„Problem der EU ist der Mangel an Koordination“
Interview. Dragan Coviˇ´c, kroatischer Vertreter in Bosniens Staatspräsidium und Chef der HDZ, über internationale Player in seinem Land, Grenzänderungspläne zwischen Serbien und Kosovo und die Abwanderung der Jungen.
Ein Amulett mit dem Bildnis seines Sohns baumelt um den Nacken des Kellners. Seine Wut kann der 50-jährige Davor kaum verbergen, wenn er von den Tagen nach Davids Verschwinden am 18. März erzählt. Wegen Tatenlosigkeit der Polizei startete er mit Freiwilligen eine Suchkampagne. „Ich merkte gleich, dass mit der Polizei etwas nicht stimmt. Wir gaben ihnen Hinweise. Sie warfen uns vor, die Ermittlungen zu behindern.“
Nach sechs Tagen verkündete die Polizei den Fund der Leiche: Sie lag im Wasser eines Bachs. Vier Tage später erklärte sie den Fall für aufgeklärt. Vollgepumpt mit Drogen und Alkohol habe David erst einen Einbruch begangen, sei dann geflüchtet, auf der steilen Betonböschung ohne Fremdeinwirkung gefallen – und vermutlich ertrunken. Die auffälligen Wunden am Körper des Studenten erklärte die Polizei als Folge seines Sturzes.
Nicht nur die Tatsache, dass er und seine Helfer am Ufer des Bachs mehrfach vergeblich nach David gesucht hatten, sondern auch die dunklen Flecken und Die Presse: Serbiens Präsident, Aleksandar Vuciˇc,´ und Kosovos Präsident, Hashim Thaci, haben über Grenzänderungen diskutiert. Was würde das für Bosnien und Herzegowina bedeuten? Dragan Cˇovic´: Wenn die beiden Präsidenten es schaffen, sich auf einen Kompromiss zu einigen, würde das mehr Stabilität für Südosteuropa bedeuten. Wichtig ist, dass ein solcher Deal auch von allen Institutionen Serbiens und des Kosovo unterstützt wird. Dann sollten wir keine negativen Auswirkungen befürchten.
Könnten dann nicht Politiker der Serben in Bosnien die Idee einer Abspaltung ihrer Republika Srpska aufs Tapet bringen? Wir müssen damit rechnen, dass Vertreter der Serben in Bosnien und Herzegowina versuchen würden, den Effekt eines Deals zwischen Serbien und dem Kosovo zu nutzen. Ich verstehe, dass sie bestimmte Signale in der Öffentlichkeit aussenden. Aber ich glaube nicht, dass es die Möglichkeit eines Abspaltungsszenarios gibt.
Würde eine Grenzänderung zwischen Serbien und dem Kosovo in Ihrer Partei Ideen befeuern, dass sich die Kroaten von Bosnien abspalten sollten? Nein, solche Ideen gibt es nicht. Wir Kroaten fühlen uns voll diesem Land verpflichtet. Aber es muss ein Bosnien und Herzegowina sein, das allen drei Volksgruppen, Serben, Kroaten und Bosniaken, volle Rechte bietet.
Zuletzt äußerten aber kroatische Vertreter immer wieder Unmut. Die bosniakische Seite will in dem Land dominieren. Und wir wollen verhindern, dass Bosnien und Herzegowina ein Zentralstaat wird. Für uns ist wichtig, dass nach der kommenden Wahl auch kroatische Vertreter wieder der neuen Regierung angehören.
Bosnien ist ein Spielfeld internationaler Mächte: der EU, der USA, Russlands, der Türkei. Wie sollte die EU darauf reagieren? Die Serben blicken auch immer wieder in Richtung Russland, die Bosniaken in Richtung Türkei. Es gibt nach wie vor US-Einfluss, aber er ist zurückgegangen. Natürlich ist auch die EU stark. Aber eines ihrer Probleme ist der Mangel an Koordination zwischen den Mitgliedstaaten. Wir bekommen keine klare Botschaft aus der EU. Sie zeigt sich in dieser Hinsicht derzeit nicht als stabiler Faktor. Wir wollen so rasch wie möglich einen EU-Kandidatenstatus.
Vor vier Jahren gab es in Bosnien Proteste gegen Korruption, Vetternwirtschaft und die schlechte soziale Situation. Was haben die Politiker des Landes seither getan, um die Lage zu verbessern? Ich könnte jetzt alle Maßnahmen auflisten, die wir etwa gegen Korruption gesetzt haben. Aber ich gestehe ein: Vor zwei Jahren sind wir in der Kommunikation zwischen den Politikern der drei Volksgruppen an einem toten Punkt angelangt. Seither wurde wenig im Reformprozess, bei Rechtsstaatlichkeit, Investitionen und der Fortsetzung des Weges in die EU getan. Wenn man sich die Wirtschaftsdaten anschaut, würden diese nicht darauf hinweisen, dass es eine Krise gibt. Aber das generelle Bild ist sehr schlecht.
Vor allem junge Menschen wollen das Land verlassen. Wir haben es nicht geschafft, für die Menschen ein Image eines Landes zu schaffen, in dem das rechtsstaatliche System funktioniert und in dem sie eine Zukunft für sich und ihre Kinder haben. Junge Menschen aus allen drei Volksgruppen verlassen derzeit das Land, weil sie das Gefühl haben, hier nicht sicher zu sein. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir nach den Wahlen rasch eine funktionierende Regierung bilden können, an der Vertreter aller drei Volksgruppen beteiligt sind.