„Beseitigung der Fluchtursachen“– die große Illusion von EU-Politikern
Weltweit nimmt die Armut ab. Afrika ist die große Ausnahme. Es liegt an den Afrikanern, sich von korrupten Eliten zu befreien, die das Wachstum blockieren.
Vorige Woche überbrachte die amerikanische Denkfabrik Brookings eine gute Nachricht. Zum ersten Mal seit der neolithischen Revolution, also seit wir vor etwa 10.000 Jahren sesshaft wurden und zu Ackerbau und Viehzucht übergegangen sind, ist die Menschheit nicht mehr überwiegend arm oder von Armut bedroht. In diesem September lebten knapp 3,8 Milliarden Menschen, das sind mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung, in Haushalten, die über genügend Ressourcen verfügen, um als der „Mittelklasse“zugehörig oder als „reich“klassifiziert zu werden.
In jeder Sekunde wächst die globale Mittelklasse um einen neuen Aufsteiger. Brookings stützt sich auf die Prognosen des World Data Lab, das sein Headquarter in Wien hat. Nach der UN-Definition gilt als „extrem arm“, wer pro Tag mit weniger als 1,9 USDollar (Kaufkraftparität von 2011) auskommen muss. Zur „Mittelklasse“zählt, wer pro Tag (je nach Land) zwischen elf und 110 Dollar ausgeben kann.
Gegenwärtig sind 630 Millionen Menschen arm und 3,16 Milliarden armutsgefährdet. „Reich“sind 200 Millionen. Die „Mittelklasse“umfasst 3,59 Milliarden, und sie wächst rasch weiter. 2030 dürfte sie bereits mehr als 5,3 Millionen Menschen zählen. Sie ist jetzt schon der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, denn den Armen bleibt zu wenig für den Konsum, und die Reichen sind zu wenig, um die Nachfrage anzukurbeln.
Am raschesten befreit sich Asien von der Armut. Von der nächsten Milliarde, die in den Mittelstand aufsteigen wird, werden 90 Prozent auf Asien entfallen. In Indien reduzierte sich der Anteil der in extremer Armut Lebenden in nur sieben Jahren von 25 auf fünf Prozent. Lediglich in den Bürgerkriegsländern Jemen und Afghanistan sowie in Nordkorea und in Papua-Neuguinea herrscht weiterhin Armut.
In Lateinamerika schwindet die Armut ebenfalls, wenn auch weniger rasch. Eine Ausnahme ist natürlich Venezuela, denn das Elend nimmt zu, wenn sozialistische Weltverbesserer die Menschen als Versuchskaninchen missbrauchen. Die Landkarte der World Poverty Clock gibt einen guten Überblick über die reichen, die wohlhabenden und die armen Länder. Wo es Kriege oder Bürgerkriege gibt, wo der Staat die Marktwirtschaft in Fesseln legt, wo räuberische Eliten regieren und die Korruption blüht, kann die Armut nicht überwunden werden.
Die schlechte Nachricht ist, dass die meisten Ländern Afrikas weiterhin tief in der Armutsfalle stecken, die ihnen ihre eigenen Eliten gestellt haben. Rühmliche Ausnahmen sind Mauretanien, Ghana und Äthiopien. Aber in 14 der 54 afrikanischen Länder – unter ihnen Angola, Nigeria und Kongo – wächst das Elend. Daran ist weder das „Erbe des Kolonialismus“schuld, noch einfach die „Bevölkerungsexplosion“. Der Kontinent ist überreich an natürlichen Ressourcen und freien Flächen.
Dabei ist unter den zahlreichen Ideen zur Eindämmung der Massenmigration die „Bekämpfung der Fluchtursachen“, das Mantra mehrerer europäischer Spitzenpolitiker, die allerdümmste.
Denn diese Idee nährt nicht nur die Illusion, dass es gelingen könnte, Kriege und Bürgerkriege in Nahost und in Nordafrika zu beenden, den islamischen Terrorismus auszumerzen und eine dauerhafte Friedensordnung zu implementieren – dies alles mit viel Geld und Diplomatie, aber ohne militärische Interventionen und ohne die Errichtung von europäischen Protektoraten. Sie suggeriert darüber hinaus, dass die EU ihre Außengrenzen eigentlich gar nicht zu schützen brauchte, weil die große Wanderung durch Entwicklungshilfe verhindert werden könnte.
In Wirklichkeit füttern die Milliarden der Entwicklungshilfe die korrupten Eliten und zementieren die Abhängigkeit. Die Bilder von den Afrikanern, die in diesem Sommer mit Äxten, Stangen und Brandsätzen die spanischen Grenzzäune gestürmt haben, lassen ahnen, was uns in naher Zukunft bevorsteht.