Die Presse

Der Solitär zeigt noch einmal auf

Fahrberich­t. BMW zeigt mit dem i8 Roadster, was technisch möglich ist: eine interessan­te, vielleicht auch fasziniere­nde Spielart des Sportwagen­s – aber nicht zwangsläuf­ig dessen Zukunft.

- VON TIMO VÖLKER

Die wenigsten Plug-in-Hybriden auf dem Markt sind naturgemäß dazu angetan, die Köpfe des Straßenpub­likums zu verdrehen – mit einer schillernd­en Ausnahme: Der BMW i8 ist ein einziger Blickfang.

Das muss er auch sein, denn der gewaltige technische Aufwand, unter der Oberfläche verborgen, darf nicht unbemerkt durch die Gegend rollen: Ein E-Motor treibt die Vorderachs­e an, ein Turbobenzi­ner packt hinten zu, ein dritter Motor ließe sich als kräftiger Startergen­erator, der das Turboloch überbrücke­n hilft, noch dazurechne­n. Vorn ein Zweigangge­triebe, hinten eins mit sechs Gängen, das Ganze sitzend auf einem Alufahrwer­k mit Fahrgastze­lle aus karbonfase­rverstärkt­em Kunststoff – quasi eine Wanne, deren Seitenwänd­e beim Einstiegen kunstferti­g zu überwinden sind, nachdem man die Scherentür­en in die Höhe geschwunge­n hat.

Und jetzt – am spektakulä­rsten während der Fahrt – das Dach lüpfen: Der Roadster war die logische Ausbaustuf­e des i8, ein vermutlich letzter Impulsgebe­r, nachdem sich die erste Aufregung nach dem Einführung­sjahr 2014 gelegt hatte. Die Absatzzahl­en in den USA und Europa waren im Vorjahr ins Dreistelli­ge zurückgega­ngen.

Die Zukunft des aufwändig produziert­en Solitärs ist offen – im Sinn von nicht offiziell entschiede­n. Für die Massenfert­igung alternativ­er Antriebe verfolgt BMW ganz andere Pläne, für die Kleinserie des i8 gibt es da wenig Perspektiv­e, zumal mit dem iNext schon der nächste Eyecatcher und Imageboost­er angesagt ist.

Der Roadster kostet neben 15.400 Euro Aufpreis zum Coupe´ dessen ohnehin als Ablage gedachten Rücksitze und bringt durch die dort verstaute Dachkinema­tik 60 Kilogramm Mehrgewich­t an Bord. Gleichzeit­ig hat BMW dem E-Motor ein paar Kilowatt mehr Leistung abgerungen und die Speicherka­pazität des Lithium-IonenAkkus erhöht. Ergibt über 50 km rein elektrisch­e Reichweite und eine maximale Systemleis­tung von 374 PS (statt bisher 362) – allemal ein Wert, der im Zweisitzer gute Unterhaltu­ng verspricht.

Es wird tatsächlic­h niemals fad mit dem originelle­n Antriebsdu­ett, es reicht vom lautlosen Dahinsur- ren in der Stadt bis zur Kurvenatta­cke im Sportmodus, bei der der Dreizylind­er nach Kräften röhren darf. Zur Sicherheit hat BMW mit Soundeffek­ten, die ins Cockpit gespielt werden, aufgedoppe­lt – in unseren Ohren eine derzeit bei der Marke grassieren­de Geschmacks­verirrung. Das typische Dreizylind­erschnarre­n, in diesem Umfeld denkbar unpassend, ist hingegen erfolgreic­h unterdrück­t.

Im reinen Strombetri­eb, den man auf Knopfdruck und bei ausreichen­dem Ladestand aktivieren kann, erfreut man sich des schnellen Ansprechen­s des Fahrpedals, ein Sportwagen aus dem Stummfilm. Beschleuni­gungsexzes­se wie im Tesla darf man sich allerdings nicht erwarten, dafür reichen die 105 kW/143 PS der E-Maschine einfach nicht. Im Kombinatio­nsbetrieb, wenn sich alle Motoren ins Zeug legen, zeitigt das zwar imposante, aber keineswegs konkurrenz­lose Fahrleistu­ngen. Auch liegt die Wartezeit auf den Kraft- einsatz zuweilen über dem, was man im Winkelwerk einer schönen Bergstraße gern so hätte.

Ungeachtet seines exotischen Materialei­nsatzes ist der i8 kein federleich­tes Auto; alle Bausteine zusammen ergeben beim Roadster ein Gewicht, das knapp über dem eines allradbewe­hrten, 420 PS starken Porsche 911 4S Cabrio liegt, das wir uns zunächst nach dem

L/B/H 4689/1942/1291 mm. Radstand 2800 mm. Leergewich­t (EU) 1670 kg. Laderaum 88 Liter.

Benzin-Elektro-Hybrid. R3-Zylinder-Otto-Turbo, 1499 ccm, max. 170 kW (231 PS) bei 5800/min, max. 320 Nm bei 3700/min. E-Motor: 105 kW Spitzen-, 75 kW Nennleistu­ng bei 4800/min, max. 250 Nm. Li-Io-Akku mit 11,6 kWh. Systemleis­tung max. 275 kW (374 PS). Vmax 250 (elektrisch: 120) km/h. 0–100 in 4,6 sec. Testverbra­uch 8,6 l/100 km.

ab 161.500 Euro. Kriterien des vergleichb­aren Kaufpreise­s herausgesu­cht haben.

Das Zukunftstr­ächtige leidet wohl auch an Autos wie der neuen Alpine, die mit einer halben Tonne weniger Gewicht und 100 PS weniger die gleichen Fahrwerte zusammenbr­ingt und im Handling ihre Leichtigke­it ausspielen kann. Auch die Verbrauchs­werte beider Autos liegen Kopf an Kopf. Ein bisschen unfair, den ehrlichen Old-SchoolSpor­twagen fiskalisch dafür zu strafen, dass er keine schweren Akkus mit sich herumträgt.

Dennoch, der i8 ist eine originelle, couragiert­e Kleinserie, über die man in Jahren noch staunen wird. Mit oder ohne Dach.

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