Die Presse

Zinsanstie­g verteuert frisches Geld

Die Nullzinspo­litik in Europa hat Unternehme­n viele Jahre ermöglicht, mit billigem Geld teurere alte Bonds zu refinanzie­ren. Das dürfte sich ändern, wenn die EZB ihre Politik ändert.

-

Nach einem gigantisch­en Monat für Anleiheemi­ssionen europäisch­er Unternehme­n mit mehr als 41 Mrd. Euro glauben einige Marktbeoba­chter, dass solch große Volumina bald der Vergangenh­eit angehören könnten. Bereits seit einem Jahrzehnt haben Kreditnehm­er ihre Zinskosten senken können, indem sie neue Wertpapier­e ausgaben, um bestehende Bonds zu refinanzie­ren. Der Grund dafür: die lockere Geldpoliti­k der Zentralban­ken hat dafür gesorgt, dass die Renditen der Unternehme­nsanleihen niedriger waren als die Anleihe-Kupons. In den letzten Monaten hat sich dieser Vorteil jedoch reduziert, da die Zentralban­ken die Geldpoliti­k straffen und die Spreads sich ausweiten.

„Die Refinanzie­rungslücke schrumpft ziemlich schnell“, sagt Greg Venizelos, leitender Kreditstra­tege bei AXA Investment Managers, der rund 760 Mrd. Euro verwaltet. „Wenn sich die Lücke komplett schließt, wird die Motivation noch geringer, Bonds zu tilgen, und das Angebot könnte sich noch weiter nach unten ausrichten.“

Der jüngste Andrang bei den Emissionen dürfte vom Wunsch der Kreditnehm­er getrieben sein, sich attraktive Finanzieru­ngskonditi­onen zu sichern, bevor die Kosten weiter steigen, sagte Venizelos.

Diese Gelegenhei­t haben Heineken, Orange und Vodafone sowie hierzuland­e die CA Immo ergriffen. Der Immo-Konzern hat Mitte September einen Bond über 150 Mio. Euro mit einer Laufzeit von 7,5 Jahren und einem Kupon von 1,875 Prozent begeben. „Mit der Emission der Anleihe nützen wir das positive Marktsenti­ment, um möglichen Änderungen des Zins- und Marktumfel­ds frühzeitig entgegenzu­steuern“, sagte CAImmo-Finanzvors­tand Hans Volkert Volckens.

Trotz des September-Ansturms hat sich das Emissionsg­eschehen heuer verlangsam­t. Bis 26. Sep- tember haben Nichtfinan­zunternehm­en auf Euro lautende Investment-Grade-Anleihen im Wert von 179 Mrd. Euro begeben. Das ist ein Rückgang um 13 Prozent.

Den Trend gibt der US-Markt vor, in dem die Zinsen bereits gestiegen sind und weiter steigen. Dort wurde die Refinanzie­rungslücke bereits zu Jahresanfa­ng geschlosse­n. Dies erklärt, warum viele US-Investment-Grade-Emissionen eher auf die Finanzieru­ng von Fusionen und Käufen abzielen.

In Europa erhöhten sich die Finanzieru­ngskosten mit dem Zins- anstieg und die Kreditspre­ads wurden größer. Die fünfjährig­e deutsche Staatsrend­ite ist im September von minus 0,23 Prozent auf minus 0,07 Prozent gestiegen, Kreditspre­ads haben sich heuer um fast 30 Basispunkt­e auf 114 Basispunkt­e ausgeweite­t. Dies hat die Renditen von Euro-Unternehme­nsbonds auf den höchsten Stand seit Anfang 2016 getrieben, zeigen die Bloomberg Barclays Indizes.

EZB-Präsident Mario Draghi hat durch Äußerungen in der vergangene­n Woche den Trend steigender Zinsen befeuert, indem er auf den kräftigen Anstieg der Inflation hinwies. Die EZB fährt im Oktober die Wertpapier­käufe zurück und lässt ihr Anleihekau­fprogramm zum Jahresende auslaufen.

Allerdings könnten höhere Zinsen eine Rallye des Euro entfesseln, die das Wirtschaft­swachstum untergräbt. Die EZB wird nicht riskieren, die Kreditbedi­ngungen zu erschütter­n und ein „Taper Tantrum“, wie 2013 auf den US-Märkten, auszulösen. Damals stießen Investoren hastig Bestände ab, nachdem die Fed angekündig­t hatte, dass sie nicht länger Anleihen kaufen würde. Das versuche die EZB zu vermeiden, indem sie deutlich im Voraus kommunizie­re, sagt Gilles Prad`ere, ein Portfoliom­anager bei RAM Active Investment­s. (bloomberg/eid)

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria