OMV: Eine Niederlage, die kaum schmerzt
Analyse. Das geplante Tauschgeschäft mit der russischen Gazprom ist geplatzt. Die OMV wird sich stattdessen mit Cash in Sibirien einkaufen. Es ist nicht das geplante Happy End der Russland-Story, kommt dem Konzern aber gar nicht ungelegen.
Wien. Dieses Geschäft stand unter keinem guten Stern. Als 2015 bekannt wurde, dass die OMV ein Stück des teilstaatlichen Konzerns gegen einen Viertelanteil an einem sibirischen Gasfeld der Gazprom eintauschen will, sah halb Österreich schon „unsere“Raffinerie Schwechat in russische Hände verschwinden. Und als später klar wurde, dass Moskau stattdessen ein Stück an der norwegischen OMV-Tochter erhalten soll, legte sich eben Oslo gegen den Eindringling aus dem Osten quer.
Mit Erfolg. Seit Mittwochabend ist das umstrittene Tauschgeschäft mit dem russischen Staatskonzern vom Tisch. Stattdessen werde die OMV den 24,98-Anteil am westsibirischen Urengoi-Feld eben in bar bezahlen, verkündeten OMVChef Rainer Seele und GazpromChef Alexei Miller in St. Petersburg. Der genaue Kaufpreis müsse noch „in guter Absicht“verhandelt werden. Spätestens Anfang 2019 soll der Deal stehen, ein Jahr später die Produktion starten. Ist das nun eine Schlappe für die Russland-Strategie des OMV-Generals oder ein eleganter Ausweg aus einer unangenehmen Situation? Das liebe Geld. Eine der drängendsten Fragen ist: Kann sich die OMV diese Expansion nach Russland leisten? Immerhin hatte Rainer Seele das Tauschgeschäft 2015 nicht ohne Grund angeregt. Damals strotzte die OMV mit einem Schuldenstand von vier Milliarden Euro nicht unbedingt vor Liquidität. Ein harter Sparkurs und der Verkauf etlicher Tochterunternehmen hat das aber gründlich geändert. Zum Halbjahr hatte die OMV noch 2,8 Milliarden Euro Schulden bei 2,9 Milliarden Barreserven. Die Verschuldungsquote liegt bei guten zwanzig Prozent.
Zehn Milliarden Euro hat das Unternehmen für Zukäufe bis 2025 eingeplant. Der Einstieg in Urengoi geht sich damit locker aus. Zum Vergleich: Im Frühjahr ist die OMV um 1,7 Milliarden Euro beim russisches Gasfeld Juschno-Russkoje eingestiegen. Trotz ähnlicher Reserven sind die beiden Felder aber kaum zu vergleichen. Denn während in Juschno-Russkoje eine laufende Produktion gekauft wurde, muss die OMV das Feld in Urengoi erst entwickeln. Der geplante Produktionsstart wurde erst kürzlich auf 2020 verschoben. Insider rechnen daher damit, dass der Kaufpreis letztlich „klar unter einer Milliarde Euro“zu liegen kommen werde. Ob die OMV diesen Betrag aus dem Cashflow bezahlen kann, ist angesichts eines schwachen ersten Halbjahrs allerdings noch offen. Russisches Roulette. Ist das Geschäft so gut, wie es Rainer Seele zum Amtsantritt versprochen hat? Der hohe Ölpreis und die US-Sanktionen haben Seeles Russland-Strategie zuletzt geschadet. Seit Jahresbeginn verlor das Unternehmen gut sechs Prozent an Wert, während seine Mitbewerber zulegen konnten. Allerdings sind die Förderkosten und Steuern in Russland extrem niedrig. Das hilft dem Unternehmen, seine Produktionskosten pro Fass zu halbieren. Mit einer geplanten Fördermenge von 80.000 Fass am Tag und rund 560 Millionen Fass unter der Erde wird Urengoi auch die Reservenposition der OMV stärken. Negativ wirken sich neben politischen Risken auch manche Vertragsbedingungen mit Gazprom aus: Die OMV muss das Gas deutlich unter dem europäischen Preis direkt an den russischen Konzern verkaufen. Sonderliche Lust auf weitere Abenteuer in Sibirien verspürt Seele ohnedies nicht. Im August erklärte er „den Hauptteil der Expansion nach Russland“mit Abschluss des Tauschgeschäfts für beendet.
Die Rolle der Norweger. Dass der Deal in seiner ursprünglichen Form geplatzt ist, liegt zu einem Gutteil an Oslo. Die norwegische Regierung leistete heftigen Widerstand gegen den Plan, 38,5 Prozent an OMV Norge an Gazprom abzutreten. „Wir müssen sicherstellen, dass wir als Alternative zu Russland wahrgenommen werden“, erklärte Terje Søviknes, damals Energieminister des größten Gas- produzenten Europas, im Sommer. Moskau, so die Befürchtung, werde Gas als politische Waffe einsetzen. Noch im September hatte OMV-Chef Seele gehofft, den neuen Energieminister Kjell-Børge Freiberg an Bord holen zu können. Letztlich vergebens.
Mit der jetzigen Lösung räumt die OMV ein weiteres Problem aus dem Weg. Bis zuletzt konnte sich der Konzern nicht mit Moskau einigen, wer wie viele Posten in der gemeinsamen Firma in Norwegen besetzen dürfe. Das ist mit der simplen Kaufvariante geklärt. Auch die Unsicherheit, ob das Geschäft wie geplant, zu spät oder gar nicht zustande kommt, ist beendet. Anleger reagierten positiv auf die Nachricht. Die OMV-Aktie konnte an der Wiener Börse deutlich zulegen.