US-Staatsanleihen im Höhenflug
Starke US-Konjunkturdaten und Äußerungen des Fed-Präsidenten, Jerome Powell, haben die Zinsen für zehnjährige Schatzscheine auf ein Sieben-Jahres-Hoch getrieben.
Wenn der Präsident der US-Notenbank spricht, ist ihm weltweite Aufmerksamkeit sicher. Das war beim legendären FedChef Alan Greenspan so, und es ist bei Jerome Powell nicht anders. So befeuerte Powell mit seiner Aussage bei einer Veranstaltung des Thinktanks Atlantic Council, dass die Zinsen angesichts der „bemerkenswerten positiven“Entwicklung der US-Wirtschaft schneller angehoben werden könnten, nicht nur entsprechende Spekulationen zur Geldpolitik der größten Volkswirtschaft der Welt.
Powells Äußerungen und die anhaltend starken Konjunkturdaten haben den Kapitalmarktzinsen in den USA einen weiteren Schub verliehen. Nach einem deutlichen Zuwachs am Mittwoch stieg der Zins für zehnjährige US-Staatsanleihen am Donnerstag über die Marke von 3,223 Prozent. Es ist das erste Mal seit dem Jahr 2011, dass dieses Niveau überschritten wird.
Diese Entwicklung ist wegen der großen Relevanz der USA für die globale Konjunktur und das Finanzsystem von hoher Bedeutung. Der Zinsanstieg erfasste deshalb auch Asien und Europa. In vielen Industrie- und Schwellenländern stiegen die Kapitalmarktzinsen ebenfalls kräftig. In Deutschland bewegten sich zehnjährige Bundesanleihen bei bis zu 0,54 Prozent und damit 0,07 Prozentpunkte höher als am Mittwoch. Dieses Niveau gab es zuletzt im Mai. Die österreichische zehnjährige Benchmark-Bundesanleihe rentierte mit 0,74 (0,68) Prozent.
Der nach wie vor große Zinsabstand zwischen Deutschland und den USA von etwa 2,6 Prozentpunkten liegt bei der unterschiedlichen Ausrichtung der Geldpolitik, die in den USA wesentlich straffer ist als in Europa.
Am Mittwoch gab es neuerlich gute amerikanische Konjunkturdaten: Nach Angaben des privaten Personaldienstleisters ADP schufen US-Firmen im September 230.000 neue Stellen, deutlich mehr als erwartet. Heute, Freitag, steht der Arbeitsmarktbericht der Regierung an, der neben den Jobs in der Privatwirtschaft auch den öffentlichen Dienst umfasst. Er dürfte die robuste Arbeitsmarktlage bestätigen. Die Erwerbslosenquote dürfte bei 3,8 Prozent liegen. Dieses Niveau entspricht praktisch Vollbeschäftigung, womit die Fed ihr erklärtes Ziel erreicht hätte.
Die US-Wirtschaft befindet sich schon seit Längerem in einem stabilen Aufschwung mit moderaten Inflationsraten in der Nähe des Notenbankziels. Die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten ziehen aber langsam an. Über eine höhere Güternachfrage könnte dies zu höheren Inflationsraten und Zinsen führen.
Bisher rechneten Experten damit, dass die Fed die Leitzinsen, die derzeit bei 2,0 bis 2,25 Prozent liegen, bis Ende 2019 noch viermal anheben würde. Powell sagte, das Zinsniveau unterstütze zwar immer noch die Konjunktur, es bewege sich aber allmählich auf ein neutrales Niveau zu. „Wir könnten über ,Neutral‘ gehen. Aber aktuell sind wir wahrscheinlich noch weit von diesem Punkt entfernt.“
Die Fed veranschlagt das neutrale Zinsniveau gegenwärtig bei etwa drei Prozent. Dieser Punkt kennzeichnet das Zinsniveau, auf dem die Wirtschaft weder gebremst noch angeschoben wird. Viele Beobachter waren bisher davon ausgegangen, dass das neutrale Niveau im Lauf des nächsten Jahres erreicht und die Zinserhöhung damit beendet sein dürfte. Dieses Szenario wird nun durch Powells Bemerkungen infrage gestellt. Allerdings bekräftigte der Fed-Chef, dass es keinen Grund zu der Annahme gebe, dass der Zyklus einer niedrigen Inflation und geringer Arbeitslosigkeit nicht noch einige Zeit fortgesetzt werden könne. (ag./eid)