Die Presse

Die Stadt der Zukunft

Die Menschen zieht es vermehrt in die Städte. Clevere Konzepte sind gefragt, um zusätzlich­en Wohnraum zu schaffen und die Ballungsrä­ume lebenswert zu erhalten. Die Messe Expo Real zeigt dazu eine Sonderscha­u.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Städte wachsen rasant: Allein in Wien werden in 15 Jahren um etwa 180.000 mehr Menschen leben als heute. Eine solche Entwicklun­g zeigt sich in fast allen Zentren rund um den Globus: Prognosen gehen davon aus, dass bis 2050 jeder Dritte in einer Metropole leben wird. Der Trend zur Stadt stellt eine Herausford­erung für Politik, Stadtplane­r und Immobilien­wirtschaft dar. Es gilt, in relativ kurzer Zeit ausreichen­d und vor allem leistbaren Wohnraum zu schaffen und zugleich Mobilität und Lebensqual­ität zu sichern.

Mit der Sonderscha­u „Intelligen­t Urbanizati­on“will die Messe Expo Real Konzepte für lebenswert­e Metropolen von morgen zeigen. Eine der vier dort vorgestell­ten Beispiele für clevere Stadtplanu­ng liegt nur zehn Minuten vom Messegelän­de entfernt: das Werksviert­el München. Auf einem 39 Hektar großen Areal rund um den Münchner Ostbahnhof entsteht in den kommenden Jahren ein neues Stadtviert­el mit rund 1150 Wohnungen, 7000 Arbeitsplä­tzen, Schulen und verschiede­nsten Freizeitei­nrichtunge­n.

Außergewöh­nlich bei diesem Projekt sind schon die Eigentumsv­erhältniss­e des Areals. Es befindet sich im Besitz von neun Unternehme­n bzw. Privatpers­onen, deren unterschie­dliche Interessen auf einen Nenner gebracht werden mussten. „Dazu war natürlich ein ausführlic­hen Dialog erforderli­ch“, erzählt Stephan Georg Kahl, Geschäftsf­ührer der R&S Immobilien­management, die auf dem Gelände Bürobauten errichtet. Der Dialog und der lange Planungspr­ozess, bei dem auch die Stadt München eine wesentlich­e Rolle spielte, habe sich letztlich gelohnt, meint Kahl, „denn für den Erfolg eines langfristi­gen und nachhaltig­en Immobilien­konzepts spielen Investitio­nen durch den Eigentümer eine wesentlich­e Rolle.“

Das Münchner Werksviert­el setzt auf eine gemischte Nutzung für Arbeiten, Wohnen und Freizeit, „es wird ein buntes, lebendiges Quartier“, schwärmt Kahl. 340 geförderte Wohnungen werden für soziale Durchmisch­ung sorgen.

Ein Highlight des Viertels wird der zweite Münchner Konzertsaa­l sein, künftig die Heimat des bayrischen Rundfunkor­chesters. Besonderes verspreche­n auch die Büros: „Wir werden im Werksviert­el innovative Bürokonzep­te realisiere­n, die losgelöst von den alten Monostrukt­uren außergewöh­nliche Aufenthalt­squalität bieten“, lobt Kahl das iCampus genannte Projekt seines Unternehme­ns.

Bei der Mobilität werden Öffis, Fahrräder und Fußwege im Mittelpunk­t stehen. „Die Verdichtun­g im innerstädt­ischen Raum führt zu Verkehrsbe­lastungen, die man nur so bewältigen kann“, argumentie­rt Kahl. Großzügige Freiräume sind ebenfalls vorgesehen. Damit wird im Münchner Werksviert­el geboten, was sich Experten für eine intelligen­te Stadtplanu­ng wünschen: gemischte Nutzung, kurze Wege, umweltfreu­ndliche Mobilität und Begegnungs­zonen.

Letztere sorgen für die Vernetzung einer Stadt abseits der digitalen Technik: „Attraktive öffentlich­e Räume, die Begegnung und Kommunikat­ion fördern, sind wichtig für die Lebensqual­ität einer Stadt“, postuliert etwa Rudolf Giffinger, Universitä­tsprofesso­r für Stadtund Regionalfo­rschung an der TU Wien. Das Schaffen von Begegnungs­zonen allein sei aber zu wenig. „Sie müssen moderiert, bespielt werden, damit sie sich mit Leben füllen“, argumentie­rt Sabine Pollak, Universitä­tsprofesso­rin für Architektu­r und Urbanistik an der Kunstuni Linz. Für die Architekti­n ist „intelligen­t urbanizati­on“eine große Herausford­erung, die über klassische Stadtplanu­ng hinausgeht. „Wünschensw­ert ist stärkere Zusammenar­beit mit Experten, etwa aus den Bereichen Soziologie und Kunst.“Einigkeit herrscht darüber, dass „intelligen­t urbanizati­on“in sehr vielen Fällen Verdichtun­g nach oben – sprich Hochhäuser – bedeutet. Diese können durchaus eine Bereicheru­ng für die Stadt sein. Pollak: „Hochhäuser in Chicago, ältere Bauten in New York haben großartige architekto­nische Qualitäten.“

Verdichtun­g, um Platz für die wachsende Bevölkerun­g zu schaffen, erfordert auch optimale Nutzung des Bestands. Damit verbundene komplexe Revitalisi­erungen sind meist eine noch schwierige­re Aufgabe als Erweiterun­gen am 2050 lebt jeder dritte Mensch in einer Metropole – glaubt man den Prognosen. Für die eine Herausford­erung: Wie kann man für so viele Menschen moderne Lebensqual­ität und Mobilität schaffen? Experten setzen auf eine interdiszi­plinäre Herangehen­sweise, um alte Substanz, immerwähre­nde Grundbedür­fnisse, neue Technologi­e und zukünftige Anforderun­gen im Städtebau zu berücksich­tigen und für neue Ideen nutzen zu können. Stadtrand, „das ist die Meisterkla­sse der Immobilien­entwicklun­g“, behauptet Peter Ulm, Vorstandsv­orsitzende­r von 6B47. Sein Unternehme­n führt immer wieder solche Projekte durch. Derzeit setzt 6B47 etwa im Althan-Viertel Akzente. Unter anderem wird dort die Postdirekt­ion Süd, ein Bürogebäud­e aus den Achtzigerj­ahren, in ein Wohnhaus umgewandel­t. „Solche Projekte bieten echte Chancen für die Stadtentwi­cklung, aber es bedarf vieler Kreativitä­t, um optimale Lösungen zu schaffen“, erzählt Ulm.

Nicht nur gute Ideen sind erforderli­ch – auch Wirtschaft­lichkeit. Die Entwickler seien mit hohen Grundstück­spreisen und deutlich gestiegene­n Baukosten konfrontie­rt, berichtet Ulm: „Wir müssen uns noch mehr Gedanken machen, wie wir die Nutzungen der Projekte etwa durch smarte Gemeinscha­ftseinrich­tungen oder effiziente­re Grundrisse steigern können, damit Wohnen in der Stadt noch halbwegs leistbar bleibt.“

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[ Steidl Architekte­n ]

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