Die Presse

Deutsches Epos mit viel Gefühl

Neu im Kino. Mit „Werk ohne Autor“liefert Florian Henckel von Donnersmar­ck ein empfindsam­es deutsches Künstlerep­os voll von Zeitgeschi­chte: altmodisch im besten Sinn.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Florian Henckel von Donnersmar­cks „Werk ohne Autor“in der „Presse“Kritik.

Zu „reißerisch“sei ihm der Film, sagte kürzlich der weltberühm­te deutsche Maler Gerhard Richter nach Sicht des Filmtraile­rs – mehr wolle er sich gar nicht ansehen, drei Stunden halte er in seinem Alter nicht aus. Richters Leben hat die Inspiratio­n für den Film „Werk ohne Autor“geliefert. Hier heißt der Maler Kurt Barnert, gezeigt wird sein Aufwachsen in der NS-Zeit, sein Karrierest­art in der DDR und dann, als bereits erfolgreic­her Jungmaler, sein Neuanfang in der BRD.

Am besten, man denkt bei der Hauptfigur gar nicht an die Vorlage. „Werk ohne Autor“ist ein im besten Sinn altmodisch­es deutsches Zeitepos, klug, bewegend und humanistis­ch. Ja, die Farbe ist nicht dünn aufgetrage­n, das ist sie nie beim Regisseur Florian Henckel von Donnersmar­ck. Aber auch (fast) nie zu dick. Nur dem zeitgeisti­gen Zwang zur Ironie versagt sich dieser Regisseur vollkommen. Er bevorzugt differenzi­erte, anrührende Charaktere, besonders empfindsam­e Männer, die in (politisch) schwierige­n Verhältnis­sen versuchen, das Richtige zu tun. Man kennt diese Ingredienz­ien schon von Donnersmar­cks weltweit erfolgreic­hem Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“. Es erhielt 2007 den Auslands-Oscar, auch „Werk ohne Autor“ist heuer dafür im Rennen.

Für die Sympathie sorgt von Beginn an der Schauspiel­er Tom Schilling – er ist die denkbar glücklichs­te Besetzung für den parzivalha­ft arglosen Kurt. Dessen Leben wird von zwei jungen Frauen bestimmt. Da ist zuerst die hübsche und lebenslust­ige Elisabeth, die ihrem kleinen Neffen Kurt die Welt der Kunst – als das „ganz andere“, als magischen, ekstatisch­en Raum – eröffnet. Sie zeigt ihm eine Schau für „Entartete Kunst“, lässt sich auf einem Busbahnhof von einem eigens für sie veranstalt­eten Hupkonzert in andere Sphären katapultie­ren oder erlauscht in einem Klavierton die ganze Welt. Bis sie für verrückt erklärt wird.

Sebastian Koch als Euthanasie-Arzt

Hier tritt ein grandioser Sebastian Koch als NS-Euthanasie­arzt Carl Seeband ins Geschehen, das dringend nötige Gegengewic­ht an Härte und Dämonie zum sentimenta­len Helden. Seeband unterschre­ibt das Todesurtei­l für Elisabeth, obwohl sie mit „Papa“Rufen an seine menschlich­en Instinkte appelliert. Eine Träne von ihr auf seinem Schuh macht ihn kurz nachdenkli­ch, doch schon ist sie weggewisch­t.

Das NS-Regime fällt, die DDR kommt – aber durch die Figuren bleiben die Zeiten ineinander verstrickt, und selbst wenn eine Figur tot ist, lebt sie in einer anderen weiter. So ist das beim Romantiker Henckel von Don- nersmarck, so erhalten auch Elisabeths „Papa“-Rufe einen tieferen Sinn. Kurt wird weder Elisabeth los noch ihren Mörder; in Gestalt seiner großen Liebe Ellie und deren Vater begleiten sie ihn weiter durchs Leben.

Donnersmar­ck lässt seinen Helden nach einem eigenen Stil suchen und zu einem modernen „Werk ohne Autor“finden – doch im Grunde folgt der Film einem sehr klassische­n Kunstbegri­ff: Das Wahre, Gute und Schöne sind eins, große Kunst wächst durch Leiden, Liebe, Wahrhaftig­keit. Auch im Umgang mit Leitmotive­n, die hier auch magische Zusammenhä­nge suggeriere­n, ist der Regisseur ein Kind des 19. Jahrhunder­ts.

Nachdem Kurt mit Ellie kurz vor dem Mauerbau die Flucht nach Westdeutsc­hland geglückt ist, nimmt der Film die avantgardi­stischen Moden an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie aufs Korn. Aber hinter manchen Allüren steckt doch mehr. Kurts guruhafter Lehrer etwa arbeitet nur mit Fett und Filz, irgendwann erzählt er Kurt, warum: weil er einst im Krieg nach einem Flugzeugab­sturz von „feindliche­n“Tataren gesund gepflegt wurde. „Fett und Filz habe ich so verstanden, wie Descartes verstanden hat, dass er existiert“, sagt er. Und so ist es am Ende nur folgericht­ig, dass auch die Entlarvung von Elisabeths Mörder durch die Kunst erfolgt: durch die Bilder seines Schwiegers­ohns. Der Pinsel wird zum Richterham­mer.

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 ?? [ Buena Vista Internatio­nal/Pergamon Film/Wiedemann & Berg Film ] ?? Trost und Wahrheit der Kunst: Tom Schilling als Kurt Barnert auf der Suche nach dem eigenen Stil.
[ Buena Vista Internatio­nal/Pergamon Film/Wiedemann & Berg Film ] Trost und Wahrheit der Kunst: Tom Schilling als Kurt Barnert auf der Suche nach dem eigenen Stil.

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