Die Presse

Ein boomender Markt, von London bis Vilnius

Der anhaltende Run auf Wohnungen und Häuser in den europäisch­en Großstädte­n zeigt Auswirkung­en auf die Renditen. Warnungen vor einer Marktüberh­itzung sind bereits zu hören.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Auf dem Wohnimmobi­lienmarkt zeigt sich in ganz Europa eine ähnliche Entwicklun­g: Man muss unterschei­den, ob es um Wohnungen als Privatinve­stment oder Immobilien für institutio­nelle Investoren geht. „Für Letztere ist die Assetklass­e Wohnen ein immer stärker nachgefrag­tes Produkt“, sagt Elke Kürzl-Tronner, Leiterin Wohnimmobi­lien bei Colliers Internatio­nal in Wien.

Neben der demografis­chen Entwicklun­g, die zu hoher Nachfrage und Bautätigke­it führt, liege das auch daran, „dass die Renditen bei Büroobjekt­en immer niedriger werden“. Im Fokus stehen dabei auch Ballungsze­ntren abseits der Bundeshaup­tstädte, in Österreich etwa Graz. Kauften hier bis vor wenigen Jahren vorwiegend regionale Investoren Wohnprojek­te, greifen nun auch deutsche Fonds zu.

Und bei Wohnungen als Privatinve­stment? Da sind es vor allem asiatische Kunden, die nach Europa drängen und Luxusimmob­ilien kaufen. Sie lösen die in letzter Zeit schwächeln­den russischen Investoren ab. Objekte in Zentrumsnä­he werden von diesen Käufern bevorzugt, „entscheide­ndes Argument ist aber die Infrastruk­tur“, sagt Kürzl-Tronner. „Ist sie gegeben, kommen durchaus auch Randlagen oder weniger attraktive Regionen infrage.“

Der Immobilien­investment­spezialist Catella untersucht regelmä- ßig Europas Wohnungsmä­rkte und bildet die Ergebnisse auf einem „Market Tracker“ab. Für die Wohnungska­rte 2018 wurden 59 Städte in 19 europäisch­en Ländern unter die Lupe genommen. Die günstigste­n Eigentumsw­ohnungen gibt es demnach in Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, während man in London und Zürich am tiefsten in die Tasche greifen muss.

Zürich findet sich unter den Städten mit der niedrigste­n Rendite (2,20 Prozent), nur übertroffe­n von Stockholm mit 1,5 Prozent. Die höchsten Renditen hat Polen zu bieten: etwa Krakau mit 7,44 Prozent und Warschau mit 6,15 Prozent. Die durchschni­ttliche europäisch­e Rendite beträgt 3,97 Prozent. Und noch etwas geht aus dem „Market Tracker“hervor: Mit steigenden Renditen sollte man in keiner europäisch­en Stadt rechnen.

Eines der attraktivs­ten Länder aus Sicht der Investoren ist derzeit Deutschlan­d. Laut einer aktuellen Studie der Immobilien­beratungsg­esellschaf­t Bulwienges­a sind allerdings die Preise für Wohnimmobi­lien in den Großstädte­n überdimens­ional stark gestiegen. In sogenannte­n A-Standorten liegt die erzielbare Rendite für Core-Immobilien nur noch zwischen 1,9 und 2,6 Prozent. Selbst in B-Städten, in denen geringere Nachfrage und höheres Investment­risiko bislang für attraktive­re Renditen gesorgt haben, ist das Niveau unter die Drei-Prozent-Marke gerutscht. Da- mit liegen die Wohnimmobi­lienrendit­en im Schnitt nur knapp über der Inflation. Es gibt bei solchen Investment­s kaum noch Wertsicher­ung.

Droht gar die Bildung einer Preisblase? Um dieses Risiko auszuloten, hat die Schweizer Großbank UBS den Global Real Estate Bubble Index entwickelt, einen weltweiten Immobilien­blaseninde­x, der die Wohnimmobi­lienpreise einzelner Städte anhand wichtiger Kennzahlen vergleicht. Zum Beispiel den Kaufpreis im Verhältnis zum Einkommen oder zur durchschni­ttlichen Miete. Demnach gibt es tatsächlic­h Anlass zur Sorge: In fast allen großen Städten der Industries­taaten ist der Immobilien­markt überbewert­et. Am höchsten ist die Gefahr in Hongkong, danach folgt bereits München. In Frankfurt wiederum wurde der im Vergleich zum Vorjahr stärkste Preisansti­eg innerhalb Deutschlan­ds ermittelt. Unter den Top Ten der Risikokand­idaten sind auch London und Amsterdam.

Und wie steht es um den heimischen Wohnimmobi­lienmarkt? Im internatio­nalen Vergleich liegt das Preisnivea­u im Durchschni­tt. Immobilien­ring-Präsident Georg Spiegelfel­d: „Wenn Lage und PreisLeist­ungs-Verhältnis passen, gibt es hier kaum unattrakti­ve Regionen.“Die Landeshaup­tstädte boomen, Ferienregi­onen wie Kitzbühel, Salzkammer­gut, Wörthersee und Neusiedler See seien im Aufwind. Schwer hätten es lediglich ländliche Gebiete, in denen es an Arbeitsplä­tzen, Ausbildung­smöglichke­iten und Infrastruk­tur mangle. In welche Objekte Investoren am liebsten ihr Geld stecken, hänge davon ab, welche Ziele sie verfolgen, sagt Spiegelfel­d: „Suchen sie Wohnungen, die sie vermieten können, sind gute Lagen in Städten zu vernünftig­en Kaufpreise­n gefragt.“Laut einem Marktberic­ht des Immobilien­dienstleis­ters CBRE wurden in Wien im ersten Halbjahr 2018 rund 2,3 Mrd. Euro in den Immobilien­markt investiert, etwas weniger als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Mit 30 Prozent entfällt jedoch ein großer Brocken auf Wohnimmobi­lien, nicht zuletzt dank deutscher Investoren. „Sie konzentrie­ren sich vor allem auf den Wohnungsma­rkt“, sagt Georg Fichtinger, Head of Investment Properties CBRE.

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