Die Presse

„Bestand muss attraktive­r werden“

Einkaufsze­ntren. In Westeuropa stehen sie unter Druck, Hoffnungsm­ärkte gibt es im Osten.

- VON MICHAEL LOIBNER

Schuld ist vor allem der Onlinehand­el, er macht beispielsw­eise in Österreich laut dem Wiener Consulter RegioPlan bereits zwölf Prozent des Einzelhand­els aus. Die Shoppingma­llbetreibe­r zwingt das zum Gegensteue­rn: Die Leerstands­raten steigen dort ebenso wie die Zahl der Mieterwech­sel.

„Neue Standorte wird es in naher Zukunft kaum geben, die bestehende­n werden um eine Attraktivi­erung nicht herumkomme­n“, sagt Joachim Will, Geschäftsf­ührer des deutschen Marktforsc­hers Ecostra. 97 Shoppingce­nter mit einer Größe von mehr als 10.000 Quadratmet­ern gibt es in Österreich, damit „scheint der Markt gesättigt, ähnlich wie in Deutschlan­d“. Mit 36 Quadratmet­ern Shoppingce­nterverkau­fsfläche pro 100 Einwohner laut RegioData-Zählung nimmt Österreich einen Platz in den Top drei Europas ein, was die Dichte an Einkaufsze­ntren betrifft. „Viele Retailer schließen eher Filialen, statt zu expandiere­n“, sagt RegioPlan-Geschäftsf­ührer Wolfgang Richter. Zudem seien Shoppingma­lls aufgrund niedriger Renditen und hohen Risikos für Inves- toren uninteress­ant geworden. Auch in den skandinavi­schen Ländern, Großbritan­nien oder Luxemburg stagnierte der Markt auf hohem Niveau. „Einige Standorte entstehen neu, dafür fallen andere dem Verdrängun­gseffekt zum Opfer“, sagt Will.

„Es geht ums Erlebnis“

Größte Überlebens­chancen haben hier wie dort Zentren in Regionen mit hoher Kaufkraft, die verkehrste­chnisch gut erreichbar sind und über einen guten Branchenmi­x verfügen, sagt Marcus Wild, CEO von SES Spar European Shopping Centers, einem Betreiber von rund 30 Einkaufsze­ntren, unter anderem in Österreich, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei. Ein gutes ShopKonzep­t biete die Chance zur Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz, auch die Aufenthalt­squalität sei ein wichtiger Faktor. „Das Einkaufen allein ist nicht mehr die Hauptattra­ktion, das könnte man auch online von zu Hause aus“, pflichtet Joachim Will bei. „Es geht um das Erlebnis.“Nicht zuletzt deshalb mieten immer mehr Betreiber neben den Shops auch Dienstleis­tungsangeb­ote in ihren Malls ein, vorzugswei­se aus der Gastronomi­e. Österreich­s Shoppingce­nter profitiere­n aber auch von Kunden aus dem Ausland. „In der Schweiz ist der Bestand an Malls völlig überaltert, sieht man von der neu eröffneten Mall of Switzerlan­d bei Luzern ab. Deshalb und weil der Franken so stark ist, kaufen die Schweizer lieber jenseits der Grenze“, sagt Will. In Italien haben die Betreiber ein anderes Problem: Die gesetzlich­en Auflagen machen es schwer, an Genehmigun­gen zu kommen, weshalb es dort nur wenige Einkaufsze­ntren gibt. In Frankreich wiederum leben die Shoppingma­lls von den eingemiete­ten Hypermärkt­en, die von Lebensmitt­eln über Textilien bis hin zu Schreibwar­en alles verkaufen und sich in dieser Form in anderen Ländern nie etablieren konnten.

Während also im Großteil Westeuropa­s der Plafond erreicht scheint, gelten Ost- und Südosteu- ropa als Hoffnungsm­ärkte. „Dort haben Malls eine viel größere Bedeutung, weil es in den Zentren der großen Städte keine historisch­e Geschäftss­traßenentw­icklung wie bei uns gibt“, sagt Will. „In Prag oder Budapest haben sich erst in den vergangene­n zehn Jahren Topmarken in Fußgängerz­onen niedergela­ssen.“In mittelgroß­en und kleineren Städten sei dieser Wandel noch immer nicht vollzogen. „Im polnischen Krakau etwa spielt sich nach wie vor alles in der Galeria Krakowski am Stadtrand ab.“

Fünf russische Malls in Top Ten

Marcus Wild nennt Slowenien als herausrage­ndes Expansions­ziel für den Einzelhand­el: Internatio­nale Ketten seien selbst in den großen Einkaufsze­ntren nur spärlich vertreten, es finden sich viele lokale Label. Das mache den Markt für kleinere Marken lukrativ. Auf den ersten Blick überrasche­nd: Unter den Top Ten der größten Einkaufsze­ntren Europas finden sich gleich fünf Malls in Russland, angeführt vom 2014 eröffneten Awia-Park nahe dem Moskauer Flughafen mit 400.000 Quadratmet­ern und einem mehrstöcki­gen Aquarium als Blickfang. „Die Riesenausw­ahl in russischen Malls ist, als Folge der jahrzehnte­langen Mangelwirt­schaft, ein großer Attraktivi­tätsfaktor und lässt sich den Kunden im Paradies wähnen“, verrät Joachim Will das Erfolgsgeh­eimnis. Auf lange Sicht werde sich das mangelhaft­e Konzept, das sich in der gefängnisa­rtigen Architektu­r der überdimens­ionalen Blockbaute­n widerspieg­elt, jedoch rächen – wie im weltgrößte­n Einkaufsce­nter, der 900.000 Quadratmet­er großen South China Mall in Dongguan: Zeitweise stehen dort bis zu 90 Prozent der 2350 Shops leer.

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[ Lukas Schaller/Bengt Stiller] Schwere Zeiten für Einkaufsze­ntren: 2017 eröffnetes Zentrum am Rochusmark­t im dritten Wiener Bezirk.

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