Drohnenflug jenseits von Afrika
Akademietheater. Miloˇs Loli´c inszenierte mit einem exzellenten Quartett an Darstellern „Kampf des Negers und der Hunde“von Bernard-Marie Kolt`es verspielt und fast zu brav.
Bei der Premiere von „Kampf des Negers und der Hunde“gab es am Dienstag vor und im Akademietheater in Wien ein unangekündigtes Rahmenprogramm. Zwei Gruppen junger Demonstranten wollten sich nicht still damit abfinden, dass in dem Stück von Bernard-Marie Kolt`es (1948–1989), mit dem Patrice Che-´ reau vor 35 Jahren sein The´atreˆ des Amandiers eröffnet hat, heute noch immer das verpönte N-Wort vorkommt. „Combat de n`egre et de chiens“war aber auch damals schon politisch nicht mehr korrekt, der Titel war von dem Autor offenbar auch als Provokation in der Kolonialismuskritik gedacht.
In Wien standen drei Frauen mit einem großen Transparent wortlos auf der gegenüberliegenden Straßenseite: „Rassismus mit Rassismus bekämpfen?! We need to debate!!!“, lautete ihr Botschaft. Vor dem Akademietheater verteilte eine zweite Gruppe Flugzettel, die im Schriftbild dem des Burgtheater-Programms ähnelten. Statt „Burg“stand aber „Brug“darauf und „Burgtheater. Re:produktion von Rassismus“. Man fürchtete offenbar, dass dieser hier salonfähig sei.
Die Aktivisten ließen unmittelbar vor Beginn der Aufführung nach einer kurzen dialogischen Einlage („Ignoranz! Ignoranz!“, „Rassismus ist Gewalt“) diverse Flugzettel aufs Publikum im Parkett herabschweben. Das veranlasste den Schauspieler Ernest Allan Hausmann (er hat Wurzeln in Deutschland und Ghana, er spielt den einzigen Afrikaner im Stück), für ein kurzes Statement an die Rampe zu treten: „Jeder hat das Recht, seine Meinung zu sagen, aber wir haben auch das Recht, das Stück aufzuführen.“Das Vorspiel auf dem Theater wirkte arrangiert. Man ging höflich miteinander um, die Aufführung begann fast pünktlich. Auch sie war dezent und tat nicht weh. In der symbolbefrachteten Inszenierung von Milosˇ Lolic´ bemühte sich ein exzellentes Quartett von Darstellern darum, zu zeigen, dass jenseits des Skandalons um ein einziges Wort eine dichte, etwas verspielte Premiere zum Nachdenken anregen kann.
Vielleicht wollte der Regisseur ganz einfach mehr Bewusstsein dafür schaffen, worin im Grunde Benachteiligung, Ausbeutung, Ignoranz bestehen, abgesehen von oberflächlichen Erkennungsmerkmalen. Letztere äußern sich auch darin, dass die Schauspieler Gummihäute verpasst bekommen – drei hellere, ein dunklerer Typ. Geheimnisvolle Verkleidungen (Kostüme von Jelena Miletic)´ und arbiträrer Einsatz von Technik (Flugobjekte vom „Drohnen360-Pilotenpool“) erzeugten dröhnend Bedrohungsszenarien, lenkten aber von der Aussage doch eher ab. Kolt`es wird solcherart zu braver Kurzweil.
Auf eineinhalb Stunden ist die Aufführung begrenzt, bei der Bühnenbildnerin Evi Baustreng auf Leere setzt – Afrika abstrakt. In den Regieanweisungen heißt es etwa, dass sich Alboury, der beharrlich die Leiche seines auf einer von Europäern betriebenen Baustelle zu Tode gekommenen Bruders einfordert, hinter einem Baum versteckt. Er ist so für die anderen meist tatsächlich nur eine nicht fassbare Bedrohung. Hier steht er ohne Baum abseits im Dunklen, nachdem er die Bühne langsam überquert hat, während Schellen an seinem Fuß rasseln. Die drei Weißen hingegen bewegen sich auf Lichtbahnen, die je nach Agieren auf dem Boden entstehen. Entspringt Alboury ihrer Fantasie? Baustellenleiter Horn (Philipp Hauß) wehrt seinen Wunsch nach Auslieferung der Leiche beharrlich ab, er versucht, ihn mit ein paar Dollar abzufinden, und lädt ihn zum Whiskytrinken ein. Alboury lehnt ab.
Horn, vierschrötig in kurzen Hosen und schweren Schuhen, entwickelt seltsame Rituale. Er überschüttet sich mehrfach mit dem Inhalt einer Flasche, tränkt auch den ebenso abenteuerlich gekleideten Ingenieur Cal (Markus Meyer) auf diese Weise. Sie haben zudem eine komische Art, um Geld zu spielen. Aus Gürteltaschen werfen sie Würfel über die Schulter und achtlos mit Geldscheinen um sich, die später von den Drohnen aufgewirbelt werden. Dekadenz. Ohne nach den Würfeln auf dem Boden zu sehen, sagen Horn und Cal, wer gewonnen hat.
Die beiden hüten ein Geheimnis. Cal, der Hunde liebt und Schwarze verachtet (er spricht das N-Wort voll Hass aus), hat den Arbeiter offenbar ermordet. Das erklärt die Abgrenzung von Alboury. Nur Leone´ (Stefanie Dvorak), Horns eben aus Paris eingelangte Braut, für diesen Ort unpassend elegant und mit hochhackigen Schuhen ausgestattet, sucht den Dialog mit dem Afrikaner. Sie wechselt kurz auf seine Seite. Er spricht mit ihr Wolof, sie erwidert auf Flämisch.
Man gibt vor, sich zu verstehen. Das täuscht. Niemand kann hier aus seiner Haut, da mag man noch so sehr am Plastik kratzen. Höchst aggressiv tritt Cal völlig verdreckt auf. Horn verliert die Kontrolle. Wie ein zotteliger Yeti erscheint er am Ende. Im Text gibt es einen weiteren Mord. Hier liegen die Weißen schließlich wie schiefe Metaphern für den müden Westen auf dem Boden, wie weggeworfen. Hinter ihnen baut sich Alboury auf. Was sagt er uns, was will uns Lolic´ mit dieser Installation denn noch sagen?