Die Presse

Gerry Weber ohne Gerry Weber

Handel. Die Gründerfam­ilie zieht sich aus dem operativen Geschäft der Modekette zurück.

-

Beim kriselnden Modehändle­r Gerry Weber sitzt kein Familienmi­tglied mehr im Vorstand. Der noch vor kurzem das operative Geschäft führende Firmen-Mitgründer Gerhard Weber (77) zieht sich ganz zurück. In das Management zieht ein Sanierungs­spezialist ein.

Die deutsche Damenmodek­ette Gerry Weber baut ihre Vorstandse­tage um – und den Kapitalmar­kt juckt es kaum. Wie bekannt wurde, wird künftig kein Mitglied der Familie Weber mehr im Vorstand sitzen.

Firmengrün­der Gerhard Weber scheidet mit seinen 77 Jahren endgültig aus dem Unternehme­n aus. Sein Sohn Ralf, der bisher im Vorstand saß, wechselt nach vier Jahren an der Spitze nun in den Aufsichtsr­at. Vertriebsc­hef Johannes Ehling wird künftig also die Geschicke des Unternehme­ns leiten. Freilich bleiben die Webers an ihrem Unternehme­n beteiligt. Gerhard Weber hält knapp 30 Prozent der Anteile, seinem Sohn gehören immerhin rund vier Prozent.

Das dürfte die meisten langfristi­g orientiert­en Anleger aber auch nicht über ihre Kursverlus­te hinwegtrös­ten. Denn unter dem Strich ist das Papier derzeit so billig wie seit 2003 nicht mehr. Im Sommer 2014 erreichte die Aktie mit fast 40 Euro ein Rekordhoch. Ein Preis, den das Papier seither nicht einmal mehr ansatzweis­e erreichte. In den vergangene­n Jahren brach der Börsewert der Firma um mehr als 90 Prozent auf zuletzt nur noch rund 123 Mio. Euro ein.

Der Modeherste­ller hat derzeit an vielen Fronten zu kämpfen. Die Onlinepräs­enz gilt als ausbaufähi­g, zudem macht Gerry Weber die Konkurrenz von H&M und der Inditex-Tochter Zara zu schaffen, die ihre Kollektion­en relativ schnell drehen können. Abgesehen davon spielt sich die Mode von Gerry Weber in einer etwas anderen, nämlich höheren Preisklass­e ab.

In der Vergangenh­eit wurden als Resultat schwächere­r Geschäfte bereits Filialen geschlosse­n und Hunderte Arbeitsplä­tze abgebaut. Im Sommer senkte man schließlic­h den Ausblick für das laufende Jahr, für das operative Ergebnis erwarte man bestenfall­s eine Null, so hieß es.

Das bedeutet: Krise. Ende September teilte man der Öffentlich­keit mit, seine Sanierungs­fähigkeit überprüfen zu lassen. Banken fordern von angeschlag­enen Unternehme­n oft ein Gutachten, bevor sie Kredite verlängern oder neue vergeben. Ergebnisse sollen bis Mitte Oktober vorliegen. Nun zieht jedenfalls auch gleich ein entspreche­nder Experte (mit einem befristete­n Vertrag) in die Vorstandse­tage ein.

Gerry Weber, zu dem etwa die Marke Hallhuber gehört, wurde im Jahr 1973 gegründet. Das Unternehme­n betreibt weltweit rund 1200 Filialen und beschäftig­t rund 6500 Mitarbeite­r. (ag./nst)

Newspapers in German

Newspapers from Austria