Die Finanzpolizei soll Sozial-, Steuerbetrug und Verstöße gegen das Arbeitsrecht ahnden. Dabei scheint sie allerdings teilweise allzu ambitioniert vorzugehen. Ein Beispiel.
VwGH.
Die Finanzpolizei ist für vieles zuständig, auch dafür, Verstöße im Zusammenhang mit nationaler und internationaler Arbeitskräfteüberlassung aufzudecken. Dass sie dabei manchmal übers Ziel schießt, keine Kosten scheut und das Geld des Steuerzahlers allzu leichtfertig auszugeben scheint, zeigt folgender Fall.
Ein in Polen ansässiges Unternehmen erbringt europaweit Inventurdienstleistungen. Dafür bringt es polnische Mitarbeiter zu den jeweiligen Kunden. So geschah es auch im Herbst 2016. Während die polnischen Mitarbeiter in diversen Fachmärkten in Österreich tätig waren, erfolgten dort Kontrollen der Finanzpolizei. Dabei überprüfte sie unter anderem die Meldepflichten. Erbringen nämlich EU-Ausländer gewerbliche Dienstleistungen in Österreich, kann das im Wege einer Entsendung oder einer Arbeitskräfteüberlassung geschehen. In beiden Fällen muss zuvor eine Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle erstattet werden. Verabsäumt das ausländische Unternehmen die korrekte Meldung, begeht es einen Verwaltungsstraftatbestand.
Das polnische Unternehmen legte bei der Kontrolle die Meldungen vor. Das reichte der Finanzpolizei nicht: „Unter Androhung einer Strafe forderten die Beamten die Herausgabe der vollständigen Mitarbeiterliste, aus der ersichtlich war, dass unsere Klientin an rund 40 Standorten in Österreich Inventurleistungen erbringt, und zwar mithilfe von etwa 50 bis 70 Personen“, sagt Rechtsanwalt Mark Tuttinger. Er vertritt das polnische Unternehmen. Was dann passierte, wunderte ihn noch mehr: „Ohne Überprüfung vor Ort durchgeführt zu haben, erstattete die Finanzpolizei für alle 40 Standorte gleichlautende Anzeigen, mit der Behauptung, es läge überall ein Verstoß gegen die Meldepflichten vor“, so Tuttinger. Nach Auffassung der Finanzpolizei handle es sich in allen Fällen um keine Entsendung, sondern um eine Arbeitskräfteüberlassung. Deshalb hätte das polnische Unternehmen nicht das Formular ZKO3, sondern das Formular ZKO4 ausfüllen sollen.
Seit gut zwei Jahren laufen deshalb nun gut 40 Verwaltungsstrafverfahren, die jeweils exakt denselben Vorwurf beinhalten. Wortgleich sind auch die Schriftsätze, die von der Finanzpolizei bei diversen Bezirkshauptmannschaften (BH) eingebracht wurden.
Als Erstes entschied die BH Feldkirchen und verurteilte das polnische Unternehmen. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Kärnten, an das sich Tuttingers Klientin wandte, hob den Strafbescheid der BH jedoch auf und bestätigte, dass keine Arbeitskräfteüberlassung, sondern bloß eine Entsendung vorliege. Daraufhin erhob die Finanzpolizei eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Diese ließ der VwGH jedoch nicht zu. Der Finanzpolizei ist es nämlich nicht gelungen darzulegen, dass die Revision von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt. Gleichzeitig mit der Zurückweisung bestätigte der VwGH, dass die rechtliche Würdigung des LVwG Kärnten nicht zu bemängeln und den Argumenten der Finanzpolizei nicht zu folgen sei (RA 2018/11/0053).
Was tat sich aber in der Zwischenzeit bei den Verfahren vor anderen BH österreichweit? Und welche Auswirkung hatte die höchstgerichtliche Entscheidung auf deren Verlauf? Einige Verfahren laufen noch, andere wurden von den BH bereits eingestellt. Zu einer Verurteilung kam es nicht. Tuttinger: „Unverständlich ist, dass die Finanzpolizei gegen sämtliche Einstellungen gleichlautende Beschwerden eingebracht hat, obwohl es bereits zum identen Sachverhalt eine Entscheidung des VwGH gibt. Überdies besteht sie auf mündliche Verhandlungen vor den Landesverwaltungsgerichten.“All das brächte hohe Kosten für den Steuerzahler mit sich und binde bei Gericht unnötig Ressourcen – ohne ersichtlichen Mehrwert.
Wie sieht die Finanzpolizei den beschriebenen Fall? Sie dürfe zu konkreten Fällen nichts sagen. Aber sie „nehme selbstverständlich inhaltliche höchstgerichtliche Entscheidungen zur Kenntnis und berücksichtigt sie für nachfolgende Verfahrensschritte und gleich gelagerte Verfahren“, sagt der Sprecher der Finanzpolizei zur „Presse“. „Soweit allerdings keine inhaltlichen Entscheidungen durch das Höchstgericht vorgenommen, sondern nur Entscheidungen der Verwaltungsgerichte formell bestätigt werden, bleibt auch weiterhin die Frage der Abgrenzung von Arbeitskräfteüberlassung und beauftragter Werkleistung ungeklärt.“
Im Interesse der Rechtssicherheit würden deshalb von der Finanzpolizei immer wieder höchstgerichtliche Verfahren angestrengt, um eine inhaltliche Klärung zu erzielen. Das erklärt für Anwalt Tuttinger allerdings das Vorgehen nicht: „Die von der Finanzpolizei gewünschte inhaltliche Klärung wurde durch das Erkenntnis des VwGH bereits herbeigeführt. Es ist äußert unwahrscheinlich, dass der VwGH bei einem identen Sachverhalt mit identer Rechtsfrage von seiner Rechtssprechungslinie abweichen wird. Angesichts dessen bleibt unklar, welchen anderen Verfahrensausgang sich die Finanzpolizei erwartet.“