadler Rail wurde abgewiesen, und die ersten Züge namens Talent 3 gehen Mitte 2019 in Vorarlberg auf Schiene. Solche Einsprüche kosten Zeit und Geld – am Ende hätte die Sache aber auch
ihr Gutes gehabt, sagt Christian Diewald, Chef von Bombardier Österreich: „Man bekommt dadurch viel Aufmerksamkeit. Wir sind jetzt als Arbeitgeber viel bekannter.“
Und Bekanntheit ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine harte Währung. Im Bombardier-Werk in Wien Donaustadt habe man allein voriges Jahr 52 Ingenieure eingestellt, heuer schon 38, und gesucht werden noch einmal 40. Fast ausschließlich für hoch qualifizierte Jobs. „Aktuell stellen wir hauptsächlich TU-Absolventen ein“, sagt Diewald. Im Wiener Werk, dem internationalen Kompetenzzentrum für Straßen- und Stadtbahnen, arbeiten derzeit 550 Beschäftigte. Den allseits beklagten Fachkräftemangel spüre man aktuell nicht, die Auslastung des Werkes sei wegen Modernisierung teilweise heruntergefahren. Aber es stehen einige Aufträge an, die abgearbeitet werden wollen: Die neuen FlexityStraßenbahnen für Wien, die im Oktober in Betrieb gehen, werden laufend ausgeliefert. Wie auch der neue Nahverkehrszug Talent 3, den die ÖBB für den Betrieb in Vorarlberg bestellt haben.
Um Facharbeiter, die in der Zwischenzeit nicht gebraucht werden, zu halten, fährt Bombardier einen durchaus kreativen Ansatz: „Wir verleihen momentan Mitarbeiter.“Nachsatz: „Sie werden uns regelrecht aus der Hand gerissen.“Das sei für beide Seiten gut: „Sie kommen mal raus, sehen etwas anderes, und wir können sie bei Laune halten, bis wieder mehr auf sie zukommt“, sagt Diewald.
Beim kanadischen Industriekonzern Bombardier, der Standorte in 28 Ländern weltweit hat, ist gerade einiges im Umbruch. Es gab Probleme im Flugzeuggeschäft – Bombardier verhob sich bei der Entwicklung eines neuen Jets –, gepaart mit einer schwächelnden Auftragslage. Nach Jahren in den roten Zahlen kehrte Bombardier heuer dank seiner Zugsparte in die Gewinnzone zurück. Für das zweite Quartal meldete Bombardier 70 Mio. Dollar (60 Mio. Euro) Net- togewinn, nach 243 Mio. Dollar Verlust ein Jahr davor. Aber der Sanierungskurs, der im Krisenjahr 2015 eingeschlagen wurde, bleibt aufrecht: Weltweit sollen 7500 Stellen gestrichen werden, rund zehn Prozent aller Jobs. Allein in Deutschland fällt ein Viertel der 8500 Arbeitsplätze weg.
Bombardier hat nach eigenen Angaben einen Anteil am globalen Straßenbahngeschäft von 15 Prozent, in den nächsten Jahren sollen es 20 werden. In Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt der Marktanteil bei 50 Prozent. „Jede Straßenbahn aus dem Haus Bombardier, von Toronto bis Sydney, wurde in Wien entwickelt“, sagt Diewald. Gebaut werden sie in Wien und in Deutschland.
Durchaus mit Sorge blickt der Manager auf die angespannte Stimmung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern, die sich rund um das soeben in Kraft getretene Arbeitszeitgesetz hochgeschaukelt hat. Die Gewerkschaft ist verärgert, weil sie bei der Regierung kein Gehör findet. Und auch bei der laufenden Herbstlohnrunde herrscht ein rauer Ton. Gestern, Mittwoch, drohten die Arbeitnehmervertreter mit „gewerkschaftli- chen Maßnahmen“. Es sei ein großer Vorzug Österreichs, dass so wenig gestreikt werde, sagt Diewald. „Wenn sich das ändert, wäre das sehr schlecht für Österreich.“
Auf dem Weltmarkt der Zugproduzenten ist Bombardier die Nummer drei, nach dem Erzrivalen Siemens, der durch die Fusion mit Alstom zur Nummer zwei aufgestiegen ist. Auf dem ersten Platz liegt mit großem Abstand der chinesische Konzern CRRC mit über 160.000 Beschäftigten. Er setzt fast doppelt so viel wie Siemens/Alstom um.
Auch in Österreich sind Bombardier und Siemens seit jeher Konkurrenten. Die jüngste Großausschreibung entschieden die Deutschen für sich: Die ÖBB kaufen 700 Reisezugwagen im Wert von 1,5 Mrd. Euro. Grund zur Freude ist das für den Bombardier-Chef natürlich keiner. Die Schnellbahnen für die ÖBB schon – und freilich auch die Straßenbahnen für Wien: „Wir werden jeden Monat neue Fahrzeuge ausliefern und damit das Stadtbild verändern.“
mit Sitz im kanadischen Montreal´ hat Produktions- und Entwicklungsstandorte in 28 Ländern und beschäftigt weltweit 69.500 Mitarbeiter. Im Jahr 2017 schrieb der Konzern einen Umsatz von 16,2 Milliarden Dollar (14 Mrd. Euro). Unter dem Strich blieb ein bereinigter Nettoverlust von 63 Millionen Dollar.