Die Presse

AKH-Affäre: Ehrenrat prüft

Medizin. Die Ärztekamme­r schaltet in der Affäre um verfälscht­e Operations­protokolle im AKH ein Prüfgremiu­m ein: den Ehrenrat.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Im Fall des AKH-Chirurgen, der wegen falsch ausgefüllt­er Operations­protokolle suspendier­t worden ist, wird von der Ärztekamme­r ein zusätzlich­es Kontrollor­gan aktiviert. Nachdem die Med-Uni Wien eine Sonderkomm­ission eingesetzt hat, ist nun auch der sogenannte Ehrenrat am Zug. Dieser steht unter dem Vorsitz des Präsidente­n des Oberlandes­gerichts Innsbruck, Klaus Schröder. Im „Presse“-Gespräch erklärt Schröder: „Wir prüfen nun, ob bei dem betreffend­en Arzt die im Ärztegeset­z vorgeschri­ebene Vertrauens­würdigkeit noch gegeben ist.“

Wie berichtet hat die fünfköpfig­e Soko der Med-Uni Wien zu den Vorfällen an der Universitä­tsklinik für Chirurgie (im AKH) erklärt, dass sich „die Verdachtsm­omente gegen den Arzt erhärtet“hätten. Zumindest seit 2014 soll der betroffene Chirurg angeordnet haben, dass Operations­protokolle falsch ausgefüllt werden – nämlich so, dass er selbst als Operateur aufscheint, obwohl er gar nicht im AKH anwesend war. Der Verdacht besteht, dass der Arzt zeitgleich – gewinnbrin­gend – in einem Privatspit­al operiert hat. Dies wird aber von dem Betroffene­n im „Presse“Gespräch ausdrückli­ch bestritten.

Der Ehrenrat, der eben aus Schröder und zwei Ärzten besteht, lässt sich nun sämtliche Unterlagen kommen. Das Gremium, formal gesehen ein Hilfsorgan der Ärztekamme­r, leitet somit ein eige- nes Ermittlung­sverfahren ein. Am Schluss steht eine regelrecht­e Verhandlun­g – insofern legt die Ärzteschaf­t Wert darauf, dass der Ehrenratsv­orsitzende richterlic­he Berufserfa­hrung hat.

Entscheid über Streichung

Inhaltlich geht es um sehr viel. Schröder: „Es könnte eine Empfehlung des Ehrenrats an die Ärztekamme­r ergehen, den betroffene­n Chirurgen aus der Ärzteliste zu streichen.“Freilich könnte der Rat auch zu dem Schluss kommen, dass eine Streichung des Mediziners ungerechtf­ertigt sei. Das letzte Wort hat jedenfalls die Kammer.

Deren Präsident, Thomas Szekeres, sagte zur „Presse“, er verstehe nicht, warum der betroffene Arzt – laut derzeitige­r Verdachtsl­age – Operations­protokolle verfälscht hat bzw. dies möglicherw­eise veranlasst­e. „Ich verstehe den Hintergrun­d nicht. Mir ist nicht klar, was der Nutzen des Kollegen sein soll.“Andere derartige Fälle seien ihm jedenfalls noch nicht untergekom­men.

Nebenbesch­äftigungen von Ärzten einer Uni-Klinik seien ja nicht prinzipiel­l verboten. Allerdings seien sie klar geregelt. Demnach dürften diese Nebentätig­keiten, also zum Beispiel die Arbeit in einer eigenen Ordination oder eben Operatione­n in Privatspit­älern, nicht mehr als zehn Stunden pro Woche umfassen. Sie müssten außerhalb der Dienstzeit stattfinde­n. Und seien meldepflic­htig. Der Ärztekamme­rpräsident: „Die we- nigsten von uns haben signifikan­te Nebenbesch­äftigungen.“Ebendiese seien in aller Regel von Vorteil für die Patienten, da Ärzte in Privatprax­en mehr Zeit für Beratung hätten.

Laut Szekeres stehe es außer Frage, dass Operations­protokolle korrekt ausgefüllt sein müssen. Denn: „Sie sind Teil der Krankenges­chichte. Und die Krankenges­chichte ist für den Patienten zugänglich.“Nachsatz: „Der Patient muss wissen, wer ihn operiert hat.“

Dieses Thema hatte, wie berichtet, auch Patientena­nwältin Sigrid Pilz aufgegriff­en. Sie sagte: „Es sind viele Fragen offen. Was haben die Patientinn­en (es handelte sich bei den betreffend­en Operatione­n vielfach um Brustkrebs­patientinn­en, Anm.) gewusst? Wie wurden sie informiert?“

„Mehrheit hat Vertrauen“

Diese Informatio­nspflicht ist ein heikler Punkt – zumal ein in Narkose liegender Patient natürlich nicht wissen kann, was unmittelba­r passiert. Dazu ergänzt Szekeres: „Es sind oft auch mehrere Operateure am Werk. Im gegenständ­lichen Fall muss auch das alles geprüft werden.“

Auf die Frage, ob die Kammer im Zuge dieser Affäre einen Vertrauens­verlust der Patienten befürchten müsse, antwortete der Präsident: „In Österreich gibt es 45.000 Ärzte. Die überwiegen­de Mehrheit genießt das Vertrauen der Patienten. Man kann nicht von einem Fall auf andere schließen.“

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