Vorwürfe: Russland verübe Cyberangriffe
Spionage. Niederlande erwischen russische Spione beim Angriff auf Chemiewaffen-Organisation. London beschuldigt den russischen Militärgeheimdienst einer weltweiten Cyberkampagne.
Diplomatie. Wegen weltweiter Hackerattacken haben westliche Staaten Vorwürfe gegen Moskau erhoben. So beschuldigten Großbritannien, Australien und Neuseeland den russischen Militärgeheimdienst GRU, hinter einer Welle von Cyberangriffen zu stehen. London veröffentlichte eine Liste von zwölf Hackergruppen, die politische Institutionen, Unternehmen und Medien angegriffen haben sollen. Das US-Justizministerium verkündete am Donnerstag in Washington eine Anklage gegen sieben Agenten des GRU. Die niederländische Regierung gab bekannt, dass sie vier russische Spione wegen eines versuchten Hackerangriffs auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen ausgewiesen habe. Die russische Regierung reagierte auf die neuerlichen Vorwürfe mit Spott – im Westen breite sich eine „Spionagemanie“aus.
London/Den Haag. Westliche Staaten haben schwere Vorwürfe gegen Russland wegen mutmaßlicher weltweiter Hackerattacken erhoben und den Streit mit Moskau so weiter verschärft. Großbritannien, Australien und Neuseeland beschuldigten den russischen Militärgeheim dienstGRU am Donnerstag, hinter einer globalen Welle von Cyberangriffen zu stehen. Wie zur Bestätigung gab die niederländische Regierung bekannt, vier russische Spione wegen eines versuchten Hackerangriffs auf die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag ausgewiesen zu haben.
Der GRU sei nachweisbar verantwortlich für Hackerangriffe auf politische Institutionen, Unternehmen, Medien und Sport institutionen weltweit, sagte der britische Außenminister Jeremy Hunt. London veröffentlichte eine Liste von zwölf Hackergruppen, hinter denen Moskau stecken soll. Der GRU sei unter anderem verantwortlich für Angriffe auf den Deutschen Bundestag und deutsche Regierungsstellen, für Attacken auf die Welt-Anti-Doping-Agentur, die US- Präsidentschaftswahl 2016 und einen britischen TV-Sender.
EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte prompt: Er kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels am 17./18./19. Oktober zu setzen und verglich Russland mit der Sowjetunion. „Der sowjetische Geist ist noch immer am Leben.“
Scharfe Worte kamen auch von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Rande eines Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel: Die Verbündeten unterstützten das Vorgehen, „Russland wegen seiner unverhohlenen Versuche, internationales Recht und Institutionen zu untergraben, bloßzustellen“, sagte er. Russland müsse „sein rücksichtsloses Verhalten stoppen“.
London will neue Sanktionen
Der britische Außenminister Hunt sagte, die Angriffe zeigten, dass Russland agiere, ohne das Völkerrecht zu beachten. Er stellte weitere Sanktionen gegen Moskau in Aussicht. „Wir werden mit unseren Verbündeten diskutieren, welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden sollten.“Verteidigungsminister Gavin Williamson erklärte: „So handelt keine Großmacht, das sind Handlungen eines Pariastaa- tes.“Gemeinsam mit den Verbündeten werde man weiter daran arbeiten, Russland zu isolieren.
US-Verteidigungsminister Jim Mattis, ebenfalls in Brüssel, bezog sich in seiner Reaktion vor allem auf den vereitelten Angriff auf OPCW. Russland müsse für diese Hackerversuche zur Rechenschaft gezogen werden. „Sie müssen die Zeche dafür bezahlen.“Er habe genug Beweise gesehen, um sagen zu können, dass sowohl die Niederlande als auch die Briten „100 Prozent genau“gewesen seien in der Ermittlung der Schuldigen.
Die niederländische Verteidigungsministerin Ank Bijleveld hatte am Donnerstag die Ausweisung der vier russischen Spione öffentlich gemacht. Nach Angaben der Regierung waren die Männer im April mit Spionage-Equipment in einem Hotel nahe des OPCWHauptquartiers in Den Haag erwischt und festgenommen worden. Drei Tage vor ihrer Festnahme seien sie mit Diplomatenpässen eingereist und von einem Angehörigen der russischen Botschaft empfangen worden. Amsterdam bestellte Russlands Botschafter ein.
Die OPCW untersuchte im Frühjahr zwei für Moskau relevan- te Fragen: Zum einen die Substanz, mit der der frühere russische Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia in der englischen Stadt Salisbury vergiftet worden waren. Zum anderen bemühte sich die Organisation darum, die Substanz zu verifizieren, die bei einem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die syrische Stadt Douma verwendet worden war.
„Unwürdige“Vorwürfe
Auf den Laptops und Handys der Spione fanden die Ermittler Hinweise darauf, dass die Männer auch Hackerangriffe im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Untersuchung zum Abschuss des Passagierfluges MH17 planten. Zudem hätten sie vorgehabt, zu einem Labor in der Schweiz weiterzureisen, das ChemiewaffenProben für die OPCW untersucht.
Russland wies die Vorwürfe als „unwürdig“zurück. Sie seien Teil einer Desinformationskampagne, um russischen Interessen zu schaden, und stammten von Menschen mit einer „blühenden Fantasie“, hieß es aus dem Außenministerium in Moskau. London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen. (ag./raa)