Die Länder feiern die Gründung der Republik – und sich selbst
Festakt. Vor 100 Jahren wurde Österreich gegründet. Der EU-Kommissionspräsident gratuliert – und mahnt das Land.
Die Erste Republik ist vor 100 Jahren am 12. November 1918 gegründet worden. Schon am Donnerstag feierten die Bundesländer ihren Anteil daran. Zum Festakt im Palais Niederösterreich begrüßte Hausherrin Johanna MiklLeitner Bundespräsident Alexander Van der Bellen und EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker. Van der Bellen lobte die Länder als „Kitt eines gemeinsamen Europas“. Juncker appellierte an Österreich: „Wir müssen aufstehen, wenn Gefahr von rechts sich ungehindert durchsetzt, wenn stupider Populismus und bornierter Nationalismus einen Marsch in die Zukunft antreten.“
Wien. Als Ehrengast müsse man das zwar immer sagen, doch diesmal, versicherte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, stimme es auch: Er sei froh, der Einladung der Landeshauptleute zum Festakt der Gründung der Republik Österreich vor hundert Jahren gefolgt zu sein. Immerhin treffe er die Landeshauptleute regelmäßig in Brüssel. „Und ich mag diese Treffen sehr, weil wir ungestört über Europa und über die Bundesregierung schimpfen können.“Diese augenzwinkernde Aussage gibt den Tenor gut wieder: Die Bundesländer feierten gestern, Donnerstag, nicht nur 100 Jahre Republik, sondern vor allem ihren Anteil daran.
Der Ort, das Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse, wurde dabei nicht zufällig gewählt. Diese Mauern seien, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) es formulierte, „standhafte Zeugen unserer Geschichte“. Im einstigen Landhaus konstituierte sich am 21. Oktober 1918 die provisorische Nationalversammlung des selbstständigen deutschösterreichischen Staats. Wenig später, am 12. November 1918, wurde die Republik ausgerufen. (Der große offizielle Festakt folgt am 12. November 2018 in der Staatsoper.) Ein „stolzer, aber kurzer Moment“, wie es Juncker formulierte.
Schon an der Entstehung der Republik hätten, wie die Landeshauptleute in ihren Festreden schilderten, die Länder einen wesentlichen Anteil gehabt. Das wurde auch in einer schriftlichen Erklärung festgehalten. Diese wurde vor dem Festakt, bei einer außerordentlichen Landeshauptleutekonferenz, unterzeichnet. In dem Papier wurde aber auch die Bedeutung der Länder für die Zukunft unterstrichen: „Nur starken Regionen, die demokratische Entscheidungen nah an ihren Bürgerinnen und Bürgern treffen, wird es nachhaltig gelingen, den Mehrwert des europäischen Projekts zu vermitteln“, steht darin geschrieben.
Der in Österreich gelebte Föderalismus sei, wie es Gastgeberin Mikl-Leitner formulierte, „ein erfolgreiches Modell“und könne „Pate stehen für ein größeres gemeinsames Europa“. Es seien die Regionen, die das „Ohr ganz besonders stark am Puls der Zeit und nahe beim Bürger“hätten, sagte auch Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig (SPÖ). Es brauche „ein Österreich der Länder und ein Europa der Regionen“, drückte es Burgenlands Landeschef, Hans Niessl (SPÖ), der derzeit den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz inne hat, in seiner Rede aus. Er wagte einen kleinen Exkurs in den politischen Alltag. Die Länder hätten sich „nie Reformen verweigert, die sinnvoll für Österreich waren“. Aber es liege in der „Natur der Sache“, dass Bund und Länder nicht immer einer Meinung seien. Auch wenn man sich „gegenseitig viel ausrichtet“, arbeite man, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, gut zusammen. Die Länder seien stets „identitätsgebend“gewesen. Lob kam auch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er sieht die Länder als „Motoren“bei grenzüberschreitenden Kooperationen und als „Kitt für ein gemeinsames Europa“.
„Stupider Populismus“
Dieser Einschätzung kann auch der Kommissionspräsident viel abgewinnen. Es werde in Zukunft keinen Wettbewerb der Staaten geben – sondern einen der Regionen. Die EU werde nicht zu den Vereinigten Staaten von Europa werden. Er sei aber auch gegen eine „Verzwergung“. Und so sprach Juncker mahnende Worte. Schon einmal, vor dem Zweiten Weltkrieg, habe es einen „Weltaugenblick“, wie der Kommissionspräsident es in Anlehnung an Stefan Zweig formulierte, gegeben. In solchen Momenten dürfe man weder das Falsche noch nichts tun. „Wir müssen aufstehen, wenn Gefahr von rechts sich ungehindert durchsetzt, wenn stupider Populismus und bornierter Nationalismus einen Marsch in die Zukunft antreten, den man stoppen muss, so lange dazu noch Zeit ist.“
Ludwig van Beethoven habe, wie Jucker sagte, einst gemeint: „So lange der Österreicher Bier und Würstel hat, revoltiert er nicht.“Er, also Jucker, wollte den Österreichern zwar weder das Bier noch die Würstel nehmen, aber er wünsche sich für Österreichs Zukunft, dass es „gegen Unrecht rebelliert“. Denn Österreich solle auch künftig „eine Brückenbauerrolle“einnehmen. Das kenne es schon aus der Vergangenheit.