Der Lockruf des Goldes: Macht, Gier und die Heilkunst
Die Universität muss wieder zum Kreativgärtlein der Wissenschaft werden.
Ein Gerücht geht um in Wien, eine Geschichte über Undurchsichtiges in Österreichs bedeutendster Forschungsund Ausbildungsstätte für Ärzte, der Medizinischen Universität Wien. Der mediale Sturm schwankt zwischen „Da kommt nichts heraus“und E´crasez l’infame (Voltaires „Zermalmt das Niederträchtige!“). Zerrbilder sollen aber doch ohne Zorn und Eifer moderiert werden.
Interessenkonflikte sind nichts Neues in der Heilkunst; es kommt aber darauf an, sie zu verändern. Heiler hatten immer schon Macht, seit Urzeiten. Als sich aus der Magie der Wilden die Heilkunde entwickelte, blieben Hilfsbereitschaft und Freude am Lindern von Schmerz im Konflikt mit dem Anliegen, von diesem Beruf zu leben.
Man sagt, die Einführung der Geldwirtschaft habe im alten Griechenland die Philosophie zum Erblühen gebracht, zu Zeiten des Demokrit und Sokrates. Wurde nur zufällig damals auch der Interessenkonflikt in der Medizin angedacht? Hippokrates von Kos war Zeitgenosse jener Philosophen. Damals erging der Ruf nach Regulierung in der Medizin, entstand der Hippokratische Eid.
Korruption ist wohl so alt wie die Heilkunst. Der Konflikt zwischen ihr und dem Eigeninteresse besteht, seit Ärzte auch ihr Auskommen mit ihr bestreiten.
Dieses Interesse zu verbieten ist ähnlich utopisch wie das Gebot der Feindesliebe unrealistisch. Übertrieben sind unangemessene Verehrung des Ärztestands ebenso wie Neid und Gehässigkeit auf die Eliten „da oben“. Die Korruption im Heilwesen ist eben nicht neu und wandelt ihre Erscheinung parallel mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. Davon erzählte uns Moli`eres „Eingebildeter Kranker“, und ein Jahrhundert später der Pathologe Karel Rokitansky in seiner Antrittsvorlesung: „Die praktische Ausübung der Medicin wurde mir nach einigen wenigen Versuchen durch die ängstliche Sorge um den Kranken verleidet; ich hatte auch nicht das Zeug zu dem Gewerbe und die unbeschreibliche Corruption des Standes bestimmte mich, völlig zu entsagen.“
Die Entzauberung der Welt verdrängte bei Patienten Schicksalsergebenheit durch das Anspruchsdenken, geheilt zu werden. Ärzte verführte – vielleicht immer stärker – der Lockruf des Goldes. „Hol dir, was dir zusteht!“, rief mancher sich zu. Man legte sich ins Bett mit der Pharmaindustrie, dem medizinisch-industriellen Komplex. Vorsprung durch Forschung sprudelte aus deren Geldhahn.
In der Hackordnung schnittiger Kliniken zählen der Umfang des Operationskatalogs und die Liste der Publikationen. Die Schweigsamkeit der Verängstigten stützt diese Hühnerhofpsychologie, und sie verführt auch zur Kollaboration. Korruption ist die Spitze des Eisbergs undurchsichtiger Macht.
Was sollen wir tun, denn entschlossene Abhilfe tut not? Ächtung von Ämterkumulation, Klinikchefs auf Zeit und deren Rotation, kompetente Aufsicht und externe Evaluierung der Forschung wären rasch implementierbare Sofortmaßnahmen. Finanzielle Netzwerke sind offenzulegen, warum nicht auch die ängstlich verschwiegenen Gehälter? Weniger Autokratie den Rektoren, denn die Universitäten sind keine Firmen. Patientenanwälte in den Universitätsrat.
Es ist Zeit, die Universität wieder in ein Kreativgärtlein der Wissenschaft zu wandeln, an dessen Toren geschrieben steht: Saluti et solatio aegrorum (Zum Heil und zum Trost der Kranken), Indagandis sedibus et causis morborum (Der Erforschung des Sitzes und der Ursachen der Erkrankungen); und schließlich, ceterum censeo: Verbietet Hausberufungen!