Die Presse

Wie warm wird Windkraft die Welt machen?

Klima. Bevor sich durch das Einsparen von CO2 ein Klimanutze­n einstellt, wird viel Zeit vergehen: 100 Jahre wird die von Windrädern gemachte Erwärmung überwiegen. Zu dem Befund kommt eine Studie für die USA.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenn es um die Energiewen­de geht, die fossile Brennstoff­e ablösen soll, bieten sich vor allem Wasser, Wind und Sonne an. 77 Prozent des Energiebed­arfs könnten damit 2050 gedeckt werden, prognostiz­ierte der UNOKlimabe­irat IPCC 2011. Das stieß auf Kritik, unter anderem deshalb, weil am Kapitel über Wasserkraf­t Interessen­vertreter dieser Energie mitgeschri­eben hatten – die nicht als solche ausgewiese­n waren und die etwa geurteilt hatten, dass „Abschätzun­gen über die Lebenszeit von Staudämmen auf sehr geringe Emissionen von Kohlenstof­f hindeuten“.

Emissionen von Kohlenstof­f – gemeint ist das Treibhausg­as CO2 – durch Wasserkraf­t? Jede Energiegew­innung hat ihren Preis, Wasserkraf­t verbaut Flüsse, Windkraft führt zur Verspargel­ung der Landschaft­en und lässt Tiere leiden, Vögel und Fledermäus­e in die Rotoren geraten. Aber Wind und Wasser dienen dem Ziel des Klimaschut­zes. Und nun gab es Zweifel daran, nun sollten Staudämme wärmen? Peter Bosshard von der NGO Internatio­nal Rivers rechnete es vor: Riesige Stauseen in den Tropen werden geflutet, ohne die Biomasse zu entfernen, diese verrottet und setzt zehnmal so viel Treibhausg­ase frei wie ein Kohlekraft­werk vergleichb­arer Leistung.

In dieser Rechnung fehlte der Zeithorizo­nt, er ist zentral in einer, in der nun Lee Miller und David Keith (Harvard) den Klimanutze­n der Windkraft ins Auge gefasst haben: „Wind schlägt Kohle in jeder Hinsicht, aber das heißt nicht, dass die Folgen der Nutzung von Windenergi­e vernachläs­sigbar wären“, erklärt Keith: „Und diese direkten Folgen kommen sofort, während der Nutzen sich langsam einstellt.“

Ja, welche Klimafolge­n sollen Windräder denn haben? Auch sie erwärmen, und zwar dadurch, dass sie die Luft verwirbeln, das sorgt in der Nacht für höhere Temperatur­en am Erdboden, er wird weniger Wärme los. Das wurde lang nur befürchtet und modelliert, gezeigt hat es sich dann etwa an Windparks in Texas, in denen die Temperatur­en um 0,72 Grad Celsius höher lagen als andernorts (Nature Climate Change 2, S. 539).

Verwirbelu­ng der Luft hält Boden warm

Solche Befunde – sie differiere­n regional stark – haben Miller und Keith für den Fall hochgerech­net, dass der gesamte Strom für die USA aus Wind gezogen würde: Dann sehen sie für das ganze Land eine Erwärmung um 0,24 Grad kommen. Und das eingespart­e CO2 würde sich erst in etwa hundert Jahren für das Klima auszahlen ( Joule 4. 10.). „Wenn die Perspektiv­e die nächsten zehn Jahre sind, hat Windkraft in mancher Hinsicht mehr Klimaeinfl­uss als Kohle oder Gas“, schließt Keith: „Wenn es um Jahrtausen­de geht, ist Wind viel sauberer.“

Vertritt vielleicht auch der Mann Interessen? In Publikatio­nen muss man sie ausweisen: Keith hat viel mit der Firma Carbon Engineerin­g zu tun, und die macht ihre Geschäfte mit „wind and solar power“.

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