Jörg Haider, ein österreichischer Lehrmeister von Donald Trump?
Warum der amerikanische Präsident verblüffend oft wie ein Adept des vor zehn Jahren verstorbenen österreichischen Politprovokateurs wirkt.
Am kommenden Donnerstag wird es genau zehn Jahre her sein, dass Jörg Haider, einer der zweifelsfrei interessantesten und faszinierenden Politiker der Zweiten Republik, im Positiven wie im Negativen, bei einem Autounfall zu Tode gekommen ist. Auch wenn hypothetische Geschichtsforschung („Was-wäre-wenn“) wissenschaftlich streng verpönt ist, ist es doch reizvoll, ein wenig darüber zu spekulieren, wo Haider stünde, wäre er damals nicht auf dem Heimweg mit seinem Dienstwagen bei überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen.
Nicht ausgeschlossen ist, dass er heute Bundeskanzler wäre. Mit seiner extrem ausgeprägten Begabung für die Stimmung der Bevölkerung hätte er die Völkerwanderung der Jahre 2015 ff. wohl genutzt, um die FPÖ (oder wie auch immer seine Partei dann geheißen hätte) zur stimmenstärksten Partei des Landes zu machen.
Begabte Zyniker werden an dieser Stelle freilich einwenden, dass er eher nicht im Bundeskanzleramt, sondern im für ihn günstigsten Fall mit einer Fußfessel versehen im heimatlichen Bärental im Hausarrest säße: angesichts seiner ebenso tiefen wie schweren Verstrickung in die Affäre Hypo-Alpe-Adria ist eine gravierende strafrechtliche Verurteilung des früheren Kärntner Landeshauptmanns gut vorstellbar.
Ziemlich sicher ist: Der Politiker Haider würde heute genauso eng und intensiv wie Donald Trump direkt via Twitter mit der Bevölkerung kommunizieren. Schon zu Lebzeiten betrieb er intensiv den direkten Kontakt zu Wählern, mangels Twitter halt noch auf Festen, Bühnen und Podien. Wo immer möglich, umging er die von ihm wenig geschätzten Journalisten und ihre „Gatekeeper-Funktion“.
Wie er überhaupt in vielem wie ein alpenländischer Vorläufer Trumps wirkt: reich und damit unabhängig von Ämtern und Politjobs, dauernd auf Provokation aus und damit immer im Gespräch, die Medien tief verachtend, sich selbst als Antithese zum „Establishment“positionierend, die übergroße Lust am Tabubruch und schließlich eine gewisse Unverschämtheit im öffentlichen oder semi- öffentlichen Auftritt, die tief ins Private hineinreicht.
Wie Trump wurde er von den Medien in weit überproportionalem Ausmaß zum politisch Bösen schlechthin hochstilisiert. Was beiden – Haider wie den Medien – nutzte: Haider, weil er sich damit erfolgreich zum Opfer einer „Jagdgesellschaft“stilisieren und nebenbei Tausende Titelgeschichten und Schlagzeilen generieren konnte, den Medien, weil sich „Haider“phasenweise noch besser verkaufte als „Sex“. Es war eine unappetitliche Symbiose zum gegenseitigen Nutzen.
Wie Trump erzeugte der an sich hochintelligente und sozial begabte Haider auch bei ihm nicht von vornherein übel gesinnten Gesprächspartnern gelegentlich den Eindruck, er leide unter einer milden Art von dem, was volkstümlich Verfolgungswahn genannt wird. Dem Autor dieser Kolumne hat er einmal allen Ernstes erklärt, alle Chefredakteure dieses Landes würden jeden Montag in einer Ringschaltung telefonisch verabreden, wie sie ihn fertigmachen würden. Er hat das wirklich ernst gemeint.
Haider wird in diesen Tagen öfter als Gründervater des europäischen „Populismus“beschrieben. „Der Mann, der den Rechtspopulismus erfunden hat“, nennt ihn das „Profil“. Das ist auch nicht ganz falsch, spart aber aus, dass Haider selbst an einen anderen großen „Populisten“angeschlossen hat, der freilich nie als solcher beschrieben wird: nämlich an Bruno Kreisky.
Dieser entdeckte in Österreich als Erster die Methode, auf Pump Wählerbestechung in großem Ausmaß zu betreiben, wirtschaftspolitisch ruinöse, aber populäre Entscheidungen zu treffen und die Stimmung um Erkenntnisse wie „Die Juden sind kein Volk, und wenn, dann ein mieses“zu bereichern. Nicht zufällig verstand sich Haider da in manchem als der legitime Nachfolger Kreiskys.
Aber Populisten sind halt immer die anderen. Daran hat sich auch zehn Jahre nach Jörg Haiders Tod nichts geändert.